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Interview mit Eurowings-Chef„Wir begrüßen es, wenn viele schnell geimpft werden“

Lesezeit 7 Minuten
Airbus von Eurowings

Ein Airbus der Fluglinie Eurowings

  1. Der Eurowings-Chef über den aktuellen Kanarenboom und die Planungen für wieder viel mehr Ferienflüge in 2021

KölnHerr Bischof, die Luftfahrt liegt am Boden. Wie sehen Sie die Lage?Bischof Natürlich halten Reiserestriktionen immer noch viele Flugzeuge am Boden. Ausgelöst durch die schnellen Fortschritte der Impfstoffentwicklung hellen sich die Perspektiven aber sehr deutlich auf. Aktuell fliegen nur rund 20 Jets aus unserer Flotte von 100 Maschinen, und die meisten unserer Kolleginnen und Kollegen sind in Kurzarbeit. In den Weihnachtswochen werden wir bereits wieder 30 Flugzeuge einsetzen. Allein ab NRW, unserem wichtigsten Markt, planen wir um den Jahreswechsel fast 600 Flüge zu rund 50 Zielen. Bis zu den nächsten Osterferien wollen wir auf rund 50 Flugzeuge aufstocken. Sollte sich der positive Buchungstrend für 2021 fortsetzen, könnten wieder mit 80 bis 90 Flugzeugen fliegen.

Sie sind Berufsoptimist?

Bischof Nein, wir sehen nur sehr klare Anzeichen einer Marktbelebung – und daran orientieren wir unsere Planungen für 2021. Je länger die Krise dauert, umso stärker wächst die Sehnsucht der Menschen in Urlaub zu reisen, mal wieder etwas zu erleben. Es gibt Marktsegmente wie das Reiseveranstalter-Geschäft, die gerade stark aufholen. Immer mehr Kunden gehen offenbar davon aus, dass die Gesellschaft die Pandemie in 2021 mit Impfstoffen, Schnelltests und rigiden Hygienekonzepten in den Griff bekommt.

Welche Ziele sind gefragt?

Bischof Zurzeit sind die Kanarischen Inseln sehr beliebt bei deutschen Gästen und entsprechend stark im medialen Fokus, doch ihre Bedeutung wird fast überschätzt. Die Strecke von Düsseldorf nach Mallorca bleibt auch in Krisenzeiten die meistgebuchte bei Eurowings. Und s obald die Reisewarnungen fallen, werden sicher auch Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Kroatien wieder auf der Favoritenliste stehen. Außerdem sehen wir, dass Heimatbesuche von Menschen, deren Familien in anderen Ländern leben, unverändert gefragt sind.

Der starke Mann bei Eurowings

Funktion Jens Bischof leitet seit März 2020 Eurowings. Davor war der 55-jährige Betriebswirt Chef von Sun Express.

Strategie Der Lufthansa-Ableger Eurowings führt fast nur Direktflüge innerhalb Europas durch. Die Zentrale ist in Köln.

Italien will neue Reiseverbote verhängen, viele Länder haben Ausgangssperren. Schlimm?

Bischof Reise-Restriktionen im Zuge der Pandemie haben zu großer Unsicherheit der Kunden geführt. Dem begegnen wir, indem wir all unseren Gästen seit Monaten ein beliebig häufiges und kostenfreies Umbuchen erlauben, teilweise bis 40 Minuten vor Abflug. Diese Flexibilität bietet keine andere Fluglinie in NRW. Neben Nationen im Lockdown gibt es aber auch Länder, deren Infektionszahlen niedriger liegen als in Deutschland – und es gibt Hotels, die Hygienekonzepte vorbildlich umgesetzt haben.

Die Lufthansa-Gruppe inklusive Eurowings zahlte hunderttausende stornierte Flüge erst nach Monaten zurück. Ist Ihnen das peinlich?

