Tanken, HeizenSo abhängig sind wir von Russlands Öl
Hannover/Frankfurt/Moskau – Die Rohölpreise steigen und steigen – und mit ihnen absehbar auch die Kosten für Benzin, Diesel, Heizöl, Schweröl, Kerosin und viele verarbeitete Chemieprodukte. Bei den beiden wichtigen Ölsorten Brent und WTI erklommen die Notierungen im weltweiten Großhandel am Montag Höhen wie seit rund 14 Jahren nicht mehr. Dabei war die durch Energie getriebene Inflation zuletzt schon erheblich.
Wie entstehen Ölpreise, und wie kommen sie beim Verbraucher an?
Das Opec-Kartell und die Opec-Plus-Länder einschließlich Russlands haben durch ihre Entscheidungen zu Fördermengen großen Einfluss, auch wenn ihr Marktanteil in den vergangenen Jahren sank und die USA ein weiterer dominanter Akteur sind. Holen die Ölstaaten mehr „schwarzes Gold“ aus dem Boden, vergrößert dies das Angebot. In der Regel gehen dann die Preise zurück.
Jedoch spielt die Nachfrage ebenfalls eine Rolle – der Ölhunger hat durch die vorsichtige Erholung nach der Corona-Krise zugenommen. Und Marktteilnehmer decken sich mit Rohöl ein, weil sie eine Verschärfung des Krieges befürchten. Oft ist ein „Überwälzen“ von Preissteigerungen auf die Wirtschaft und am Ende auf die Verbraucher nicht vermeidbar. Diesel ist in Deutschland nun sogar teurer als Benzin, für Erdgas erreichte der Großhandelspreis ein Allzeithoch.
Trotz Spritpreisschocks vorerst keine Entlastung
Die Bundesregierung plant trotz der explodierten Spritpreise derzeit keine weiteren Entlastungen der Bürger. „Ich schließe für die weitere Entwicklung dieses Jahres nichts aus. Zum jetzigen Zeitpunkt steht aber keine neue Entscheidung an“, so Finanzminister Christian Lindner (FDP). Der Staat könne steigende Kosten für Energieimporte nicht auf Dauer kompensieren, sondern nur dämpfen und sozial ausbalancieren. Bislang sind neben der Unterstützung besonders Bedürftiger vor allem steuerliche Entlastungen geplant, die sich allerdings erst im kommenden Jahr im Geldbeutel der Bürger auswirken werden. Lindner betonte, die Bundesregierung dringe darauf, Importe von Gas, Öl und Kohle aus Russland nicht initiativ zu unterbinden, um Bürger und Wirtschaft nicht noch weiter zu belasten. Die Option liege auf dem Tisch. „Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es für die Durchhaltefähigkeit der Sanktionen gegenüber Wladimir Putin aber ratsam, diesen Schritt nicht selbst zu gehen.“ (dpa)
Welche Rolle spielt Russland auf dem internationalen Ölmarkt?
Die Russische Föderation ist ein Gigant im Ölgeschäft. Wie bei Gas, Kohle und Metallen leitet sich daraus eine enorme Marktmacht ab. Die Abkehr von fossilen Ressourcen, die der Klimawandel nötig macht, braucht Zeit. Bis auf weiteres hat Moskau mit seinem vor allem aus Sibirien stammenden Öl also einen geopolitischen Trumpf in der Hand.
Bei den weltweiten Erdölressourcen lag das Riesenland nach Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Jahr 2020 mit knapp 85 Milliarden Tonnen auf Rang zwei hinter den USA (118 Mrd t). In der Förderung 2015 bis 2020 hatten die USA mit 17,9 Prozent den größten Anteil, auch hier kam danach Russland mit 12,3 Prozent – vor Saudi-Arabien (12,0 Prozent).
Schaut man auf die Importseite, wird die Abhängigkeit deutlich. Beim Mineralölverbrauch lag Deutschland 2020 mit 93,7 Millionen Tonnen auf Rang zehn, insgesamt war es sechstgrößter Importeur weltweit. 2021 stammten über ein Drittel der deutschen Öleinfuhren aus Russland. Im Vorjahr war Moskau zweitgrößter Ölexporteur der Welt: Die rund 232 Millionen Tonnen entsprachen in etwa zwei Dritteln der Menge, die Weltmarktführer Saudi-Arabien verkaufte.
Was hat Erdöl mit der Debatte um weitere Sanktionen zu tun?
Schon vor der Invasion in die Ukraine war es mit den Ölpreisen aufwärts gegangen, seither noch stärker. US-Außenminister Antony Blinken berät nun mit Europa über einen Importstopp: „Wir sprechen jetzt mit unseren europäischen Partnern und Verbündeten, um auf koordinierte Weise die Aussicht auf ein Verbot der Einfuhr von russischem Öl zu prüfen.“ Die Bundesregierung zeigte sich noch zurückhaltend zu Forderungen nach einem Energie-Embargo. Spekulationen und Knappheitssorgen sind aber längst Treiber der Rohölpreise. Am Morgen legte die Nordseesorte Brent um bis zu 18 Prozent zu und stand bei 139,13 Dollar je Barrel, im Sommer 2008 hatte der Preis zuletzt darüber gelegen. Bei der US-Sorte WTI (130,50 Dollar) war es ähnlich.
Was könnten die Folgen für die Versorgung Deutschlands sein?
Sollte es zu einem Einfuhrverbot kommen, könnte Öl abermals teurer werden. Der Verband Fuels und Energie erklärte, die Branche habe schon begonnen, Importe aus Russland zu reduzieren. Die Versorgung sei derzeit stabil. Aber angesichts der hohen Gesamtmengen sei kurzfristiger Ersatz „extrem anspruchsvoll und nicht vollständig realisierbar“. Bei dem per Tanker kommenden Öl sei eine Umstellung auf andere Lieferländer vergleichsweise gut möglich, ein Großteil komme jedoch über die russische Druschba-Pipeline. „Lieferunterbrechungen wegen beschädigter Infrastruktur bis zu russischen Gegensanktionen könnten Konsequenzen für Europas Energiebranche haben“, hieß es vom Analysehaus Scope Ratings.
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Was könnte die aktuellen Preissteigerungen dämpfen?
Am effektivsten wäre es, wenn der Opec-Plus-Verbund die Fördermenge stark ausdehnen würde. Zuletzt gab es dafür aber keine Hinweise. Zudem sind viele Länder nicht einmal in der Lage, ihre bisherigen Förderquoten zu erfüllen. Auch aus den USA ist kurzfristig kaum Abhilfe zu erwarten. Dazu müssten Investitionen in das Fracking von Rohöl hochgefahren werden. Auch dies braucht Zeit – und ist umweltpolitisch heftig umstritten. Anstrengungen der Verbrauchsländer zur Energieeinsparung und Umstellung auf erneuerbare Energien könnten helfen. Aber auch das ist heute eher eine Frage der mittleren Frist. (dpa)