Nach deutschem RechtSind Mohammed-Karikaturen strafbar?
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Morgen soll das französische Satiremagazin Charlie Hebdo in einer Millionenauflage ausgeliefert werden. Auf der Titelseite prangt eine Karikatur, die den Propheten Mohammed mit einem „Je suis Charlie“-Schild darstellt. Da nach den Glaubensvorstellungen der Muslime weder Gott noch Mohammed oder andere Propheten bildlich dargestellt werden dürfen, ist mit Protesten aus der islamischen Welt zu rechnen.
Der Kölner Medienrechtler Christian Solmecke erläutert, wie weit satirische Karikaturen gehen können und ab wann etwa der Straftatbestand § 166 StGB (Verbot der Blasphemie) durch die Medien verwirklicht wird.
„Dass Satire als Ausdrucksart die spitzeste Form der freien Meinungsäußerung darstellt und somit provoziert, ist unbestritten und gewollt. Gerade durch eine überspitzte Darstellung von gesellschaftlichen, politischen oder auch religiösen Missständen, kann man diese aufdecken und der Lächerlichkeit preisgeben. Satire nutzt das Mittel der Übertreibung bewusst, um ein Spott- oder Zerrbild der Wirklichkeit zu vermitteln“, so Solmecke.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Kunstfreiheit anders als die Meinungs- und die Pressefreiheit vorbehaltlos gewährt wird, kann es für die rechtliche Beurteilung von erheblicher Bedeutung sein, ob es sich bei der Satire um Kunst handelt oder eben nicht. Hier gilt: „Satire kann zwar Kunst sein, aber nicht jede Satire ist zugleich Kunst.“
Wenn Satire also Kunst ist, so kann eine Veröffentlichung dieser nur durch ein der Kunstfreiheit gleichrangiges Grundrecht beschränkt werden. Hier ist vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu nennen. Konkurriert Satire, geschützt durch das Grundrecht der Kunstfreiheit, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, müssen die sich widerstrebenden Interessen genau abgewogen werden.
Abwägen zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht
Medienrechtsanwalt Christian Solmecke erklärt: „ Bei einer solchen Abwägung ist stets auf der Seite der Persönlichkeitsrechtsverletzung die Schwere des Eingriffs zu berücksichtigen, sowie die Intensität ihrer medialen Verbreitung.“ Hinzu komme der eventuelle Bekanntheitsgrad des Betroffenen: „Hat er selbst in der Vergangenheit die Öffentlichkeit der Medien gesucht und kann die Satire der eigenen Bekanntheit sogar im Einzelfall von Nutzen sein – oder ist diese eher nach Abwägung schädlich.“
Auf Seiten der Satire darf man diese natürlich nicht nur auf die Abbildung oder auf das gesprochene Wort an sich reduzieren, sondern muss hier klar differenzieren.
„Die Art und Weise der gewählten satirischen Verfremdung und der Kern der Aussage sind voneinander zu unterscheiden. Beides ist auf eventuelle persönlichkeitsrechtsverletzende Elemente zu überprüfen“, so Solmecke. An den Aussagekern seien hier verständlicher Weise deutlich strengere Maßstäbe anzusetzen.
„Gibt es mehrere Deutungsmöglichkeiten, ist diejenige vorzuziehen, welche die satirische Darstellung rechtlich ermöglichen würde.“ Eine klare Grenze sei erreicht, wenn es ausschließlich um Schmähung, Rufschädigung oder gar um die bloße Beleidigung einer Person gehe. „Kommt jedoch auch eine andere Möglichkeit der Deutung, wie beispielsweise eine politische oder gesellschaftliche Kernbotschaft in Betracht, überwiegt in der Regel diese.“
Karikaturen von Papst Benedikt oder vom Propheten Mohammed: Wo liegen die Grenzen der Meinungsfreiheit? Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.
Die Grenzen der Meinungsfreiheit
Anhand von zwei Beispielen kann man das Gesagte verdeutlichen:
Nehmen wir zum einen die Titelseite des deutschen Satiremagazins „Titanic“ aus dem Juli 2012. Hier wurde Papst Benedikt auf der Frontseite mit Urinfleck im Schritt gezeigt. Dazu der Slogan: „Die undichte Stelle ist gefunden“. Die Rückseite zeigte ebenfalls ihn, allerdings von hinten und mit einem braunen Fleck am Hinterteil. Mit diesem Cover wollte das Magazin die Vatileaks-Affäre anprangern.
