Diesel und Dünger teuerWie der Ukraine-Krieg rheinische Landwirte belastet
Rheinland – Noch ist der Winterweizen von Johannes Brünker kaum von Grashalmen zu unterscheiden. Damit sie ab April in die Höhe wachsen können, düngen Brünker und sein Sohn die kleinen Pflanzen ein letztes Mal vor der Schossphase. Der Landwirt aus Swisttal-Hohn hat rechtzeitig gehandelt: Den Dünger sicherte er sich schon im Herbst. „Hätte ich ihn jetzt gekauft, hätte ich das Dreifache bezahlt“, sagt Brünker.
Diesel und Dünger schon vor dem Krieg teuer
Die Folgen des Ukraine-Kriegs machen auch vor den Landwirten im Rheinland nicht Halt. Schon vor Kriegsausbruch waren Diesel und Dünger teuer. Jetzt gibt es wöchentlich einen neuen Preisrekord. Das spüren die Landwirte deutlich: Um einen Hektar Acker zu bewirtschaften, werden laut Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen jährlich etwa 100 Liter Diesel benötigt. Für den Liter zahlen die Bauern derzeit 80 Cent mehr als der Durchschnittspreis 2021. Zudem verteuert sich die energieintensive Düngerproduktion proportional zum Erdgas.
„Ich bin im Moment sehr vorsichtig mit Düngerkontrakten. Es ist unklar, wie sich die Situation entwickelt“, sagt Brünker. Die Preise für den Stickstoffdünger Harnstoff lagen am Freitag bei 1235 Euro je Tonne – fast 500 Euro mehr als in der Woche davor. Kalkammonsalpeter, ein anderer Stickstoffdünger, kommt auf 963 Euro je Tonne. Das entspricht einem Plus von 364 Euro. Wie viel Dünger für einen Hektar Ackerfläche gebraucht wird, ist je nach angebauter Pflanze unterschiedlich. Um Winterweizen mit Backqualität zu erzeugen, muss ein Landwirt 230 Kilogramm Dünger pro Hektar ausbringen. Hinweise, dass die Preise bald sinken, gebe es nicht, sagt Brünker. „Ganz im Gegenteil sogar. Die Ernteausfälle müssen ausgeglichen werden.“ Es werde nun auch dort produziert, wo es vorher nicht rentabel war. Und die hohe Nachfrage lässt die Düngerpreise weiter ansteigen.
Griff zu organischem Dünger
Ressourcen sparsam einsetzen und auf Alternativen umsteigen – so will der Swisttaler die nächsten Monate überbrücken. Noch diesen Monat sät er das Sommergetreide aus. „Dafür greifen wir auf organische Dünger zurück. Gülle zum Beispiel“, sagt Brünker. Die lässt sich aber nicht so effizient einsetzen wie mineralische Dünger. Den Stickstoff, den die Pflanzen für ihr Wachstum brauchen, geben organische Dünger teilweise an die Luft ab. Regnet es viel, wird er ausgewaschen.
Auch Dietmar Tüschenbönner aus Much leidet unter den hohen Diesel- und Düngerpreisen. Tüschenbönner baut Gras und Mais für sein Vieh an. Für ihn gibt es ein weiteres Problem: Durch den Krieg hat sich Getreide drastisch verteuert. Neben dem Grundfutter brauchen seine Rinder ein Kraftfutter mit hohem Eiweißgehalt, Raps- oder Weizenschrot etwa. „Kraftfutter kriegen wir ausschließlich aus Osteuropa.“ 1,5 bis 2 Tonnen Kraftfutter frisst eine Kuh pro Jahr, je nachdem welches Grundfutter sie kriegt und wie viel Milch sie geben soll. Auf den Import von Futter aus Amerika könne er nicht ausweichen, so Tüschenbönner. „Die Pflanzen aus Amerika sind gentechnisch verändert. Wir haben uns dazu verpflichtet, nur gentechnikfreies Futter einzusetzen.“
Weniger Dünger bedeutet weniger Ertrag
Fällt ein Dominostein, fallen früher oder später alle anderen. Für Tüschenbönner war der erste Dominostein der steigende Energiepreis. Die Düngerproduktion braucht viel Energie, die Herstellungskosten sind deshalb aktuell sehr hoch – so hoch, dass große Hersteller wie Yara ihre Produktion drosseln. Dieser Dünger fehlt auf den Feldern. Und wo der Dünger fehlt, da gibt es weniger Ertrag. Viehhalter zahlen mehr, um ihre Tiere zu versorgen. Am Ende steht der Verbraucher, der tiefer in die Tasche greifen muss.
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Das gilt zum Beispiel für die Milch. 2021 stieg der Literpreis auf 40 Cent. Das ist für Tüschenbönner mittlerweile kein Lichtblick mehr. „Wir müssten eigentlich bei 50 Cent oder mehr liegen, damit sich die Produktion für uns noch lohnt.“ Auf lange Sicht rechnen auch die Bäcker mit steigenden Kosten für die Verbraucher. „Die Preise geraten wegen des steigenden Weizenpreises unter Druck. Auch die Energie hat einen großen Einfluss“, erläutert Peter Ropertz, Geschäftsführer der Bäckerinnung Köln und Rhein-Erft. „In Deutschland haben wir aber noch nicht den Punkt erreicht, an dem wir in Panik verfallen müssen.“ Die Preiserhöhung falle wahrscheinlich moderat aus. Sorgen machen Ropertz die knappen Rohstoffe: „Ein Problem sind die Sonnenblumen. Öl, Samen – alles, was mit der Pflanze zu tun hat.“ Und die fehlenden Sonnenblumen würden sich wiederum auf den Preis für Raps auswirken. „Raps ist ein Austauschprodukt.“ Ein Austauschprodukt, das wie die Sonnenblumen zu einem Großteil aus der Ukraine stammt.
Kein Engpass bei der Versorgung erwartet
Versorgungsengpässe befürchtet Bernd Lüttgens dennoch nicht. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands (RLV) verweist auf Daten des Landwirtschaftsministeriums, das von einem Selbstversorgungsgrad von 120 Prozent bei Getreide ausgeht. 2021 seien die Produktionsvoraussetzungen gut gewesen, erläutert Lüttgens. „Allerdings darf nicht vernachlässigt werden, dass die Getreidemärkte international ausgerichtet sind und zur Erzeugung bestimmter Mehlqualitäten auch auf Importware zurückgegriffen werden muss." Durch die gestörten Lieferketten seien zudem Versorgungslücken in anderen Ländern entstanden, so Lüttgens. Diese Lücken würden auch Getreideexporte aus Deutschland schließen.
Der hohe Weizenpreis hat auch Vorteile für die Landwirte. „Unsere Güter sind wertvoller geworden“, sagt Brünker. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass der Swisttaler höhere Einnahmen hat. Wie viele andere hat er bereits im vergangenen Herbst einen Teil seiner Ernte verkauft – zum halben Preis von dem, was sie heute wert ist.