Brauerei-Chefs im InterviewWie die Brauereien in Corona-Zeiten ums Überleben kämpfen
- Die Chefs der Brauereien Bolten und Früh sowie den Verbandsvertreter eint eine doppelte Sorge: die ums Bier – und die ums Überleben.
Düsseldorf – Der zweite Corona-Lockdown trifft große Teile der deutschen Wirtschaft. Dazu gehören auch die Bierbrauer, bei denen vor allem der Fassbier-Verkauf eingebrochen ist. Wir sprachen mit Michael Hollmann und Alexander Rolff, den Vorständen des Brauereiverbandes Nordrhein-Westfalen, und Verbands-Geschäftsführer Heinz Linden.
Deutschlands Wirtschaft soll in der Corona-Krise mit größtmöglichen Hilfen gestützt werden. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Rolff Die zu den Brauereien gehörenden Brauhäuser gelten als verbundene Unternehmen. Damit bekommen wir keine Entschädigung. Das gilt bei vielen in Köln und Düsseldorf. Wir bekommen bisher nichts, obwohl auch wir im November gravierende Umsatzausfälle hatten . . .
. . . wie hoch sind die?
Rolff Das waren schon 50 Prozent. Ein Drittel entfällt auf die Gastronomie, ein Drittel auf den Fassbierverkauf, der ja quasi zum Erliegen gekommen ist. Bei uns laufen derzeit nur zwei Drittel der üblichen Produktion.
Kann man durch den Flaschenbierverkauf nicht wenigstens einen Teil ausgleichen?
Hollmann Bei uns, bei Bolten, ist der Fassbieranteil 28 Prozent, bei anderen viel höher. Auf jeden Fall kann man das durch zehn Prozent Plus beim Flaschenbier nicht mal ansatzweise wettmachen.
Der Brauereiverband und seine Vorstände
Brauwirtschaft NRW Dem NRW-Verband der Brauer gehören 32 Mitglieder an, davon einige mit mehreren Braustätten. Nordrhein-Westfalens Brauereien haben im Oktober etwa 1,5 Millionen Hektoliter Bier verkauft, knapp 14 Prozent weniger als im Vormonat und rund elf Prozent weniger als im Oktober des vergangenen Jahres.
Michael Hollmann übernahm 2005 die Traditionsbrauerei Bolten in Korschenbroich. Er lebt mit seiner Familie seit vielen Jahren in Mönchengladbach. In die Branche fand er als Betreiber einer eigenen, kleinen Kneipe in Kiel.
Alexander Rolff ist einer von zwei Geschäftsführenden Gesellschaftern der Cölner Hofbräu Früh KG, die das bekannte Früh-Kölsch braut. Er ist ein Ururenkel des Firmengründers Peter Josef Früh.
Warum fallen Sie durch den Hilfen-Rost?
Linden Erstens gibt es das Problem der verbundenen Unternehmen. Zweitens muss man entweder als Einzel-Gastronom unterwegs sein oder als Zulieferer wie die Brauerei einen Umsatzausfall von 80 Prozent haben. Das trifft auf die meisten Brauereien nicht zu, weil diese noch Einnahmen aus dem Flaschenbierverkauf haben. Aber auch Flaschenbier verkauft sich jetzt deutlich schlechter, weil die Grillsaison beendet ist. Der Pro-Kopf-Verbrauch wird beim Bier dieses Jahr voraussichtlich deutlich sinken. Das Einzige, was wir bekommen, ist Kurzarbeitergeld für die Beschäftigten in der Gastronomie und in der Fassbierproduktion.
Trifft das alle?
Rolff Die großen Konzerne haben in der Regel einen kleineren Fassbieranteil und können das entsprechend besser aushalten als die vielen kleinen mittelständischen. Davon gibt es 1450 in Deutschland mit einer Produktion unter 100.000 Hektolitern. Die haben die größten Schwierigkeiten.
Linden Dazu kommt das Problem, dass das Finanzamt zwar die Biersteuer bis Jahresende gestundet hat. Die Rückzahlung muss nach derzeitigem Stand ab Januar des kommenden Jahres erfolgen, so dass jeweils für zwei Monate gezahlt werden muss, bis die gestundete Steuer voll zurückgezahlt ist.