„Zwar zog Benedikt der XVI, vermutlich aus Unsicherheit über den Ausgang, einen Verbotsantrag kurz vor der Verhandlung zurück, was im Übrigen auf einzigartige Weise die ganze Problematik aufzeigt, dennoch wurde das Titanicmagazin durch den deutschen Presserat gerügt“, führt Medienanwalt Christian Solmecke aus.
Vorliegend sah man die Grenze der Meinungsfreiheit überschritten. Durch die Abbildung sei kein Sachbezug des Papstes zur Vatileaks-Affäre zu erkennen. Es ginge ausschließlich um die Person Joseph Ratzinger und darum, diese der Lächerlichkeit preiszugeben. Eine gerichtliche Entscheidung zu diesem Fall wäre höchst interessant gewesen und in diesem Fall vermutlich zugunsten von Ratzinger ausgegangen.
Als anderes Beispiel können die höchst umstrittenen Mohammed-Karikaturen dienen. Die Zeitung „Die Welt“ hatte die Karikaturen, die ursprünglich in Dänemark erschienen waren, nach den weltweiten Protesten aus Solidarität zu den Kollegen ebenfalls in einer Ausgabe abgedruckt und veröffentlicht. Hier gab es massive Beschwerden gegen die Veröffentlichung. Aus Sicht der Beschwerdeführer würden die Karikaturen die Religionsgemeinschaft der Muslime beleidigen. Der Bereich der Meinungsfreiheit würde deutlich überschritten.
In einem Kommentar würde der Religionsstifter beschimpft, führten die Beschwerdeführer aus. Auch hierzu äußerte sich der deutsche Presserat ausführlich. Die bildlichen Darstellungen griffen das zeitgeschichtliche aktuelle Thema – religiös begründete Gewalt – mit den für Karikaturen typischen Mitteln auf. Dabei würden weder die Religionsgemeinschaften, noch ihr Stifter und ihre Mitglieder geschmäht oder allgemein herabgesetzt.
Religionsgemeinschaften und ihre Mitglieder müssten Kritik – auch scharfe – ertragen. In dem Fall der Mohammed-Karikaturen sah man die Grenze der Meinungsfreiheit also nicht überschritten.
Gotteslästerung als Straftatbestand
„Problematisch wird es immer dann, wenn die Karikaturen dazu geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören und nur dazu dienen, bei Dritten Intoleranz gegenüber dem Islam hervorzurufen. In diesem Moment ist der Straftatbestand des § 166 Strafgesetzbuch verwirklicht. Nach dieser Norm ist Gotteslästerung in Deutschland verboten.“ In der Praxis komme diese Norm allerdings nur äußerst selten zur Anwendung.
Zunächst einmal muss eine ganze Religionsgemeinschaft durch Kundgabe von Missachtung beschimpft werden. Dabei muss das Beschimpfen nicht an religionsinternen Maßstäben, sondern vielmehr an den Maßstäben eines objektiven Beobachters gemessen werden. Allein die bildliche Darstellung Mohammeds ist demnach noch nicht als Beschimpfen anzusehen.
Anders sieht es jedoch aus, wenn Mohammed – wie etwa in dem umstrittenen Film „Innocence of Muslims“ –, als grausamer Sadist und Kinderschänder gezeigt wird. In einem solchen Fall ist in der Regel von einem strafbaren Beschimpfen auszugehen.
In einem weiteren Schritt muss die Beschimpfung dann auch noch dazu dienen, den öffentlichen Frieden zu stören. Das wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn entsprechende Filmvorführungen eindeutig nur dem Ziel dienen, die Bevölkerung gegen Muslime aufzustacheln.
Zeitungskarikaturen, die sich kritisch mit dem Islam auseinandersetzen und die Bevölkerung weniger aufstacheln, als vielmehr zum Nachdenken anregen wollen, erfüllen den Tatbestand des § 166 StGB somit nicht. „Die derzeit politisch geführte Debatte über die Abschaffung der Norm ist damit überflüssig und fehl am Platz“, führt Medienanwalt Christian Solmecke aus. (gs)