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Kommentar zur Diesel-Affäre„Hauptsache, du musst auf nichts verzichten“

Lesezeit 3 Minuten
Winterkorn Stadler

Die ehemaligen Vorsitzenden von VW und Audi. Martin Winterkorn (l.) und Ruprecht Stadler.

  1. Die Anklage gegen den ehemaligen Audi-Chef Ruprecht Stadler ist der nächste Tiefpunkt in der Diesel-Affäre.
  2. Dabei ist die Affäre bedingt durch ein gesellschaftliches Problem.
  3. Allen voran steht der Klimaschutz. Und das Problem, auf Dinge zu verzichten. Ein Kommentar.

Köln – Warum muss sich eigentlich die Justiz derzeit so intensiv mit dem Thema Diesel beschäftigen? Sie stellt den ehemaligen Audi-Chef Ruprecht Stadler vor Gericht, weil er es bei der Bearbeitung der Abgasaffäre in seinem Unternehmen mutmaßlich an der notwendigen Gesetzestreue fehlen ließ. In Münster geht es um die Fahrverbote, die mehreren deutschen Großstädten drohen, wenn es ihnen nicht gelingt, die Stickoxidbelastung an besonders befahrenen Straßen in den Griff zu bekommen. Zwei ganz unterschiedliche Fälle, aber zwei Seiten derselben Medaille.

Sie markieren eine Haltung gegenüber Umweltthemen rund um das Auto. Einmal waren es die Städte, die Grenzwerte wohl kannten, sie aber letztlich nicht ernst nahmen. Dann waren es Manager, die glauben, niemand würde mehr ihre Autos kaufen, wenn sie weniger schnell, weniger leistungsfähig und komfortabel wären. Stattdessen malten sie in der Öffentlichkeit das Bild von Technikern, die jedes Problem ohne Einbußen an Komfort und Tempo lösen könnten. Auch die schärfsten Grenzwerte bewältigten ihre Motoren mühelos. Eine Lüge, wie wir heute wissen.

Beide Fälle haben etwas mit den Illusionen zu tun, die sich eine ganze Gesellschaft gerne macht, wenn es darum geht, Einschränkungen im Interesse eines abstrakten Schutzes der Umwelt hinzunehmen. Beim Thema Klimawandel ist das jetzt gerade wieder zu beobachten. Allen ist klar, dass Fliegen ein Problem ist, aber niemand will deswegen weniger reisen. Die Städte konnten die klagenden Verbände und genervten Bürger als lästige Querulanten behandeln, weil sie wussten, dass die Mehrheit der Menschen gerne unbeschränkt und preiswert Auto fahren will. Den Autokonzernen gelang es, sich als alleskönnende Saubermänner zu verkaufen, obwohl ihre Erfolge auf schlichtem Betrug beruhten. Ihre Werbebotschaft war ganz einfach: Du musst auf nichts verzichten.

Die Wahrheit ist eine andere

Die Wahrheit – das zeigen die beiden Gerichtsverfahren – ist aber leider eine andere. Diese Erkenntnis hilft, die eigenen Lebenslügen in den Blick zu bekommen, wenn es um die eigenen Gewohnheiten geht: Es lassen sich immer gute Gründe finden, das Richtige oder auch nur das Vernünftige nicht zu tun.

Der Umwelt lässt sich am Ende jedoch nur helfen, wenn wir uns ehrlich machen: Grenzwerte sind Grenzwerte. Man muss sie einhalten. Wenn das nicht geht, muss eine Stadt etwas unternehmen, um die Abgasmengen in den Griff zu bekommen. Die um sich greifenden Luftreinhaltepläne hätte es doch schon vor Jahren geben können. Es ist auch schon seit Jahren klar, dass immer mehr Autos die Möglichkeiten der Städte sprengen.

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Ähnliches gilt für die Dieselmotoren. Die Technik ist nicht besser und nicht schlechter als die anderer Verbrennungsmotoren. Sie muss nur so aufgestellt werden, dass sie den Vorgaben gerecht wird. Das ist technisch ohne weiteres möglich. Wir Konsumenten sollten das akzeptieren, denn letztlich sind wir nicht nur Opfer von Werbelügen, sondern die Profiteure eines laxen Umgangs mit dem öffentlichen Gut saubere Luft.

Es ist gut, wenn die oberste Führungsebene eines Autokonzerns von der Justiz zur Verantwortung gezogen wird. Damit könnte man es bewenden lassen. Für alle anderen bleibt jedoch die Frage nach der eigenen Verantwortung im Alltag.