Bischof Die Airline-Industrie ist in normalen Jahren auf maximal zwei Prozent Flugausfälle eingerichtet, sie konnte unmöglich über Nacht ein faktisches Flugverbot mit dem Verfall von zeitweise 90 Prozent aller Tickets kompensieren. Diesen Berg zu bezwingen war Herkulesaufgabe eines Ausnahme-Sommers 2020, in dem wir bei Eurowings einen dreistelligen Millionenbetrag an hunderttausende Gäste zurückgezahlt haben. Ich kann Ihnen sagen, dass unsere Mitarbeiter und alle zusätzlich eingesetzten Teams in dieser Zeit nahezu Unmenschliches geleistet haben, ihnen sind wir zu großem Dank verpflichtet. Inzwischen können wir neue Fälle wieder binnen einer Woche kompensieren.

Lufthansa testet auf Flügen zwischen Hamburg und München, Passagiere nur nach einem Corona-Schnelltest in Jets steigen zu lassen. Ein Modell für NRW?

Bischof Auch wir bei Eurowings treiben als größter NRW-Carrier Maßnahmen voran, die sorgenfreies Fliegen in Corona-Zeiten gewährleisten. Dabei geht es um grenzüberschreitende Urlaubsverkehre (z.B. Vollcharter) mit ausnahmslos getesteten Fluggästen, die sichere Reise-Korridore vom Start der Reise bis zur Heimkehr garantieren. Hier arbeiten wir mit großen Reiseveranstaltern zusammen. Sobald wir eine Einigung mit Behörden und allen Kooperationspartnern erzielt haben, werden wir Pilotprojekte an unseren Heimatflughäfen wie Düsseldorf oder Köln/Bonn etablieren.

Wird eine Impfbescheinigung einen Schnelltest ersetzen?

Bischof Das wird noch etwas Zeit brauchen. Wir alle hoffen auf schnelle Zulassung und Verteilung von Impfstoffen und begrüßen es, wenn viele Menschen schnellstmöglich geimpft werden. Zunächst obliegt es aber den Regierungen einen Plan zur Verteilung der Impfdos en zu erstellen, sobald er verfügbar sind. Gleiches gilt für die Ausgestaltung der Einreisevoraussetzungen.

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Die meisten Flüge finden noch ohne vorherige Tests statt?

Bischof: Bisher ist das so, aber die Branche entwickelt sich schnell weiter. Sie arbeitet intensiv an ausgefeilten Testkonzepten vor Flügen. Eine Kombination aus Tests und Impfstoffen wird der Schlüssel zur Normalisierung des weltweiten Luftverkehrs sein. Zudem zeigen alle Untersuchungen, dass das Infektionsrisiko beim Fliegen überaus niedrig ist, weil die Luft an Bord unserer Flugzeuge von sehr hochwertigen Hepa-Filtern gereinigt und alle drei Minuten komplett ausgetauscht wird - eine Technologie, die auch in Operations-Sälen Anwendung findet. Bis heute gibt es im gesamten Lufthansa-Konzern nicht eine einzige bestätigte Passagier-zu-Passagier-Infektion.

Die Anreise in der S-Bahn zum Flughafen ist riskanter als der Flug?

Bischof Wer sich in der S-Bahn an alle Hygienemaßnahmen hält, setzt sich auch dort sicher keinem besonders hohen Risiko aus. Die Hepa-Filter eines modernen Flugzeugs sind aber deutlich leistungsfähiger als die Klimatisierung in anderen Verkehrsmitteln oder in Geschäftsräumen.

Sie bieten Ihren Kunden seit Monaten an, für einen Aufpreis ab 18 Euro einen freien Mittelsitz zu buchen, um Distanz wahren zu können. Ein Erfolg?

Bischof: Mitten in der schwersten Krise des Luftverkehrs haben unsere Gäste bereits mehr als 10.000 freie Mittelsitze hinzugebucht. Das zeigt uns, dass viele Menschen bereit sind, für mehr Freiraum einen fairen Preis zu zahlen – sei es aus Komfort- oder aus Hygienegründen. Das unterstreicht unsere Neuausrichtung, mit der wir Eurowings mehr und mehr von reinen Billiganbietern absetzen. Eurowings ist und bleibt preiswert, aber mit wachsender Beton ung des Begriffs ‚Wert‘ für den Kunden. Dazu gehören freundliche und bestens ausgebildete Crews, ein industrieweit führendes Gesundheits- und Hygienekonzept, freie Mittelsitze, kostenfreies Umbuchen – und noch viele Maßnahmen mehr, die sich klar und wohltuend von Ryanair-Manieren abheben.

