Kennzeichnung soll kommenWie sich das Glück der Schweine messen lässt
Berlin – Schon nächstes Jahr soll das staatliche Tierwohl-Kennzeichen auf Fleischverpackungen zu finden sein. Es soll anzeigen, wie das Tier gelebt hat. Doch wie wird das Label aussehen? Möglicherweise ganz anders als gedacht.
Transparent soll die staatliche Kennzeichnung werden – und verbindlich. So viel teilt das Bundeslandwirtschaftsministerium mit. Seit Monaten arbeitet das Haus von Cem Özdemir (Grüne) an dem Entwurf. Seine beiden Vorgänger – Christian Schmidt (CSU) und Julia Klöckner (CDU) haben es nicht vermocht, das staatliche Siegel auf die Verpackungen zu bringen. Özdemir will es offenbar besser machen.
Schon im kommenden Jahr in den Regalen
Noch in diesem Jahr will er die gesetzlichen Grundlagen des Haltungskennzeichens auf den Weg bringen. „Nächstes Jahr werden gekennzeichnete Produkte in den Geschäften zu finden sein“, versichert das Ministerium. Begonnen werden soll mit Schweinefleisch im Supermarkt. In weiteren Schritten werden dann, so der Plan, andere Tierarten, aber auch Kennzeichnungen bei anderen Fleischanbietern wie der Gastronomie folgen.
Nur die zentrale Frage lässt das Ministerium bislang unbeantwortet: wie das staatliche Siegel eigentlich aussehen soll. Dazu werde man zeitnah etwas präsentieren können, heißt es aus Berlin. Nach unseren Informationen war für Dienstagabend ein Treffen von Minister Özdemir mit Vertretern der Landwirtschaft geplant. Ging es um erste Überlegungen zum Haltungskennzeichen?
Anlehnung an den Eier-Code ist im Gespräch
Mehrere mit der Sache vertraute Gesprächspartner bestätigen unserer Redaktion: Es wird womöglich ganz anders kommen, als es bislang viele gedacht haben. Denn das Agrarministerium überlegt offenbar sehr konkret, die staatliche Kennzeichnung an eine bereits vorhandene Kennzeichnung anzulehnen: den Eier-Code. Der signalisiert den Verbrauchern bereits seit Jahren anhand von Ziffern auf dem Ei, wie das Huhn zum Ei lebt.
Die 0 steht dabei für Bio-Haltung, die 1 für eine Haltung im Freiland, bei der die Hühner viel Zeit außerhalb des Stalls verbringen können. Die 2 steht für die Bodenhaltung, die im Stall stattfindet. Unter der 3 werden übrige Haltungsformen zusammengefasst wie die wenig tierfreundliche Kleingruppenhaltung, die aus der sogenannten mittlerweile beendeten Käfighaltung hervorgegangen ist.
Dieses Konzept will das Ministerium offenbar auf das staatliche Haltungskennzeichen und damit auch auf andere Tierarten übertragen. Das Özdemir-Haus will sich dazu vorläufig nicht äußern.
Kennzeichnung über eine Skala von 0 bis 3
Für Schweine könnte die Kennzeichnung bedeuten: Die 0 steht für Bio-Schweinefleisch. Im Gegensatz zu Bio-Eiern ist jenes in Deutschland ein Nischenprodukt. Mit einer 1 wird dann solche Ware gekennzeichnet, bei der Schweine zu Lebzeiten sich auch außerhalb des Stalls beispielsweise in Auslaufflächen bewegen konnten. Auch dies ist die Ausnahme. Stufe 2 wäre dann möglicherweise für solche Ställe vorgesehen, bei denen Schweinen zumindest Frischluft um die Schnauze weht – etwa durch offene Stallfronten. Alle anderen Haltungsformen könnten unter 3 zusammengefasst werden: Vom gesetzlichen Mindeststandard, bei dem das einzelne Tier lediglich 0,75 Quadratmeter Platz hat, bis hin zu Modellen mit mehr Raum oder Beschäftigungsmöglichkeiten im Stall. Die allermeisten Schweine in Deutschland werden so gehalten.
Setzt das Ministerium den Plan um, hätte das mutmaßlich Auswirkungen auf bestehende Haltungskennzeichnungen wie die privatwirtschaftliche „Initiative Tierwohl“. Aus einem Fonds werden Landwirten hier bessere Haltungsbedingungen finanziert. Die meisten Tierwohl-Schweine wären im staatlichen System aber unter der dritten und damit letzten Ziffer einsortiert.
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FDP-Agrarpolitiker Gero Hocker sagt auf Anfrage, es gelte „möglichst viele Landwirte, die sich schon im Rahmen zahlreicher privatwirtschaftlicher Programme und Kennzeichnungen auf den Weg gemacht haben, mitzunehmen.“ An der genauen Ausgestaltung der Stufen des Tierhaltungslogos werde derzeit in der Ampel-Koalition gearbeitet, „um den Betrieben Planungssicherheit zu geben.“
Wie Özdemir den anvisierten Umbau der Ställe finanzieren will, ist derweil noch unklar. Im Bundeshaushalt ist für die Jahre 2023 bis 2026 insgesamt eine Milliarde Euro hinterlegt.„Diese Mittel finanzieren die Startphase des Umbaus“, heißt es aus dem Ministerium. Das Haus arbeite „an einem solidarischen Abgabesystem auf Fleischprodukte“. Zuletzt im Gespräch waren eine Tierwohl-Abgabe, die der Kunde an der Supermarktkasse zahlt. Auch hier will Özdemir in diesem Jahr eine Lösung auf den Weg bringen.