Die großen Erwartungen an die neuen E-Autos Capri und Explorer bei Ford in Köln wurden gedämpft: durch weniger Verkäufe als erhofft und massive geplante Stellenstreichungen.
Jahresrückblick 2024Auf die Euphorie folgte bei Ford der tiefe Fall
Mit großen Sorgen gehen die Kölner Ford-Mitarbeitenden in die Weihnachtsferien. Viele haben Angst um den Job, weil das Management von derzeit rund 11 500 Stellen in Niehl und Merkenich 2900 streichen will. Bleibt es dabei, muss jeder Vierte gehen.
Bekannt sind die Zahlen seit Ende November, als Marcus Wassenberg, der seit Ende Juli amtierende Arbeitsdirektor der Ford Werke, auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung mit 8000 Mitarbeitenden die Katze aus dem Sack gelassen und schlimmste Befürchtungen bestätigt hatte. Denn dass es zu Einschnitten kommen würde, wissen die Mitarbeitenden schon seit Juni.
Da war gerade die Serienfertigung des E-Autos Explorer angelaufen – mit fast einem Jahr Verspätung. Das Werk war bis Sommer 2023 für zwei Milliarden Dollar umgebaut worden, Bundeskanzler Olaf Scholz und Fords Nr. 1, William Clay Ford, Urenkel des Firmengründers, hatten es feierlich eingeweiht, da wurde die Serienfertigung abgeblasen. Der Wagen wurde umkonstruiert und bekam eine neue Batterie.
Monat um Monat trainierten die Mitarbeitenden in der Fertigung nur oder blieben gleich ganz zu Hause. Entsprechend groß war dann die Vorfreude im Juni auf den Explorer und das zweite, Capri genannte E-Modell, das in Köln vom Band läuft. Weil Ford spät dran ist mit der E-Mobilität, kaufte das Unternehmen 1,2 Millionen E-Plattformen von VW, um die herum die Ford-Entwickler in Merkenich die Autos konstruierten. Sechs Jahre kann Ford die Plattform nutzen, 200 000 Autos pro Jahr könnten im Schnitt entstehen und – so die Hoffnung damals - die Beschäftigung im Werk sichern.
Die Euphorie dämpfte zunächst empfindlich der Abschied von Martin Sander am 5. Juni. Der Ford-Deutschland-Chef und Chef von Fords E-Autosparte in Europa wechselte zu VW. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer nannte das einen „Tiefschlag für Ford“. Knapp zwei Wochen später informierte der Betriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka über geplante Stellenstreichungen. Schlanker und effizienter wolle sich Ford aufstellen, hieß es.
Die komplette Führungsriege in Deutschland wurde ausgetauscht. Keiner der ursprünglich zehn Geschäftsführer ist noch im Amt. Einen Deutschland-Chef gibt es nicht mehr. An der Spitze stehen jetzt Dave Johnston, der sich um die Transformation des Unternehmens und Partnerschaften in Europa kümmern soll, und eben Arbeitsdirektor Wassenberg. Die US-Konzernzentrale wolle durchregieren, deuteten Autoexperten den Umbau.
Wie sich die E-Autos auf dem Markt schlagen würden, war da noch gar nicht abzusehen. Sie verkörpern den neuen Auftritt von Ford in Europa. Der Konzern will hier amerikanischer werden. Ford will auch nicht mehr in jedem Segment antreten und will die Marke deutlich höher positionieren. Verkaufen müssen sich die Autos jedenfalls in einem Markt ohne E-Auto-Förderung, die Ende 2023 ausgelaufen war.
Das gelingt Ford nicht wie erhofft. Laut Kraftfahrt-Bundesamt sind vom Verkaufsstart im Juli bis Ende November lediglich 2017 E-Explorer in Deutschland neu auf die Straßen gekommen, außerdem von Oktober an 152 Capri als Eigenzulassungen. Verkauft wird der Capri erst ab Januar. Zahlen für Europa nennt Ford nicht. Eine Exportquote um die 80 Prozent wäre aber nicht ungewöhnlich.
Wie weit die Verkäufe aber unter den Erwartungen liegen, zeigt die Ende November angekündigte Kurzarbeit. Seitdem wurde bis zu den Weihnachtsferien nur jede zweite Woche gearbeitet. Kurzarbeit gibt es laut Wassenberg auch im ersten Quartal des kommenden Jahres und wohl auch noch im April. Auch wird die Tagesbaurate 2025 von aktuell 630 auf 480 Fahrzeuge reduziert.
Schwierigkeiten beim Erreichen neuer Kunden für Ford
Ford will erneut tief in den Bereich Fahrzeugentwicklung einschneiden. 600 von den insgesamt 2900 Stellen sollen bis Ende 2027 hier entfallen. Dabei ist die Entwicklung bereits in der noch laufenden Sparrunde stark betroffen. Bis Ende 2025 entfallen hier 1700 von ursprünglich 4000 Stellen. Zwei Drittel des Abbaus sind inzwischen hier erfolgt. Übrig bleiben würden demnach 2027 nur noch 1700 Entwickler. Zu wenig, so Autoexperten, um ganze Autos oder die dringend benötige eigene E-Plattform auch für kleinere Fahrzeuge zu entwickeln.
Wenig überzeugt von der Strategie des Ford-Managements in Europa ist der Autoexperte Stefan Reindl von der Hochschule Geislingen-Nürtingen. „Ich fürchte, dass Ford auf dem Pkw-Markt ein Abschied auf Raten droht“, so Reindl. Ein Überleben als Nischenanbieter sei für Ford sehr schwierig.
Der Autobauer habe loyale Kunden, die jetzt nicht mehr bedient werden. „Und in einem wettbewerbsintensiven Markt ist es schwer, neue Kunden hinzuzugewinnen. Zumal Ford bei den E-Autos preislich in Regionen unterwegs ist, die andere schon besetzt haben“, so Reindl.
Ford habe die Fertigung von Verbrennern wie Fiesta eingestellt oder stellt sie mit dem Focus noch ein. „Mit den damit verbundenen schwachen Absatzzahlen kann das Unternehmen die Transformation zur E-Mobilität nicht mehr finanzieren. Dadurch werden die Mittel knapp, um neue Fahrzeuge zu entwickeln“, so Reindl.
Ford-Konzernchef Farley lädt den Betriebsrat ein
Im laufenden Jahr steuert Ford auf Rekord-niedrige Neuzulassungen von Pkw in der EU, im Vereinigten Königreich sowie den Efta-Staaten Norwegen, Island und der Schweiz zu. In den ersten elf Monaten des Jahres sanken die Zahlen zum bereits schwachen Vorjahr laut dem europäischen Branchenverband Acea um 17,3 Prozent auf 395 611 Pkw. Der Marktanteil ging von 4,1 Prozent im Vorjahreszeitraum auf 3,3 Prozent zurück.
Gruschka fordert vom Management klare Konzepte für alle Bereiche von Ford, Investitionen und mutige Produkte. „Ford muss wieder Massenhersteller werden“, so Gruschka. Gespräche mit der deutschen Geschäftsführung oder Verhandlungen hat es noch nicht gegeben. Vortragen wird der Betriebsrat seine Ideen im Januar Konzernchef Jim Farley. Der hat das Gremium zum Gespräch eingeladen.