Und jetzt?
Hollmann Der Fehler bei der Bewertung der Förderfähigkeit besteht schon darin, dass immer nur der Umsatz der Unternehmen der Maßstab ist, aber nicht das Ergebnis, das sich auch deutlich verschlechtert hat. Die Politik versteht das nicht. Aber es gibt vielleicht ein bisschen Licht am Ende des Tunnels . . .
. . . das heißt?
Hollmann Wir hoffen, dass der Bereich Gastronomie bei den Staatshilfen vom Bereich Brauerei abgekoppelt wird. Dann gäbe es zumindest die Hilfe für die Gastronomie in den Brauhäusern.
Werden aus Ihrer Sicht in der Pandemie die Falschen bestraft?
Hollmann Zum Teil ja. Die Gastwirte haben viel Geld in Hygiene- und andere Maßnahmen investiert. Da ist nicht immer richtig differenziert worden. Man muss da beispielsweise zwischen Speiselokalen und Diskotheken unterscheiden. Da sind die Gefahren sehr unterschiedlich.
Rolff Und man muss ja noch mal klar sagen, dass die klassischen Gaststätten in der Regel nicht die Orte waren, an denen sich die Menschen infiziert haben.
Keine Weihnachtsfeiern, keine Betriebsfeiern, keine Weihnachtsmärkte, ein Jahr ohne Volksfeste – wie lange kann man das aushalten?
Rolff Wenn man als Bierbrauer eine eigene Gastronomie betreibt im eigenen Haus, geht das länger als bei einem Gastronomen, der beispielsweise eine hohe Pacht zahlen muss.
Die Konsequenz davon?
Hollmann Viele müssen hart kämpfen. Nach derzeitigem Stand würde ich schätzen, dass wegen der Folgen der Pandemie etwa ein Drittel der 71.000 gastronomischen Betriebe in Deutschland schließen muss. Es sind ja alle großen Veranstaltungen und Volksfeste in diesem Jahr ausgefallen. Und dann fällt auch noch das Dezembergeschäft weg, das in der Gastronomie der umsatzstärkste Monat ist. Im Moment fällt das noch nicht so auf, weil die Insolvenzantragspflicht noch ausgesetzt ist.
Wenn ein Drittel der Gastronomen verschwindet, was heißt das für Ihren Absatz?
Rolff Das Jammertal bleibt erst einmal, auch wenn nicht nur Gastronomen schließen, sondern auch wieder neue eröffnen. Wir werden die Auswirkungen der Pandemie noch bis 2022 und 2023 deutlich spüren.Haben Sie überhaupt Hoffnung für 2021? Der Großteil der Menschen wird ja erst im Verlauf des Jahres geimpft werden.
Rolff Ich gehe davon aus, dass es in der ersten Hälfte des kommenden Jahres noch keine Volksfeste geben wird. Höchstens ein paar kleinere Veranstaltungen.
Hollmann Es gibt keine Planungssicherheit, wir haben keine Ahnung, was auf uns zukommt. Aber vielleicht kann man Hoffnung aus der Erinnerung an den Sommer dieses Jahres schöpfen. Da ist die Lage dann auch für die Brauer deutlich besser geworden. Große Feste wird es im gewohnten Ablauf wohl nicht geben, neue Formate aber sind denkbar.
Was wird aus dem Personal? Sie haben ja auch viele Teilzeitkräfte.
Hollmann Manche haben sich schon einen anderen Job gesucht. Die kommen dann auch nicht mehr wieder. Das kann man denen nicht verdenken. Die Arbeitszeiten sind in der Gastronomie ja auch nicht besonders attraktiv.
Rolff Wir haben schon Kündigungen von Mitarbeitern erhalten, die in andere Branchen gewechselt sind. Nicht zuletzt ziehen Paketdienste und der Internet-Versandhandel Mitarbeiter an.
Horst Thoren und Georg Winters führten das Gespräch.