Der Ryanair-Ableger Laudamotion hat Düsseldorf verlassen. Rechnen Sie mit einer Rückkehr im Sommer 2021?

Bischof Ob in Düsseldorf, Hamburg oder Mallorca: Wir begrüßen jeden Wettbewerb, wenn er sportlich und fair ist. Im Fußball spielt man deshalb elf gegen elf – und nicht 12 gegen 10 oder 13 gegen 9. Es muss endlich Schluss sein mit einseitig drastischen Gebühren-Nachlässen, damit Ryanair mit Wanderarbeitern von Flughafen zu Flughafen ziehen kann, während Fluggesellschaften vor Ort die millionenschweren Infrastrukturkosten der Flughäfen finanzieren sollen. Wenn fair und sozial verantwortungsvoll gespielt wir d, gewinnt regelmäßig Eurowings – abzulesen am Rückzug der Ryanair aus Düsseldorf, Stuttgart, Bremen und Nürnberg.

Wird aus dem Luftverkehr je wieder eine Wachstumsbranche?

Bischof: Natürlich wird uns die Pandemie auf Jahre hinaus beschäftigen und den Luftverkehr als Motor von Wirtschaft, Wohlstand und Freiheit bremsen. Auf der anderen Seite sehen wir, wie rasch sich die Nachfrage belebt, sobald Reisebeschränkungen fallen. Die Menschen werden wieder fliegen, wenn auch zunächst nicht in einem Ausmaß, das wir zuletzt gewohnt waren. Dabei wird sich der touristische Verkehr eindeutig schneller erholen als das Geschäftsreise-Segment.

Zu welchen Zielen?

Bischof Zuerst erwarten wir ein Comeback der touristischen Kurz- und Mittelstrecken, wie wir es im Sommer 2020 mit Griechenland und Mallorca gesehen haben – und wie wir es aktuell auf den Kanarischen Inseln beobachten. Unser erster Teneriffa-Flug ab Düsseldorf war nach dem Ende der Reisewarnung innerhalb weniger Tage ausgebucht. Derlei Sprünge habe ich nach 30 Jahren in der Branche sehr selten gesehen. Als Deutschlands größter Ferienflieger dürften wir von der wachsenden Urlaubs-Sehnsucht profitieren und uns besser entwickeln als viele Wettbewerber.

Ihr Mutterkonzern Lufthansa überlebt nur dank staatlicher Kredite in Höhe von rund neun Milliarden Euro. Finden Sie das gut?

Bischof: Kaum eine Airline dieser Welt konnte diesen historischen Einbruch ohne staatliche Kredite überbrücken, nicht einmal die bis dahin kerngesunde Lufthansa Group. Das Vertrauen in eine erfolgreiche Zukunft der Lufthansa hat aber nicht nur der Staat, sondern auch der Markt: Lufthansa hat gerade erfolgreich zwei Anleihen im Volumen von 1,6 Milliarden Euro platziert, die beide mehrfach überzeichnet waren. Auch der Finanzmark t geht also davon aus, dass wir als Europas führende Airline-Gruppe zukunftsfähig und eine treibende Kraft bei der weltweiten Erholung des Luftverkehrs sein werden.

Wie stark schrumpft Eurowings im Zuge der Krise?

Bischof Wie alle Airlines der Lufthansa Group hat Eurowings auf die neuen Marktbedingungen durch Corona reagiert und die Organisation angepasst. Das bedeutet neben zahlreichen strukturellen Maßnahmen eine 25-prozentige Reduzierung der Führungsebene sowie ein Abbau der Verwaltung um 300 Mitarbeiter. Hier sind wir auf der Zielgeraden, weitere Personalmaßnahmen sind nicht vorgesehen.

Das Gespräch führte Reinhard Kowalewsky