- Facebook wird vorgeworfen, nicht entschieden genug gegen Hetzer vorzugehen.
- Kölner Anwalt stellt Strafanzeige gegen Zuckerberg.
- Aber dem Facebook-CEO geht es in Berlin eigentlich um etwas Anderes - etwas Größeres.
Berlin – Am Donnerstag kommt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nach Berlin: Erst trifft er sich mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier, am Freitag beantwortet er dann in einem Townhall-Meeting Fragen von Nutzern. Es soll zeigen, dass Facebook die Bedenken in Deutschland ernst nimmt.
Das Netzwerk steht seit Monaten in der Kritik, nicht angemessen auf die Hetze gegen Flüchtlinge auf der eigenen Plattform zu reagieren. Pünktlich zum Zuckerberg-Besuch haben die Rechtsanwälte Christian Solmecke aus Köln und Chan-jo Jun aus Würzburg in dieser Woche sogar Strafanzeige gegen Zuckerberg selbst gestellt. Der Grund: Mark Zuckerberg sei als höchster Manager von Facebook in letzter Instanz auch für Straftaten verantwortlich, die in seinem Unternehmen begangen werden, sagte Anwalt Solmecke der Berliner Zeitung. Nach deutschem Recht können nämlich nicht nur die Hetzer selbst zu bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt werden. Es haften auch Betreiber, wenn auf ihren Plattform gehetzt wird und sie nichts dagegen machen.
Die beiden Anwälte haben insgesamt über 300 Facebook-Beiträge dokumentiert, die ihrer Ansicht nach eindeutig gegen deutsches Recht verstoßen – darunter sind Aufrufe, Flüchtlinge in Gaskammern zu stecken oder Juden zu erschießen. Facebook hatte in allen Fällen – teils nach über zehn Tage andauernder Prüfung – zurückgemeldet, dass die Beiträge nicht gegen Facebooks Gemeinschaftsrichtlinien verstoßen würden und daher nicht entfernt werden. Mit der Anzeige wolle man Facebook lediglich dazu zwingen, deutsches Recht zu beachten, sagte Solmecke.
Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor bekannt gegeben, Ermittlungsverfahren gegen drei Manager der Facebook Germany GmbH eingestellt zu haben. Solmecke sagte, der Grund dafür sei allerdings lediglich, dass die Manager ausschließlich für die Finanzierung von Facebook Deutschland verantwortlich seien – und nicht für die Verbreitung der Inhalte auf Facebook. Daraufhin habe man sich entschieden, Zuckerberg selbst anzuzeigen. Auch die Ermittlungen gegen Facebook-Europachef Martin Ott laufen weiter, wie Facebook auf Anfrage bestätigte.
Bertelsmann Tochter soll Hass-Kommentare löschen
Facebook hatte zuletzt betont, entschiedener gegen die Hetze auf der eigenen Plattform vorzugehen. Inzwischen sollen nach Konzern-Angaben über hundert Mitarbeiter bei einem externen Dienstleister in Berlin damit beauftragt sein, Meldungen von Hass-Kommentaren zu überprüfen. Die Bertelsmann-Tochter Arvato hatte dafür in den letzten Monaten zahlreiche neue Mitarbeiter gesucht.
Rechtsanwalt Solmecke bemängelte allerdings, dass auch mit dem neuen Dienstleister die Probleme noch nicht gelöst sind. „Wir sehen nach wie vor größte Missstände.“ Facebook reagiere zwar mittlerweile schneller, aber immer noch würden selbst Beiträge durchgewunken, die eindeutig gegen deutsches Recht verstoßen würden. „Mein Eindruck ist, dass es Facebook einfach an qualifizierten Mitarbeitern fehlt“, kritisiert Solmecke.
Immerhin: Im Vorfeld des Zuckerberg-Besuchs sind Solmecke zufolge viele Hetz-Beiträge, die die Anwälte dokumentiert haben, doch noch entfernt worden.
Temporäre Ausstellung
Mark Zuckerberg wird mit den deutschen Nutzern ohnehin wohl lieber über andere Themen reden. Um diese ins richtige Licht zu rücken, hat Facebook für die Zeit von Zuckerbergs Berlin-Besuch sogar noch extra in Mitte eine Ausstellung aufgebaut, durch die nur ausgewählte Personen geführt werden – am Donnerstag beispielsweise Kanzleramtsminister Peter Altmaier. In einem 150 Meter langen Zelt am E-Werk, einem ehemaligen Umspannwerk, kann er lernen, wie Facebook künstliche Intelligenz entwickeln, Personen in der virtuellen Realität an eigentliche unerreichbare Orte transportieren oder mit Drohnen das Internet in den letzten Winkel der Erde verlängern will.
Es ist ein Rahmen, der klar machen soll: Es geht um viel Wichtigeres, Größeres, als einige nicht gelöschte Hasskommentare.