Nach Einbruch wegen CoronaMöbelindustrie erlebt ungewöhnlichen Auftragsboom
Köln – Die deutsche Möbelindustrie hat für Sommermonate eine ungewöhnliches Situation: sie erlebt eine untypisch hohe Nachfrage. Sommerzeit, das ist eigentlich Zeit für Urlaub oder Schwimmbad. „Möblerwetter ist, wenn es etwas kühler ist und auch mal regnet“, sagte Jan Kurth, der Geschäftsführer des Branchenverbands VDM am Montag in Köln. Doch die Corona-Pandemie hat einiges verändert. Im Juli lagen die Auftragseingänge um über 55 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Da müssen Produktionskapazitäten oder Personaleinsatz neu justiert werden. Und trotz manch einer Sonderschicht etwa am Samstag könnten die Lieferzeiten in Zukunft etwas länger werden.
Branche zeigt sich optimistisch
Dank der guten Nachfrage ist die Branche derzeit sehr optimistisch. 42 Prozent der Möbelhersteller erwarten, ohne Umsatzeinbußen durch das Jahr zu kommen. Insgesamt geht die Branche von einem Minus von bis zu fünf Prozent für das Gesamtjahr aus. Anfang Juli war noch ein Minus von zehn Prozent erwartet worden.
Kölner Möbelmesse
Die Kölner Messe zeigt sich sehr zuversichtlich, dass am 18. Januar 2021 die Möbelschau imm zusammen mit der Küchenausstellung Living Kitchen ihre Tore für die Besucher öffnen. Aktuell seien 70 Prozent der Hallenflächen belegt, sagte Matthias Pollmann, Geschäftsbereichsleiter Messemanagement. Die Aussteller hätten ein hohes Interesse an einer Messe mit Besuchern vor Ort. Der Grund: Auf der Messe werde umfangreich Geschäft abgeschlossen.
Weil es noch Reisebeschränkungen für potenzielle Besucher oder Aussteller gebe, würden auch hybride Formate angeboten. „Wir werden auf die digitale Erweiterung der Reichweite setzen“, sagte Polllmann. (raz)
„Die Unternehmer sind nach dem Ende des Lockdows von Monat zu Monat zuversichtlicher geworden“, sagte Kurth. Im Juni lagen die Umsätze bereits höher als im Vorjahresmonat, nachdem sie im April und Mai dramatisch eingebrochen waren. So bleibt unten dem Strich für die ersten sechs Monate des Jahres ein Umsatzminus von 9,8 Prozent auf rund 8,1 Milliarden Euro. Dabei reicht die Spanne von einem leichten Minus bei den Küchenhersteller über zweistellige Umsatzverluste bei Büromöbeln, Polstermöbel oder Matratzen.
Verbraucherstimmung hellt sich auf
Dabei war der Umsatzrückgang in Deutschland geringer als im Export. Ausfuhren nach Frankreich sanken etwa um 18,2 Prozent auf 476,5 Millionen. Dadurch rutschte das Land auf den zweiten Platz der wichtigsten Exportnationen ab. Vorbei zog die Schweiz mit Exporten von 516,7 Millionen, ein Plus von 4,6 Prozent. Auf den Plätzen folgen Österreich, die Niederlande, Belgien und Großbritannien. Auf die Insel gingen die Ausfuhren um 19,4 Prozent auf 183,2 Millionen. Insgesamt wurden 31,2 Prozent der in Deutschland hergestellten Möbel exportiert nach 32,7 Prozent im abgelaufenen Jahr.
Eine sich aufhellende Verbraucherstimmung in Deutschland, Impulse durch die Senkung der Mehrwertsteuer, die laut Kurth an die Kunden weitergegen wird und zu vorgezogenen Käufen führen könnte und Umschichtung der Budgets der Verbraucher weg von Urlaubsreisen macht der Branche Mut. In dritten Quartal erwartet Kurth steigende Umsätze, weil die guten Auftragseingänge seit Mai abgearbeitet werden müssen.
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Zulegen werde der Onlinehandel. Aktuell liege der Anteil der Käufe im Netz bei etwa 18 Prozent, nach wie vor erwartet die Branche in den nächsten vier Jahren einen Anstieg auf 25 Prozent. Profitieren würden nicht nur Anbieter, die ihre Waren nur im Netz verkaufen, sondern ebenso stationäre Händler mit zusätzlichem Onlinegeschäft.
725 Euro gab ein bundesrepublikanischer Haushalt 2019 für Möbel aus, 1,14 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Schnitt wird alle 17 Jahre eine neue Küche gekauft, neue Polstermöbel gönnen sich die Bürger alle acht bis zehn Jahre, neue Schränke etwas früher.