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ImmobilienmarktCorona-Krise lässt Kaufpreise und Mieten sinken

Lesezeit 4 Minuten
PIC Mieten und Kaufpreise steigen weiter

Ein neu entstandenes Wohngebiet

Berlin – Die deutsche Wirtschaft rutscht gerade in die größte Rezession der Nachkriegszeit, die Märkte befinden sich in Aufruhr. Während die Kursverluste an der Börse offensichtlich sind, ist die Lage am Immobilienmarkt bisher unklar. Mancher potenzielle Käufer hofft bereits auf Schnäppchen. Andere müssen den Traum vom Eigenheim vorerst aufgeben, weil sich ihre finanzielle Situation gedreht hat. Eine Entspannung am Mietmarkt wäre derweil hochwillkommen – doch wie wahrscheinlich?

Fest steht: Der Immobilienmarkt ist derzeit vom Corona-Schock genauso betroffen wie andere Wirtschaftsbereiche. Die Entwicklung ist hier jedoch nicht so auffällig – und schwerer messbar. Die extreme Störung des Wirtschaftslebens führt Experten zufolge jedoch fast sicher zunächst zu einem Rückgang der Kaufpreise. Etwas zeitverzögert könnten auch die Mieten sinken. Nach vollständiger Überwindung der Krise ist allerdings eine Rückkehr zu hohen Bewertungen möglich – schließlich werden die Zentralbanken auf absehbare Zeit die Zinsen niedrig halten.

Entwicklung geht langsam voran

Anders als der Aktienmarkt, an dem derzeit besonders hektisch gehandelt wird, ist am Wohnungsmarkt durch die Ausgangsbeschränkungen erst einmal wenig los. „Die Preise verändern sich einfach schon deshalb langsamer, weil derzeit kaum gekauft oder verkauft wird“, sagt Harald Simons, Professor für Wohnungswirtschaft an der HTWK Leipzig und Vorstandsmitglied des Immobilien-Forschungsinstituts Empirica. Besichtigungen von Objekten zu Kauf und Miete finden fast nicht statt.

Dabei werden in diesen Monaten viele neue Häuser fertig, schließlich haben sich die Behörden in den vergangenen Jahren bei den Baugenehmigungen besonders beeilt. „Da wird es Marktteilnehmer geben, die verkaufen müssen“, sagt Simons. Dazu gehören zum Beispiel Bauträger, die Grund und Boden teuer gekauft und zu den derzeit hohen Preisen gebaut haben. Diese können jetzt nicht verkaufen und haben daher keine Einnahmen, während die Kosten weiterlaufen. „Da stellt sich nun die Frage: Wie viele halten wie lange durch?“

Sonderangebote könnten kommen

Simons rechnet daher schon bald mit Sonderangeboten am Markt für Kaufimmobilien. Es werden sich dann fast sicher Käufer finden – seien es Profi-Investoren, die jetzt auf Cash sitzen, seien es Privatleute, für die Preise jenseits der halben Million Euro zu teuer waren, die aber für unter 400 000 Euro zuschlagen würden. Zugleich fallen andere potenzielle Käufer aus. Etwa diejenigen, die jetzt arbeitslos werden. Oder Anleger, die ihr Eigenkapital in Aktien investiert haben, die nun weniger wert sind. Dadurch schwinden Nachfrage und Zahlungsbereitschaft. Auch das werde auf die Preise drücken, glauben Ökonomen der Deutschen Bank in einer Marktanalyse. Während die Krise akut ist, könnte das Finanzsystem auch unter Mangel an flüssigen Mitteln leiden, was die Zinsen hochtreibt.

Kein langfristiger Effekt zu erwarten

Langfristig, wenn die Wirtschaft zum Wachstum zurückgekehrt ist, dürften die Preise sich jedoch erholen. Der Grund für die hohen Bewertungen der vergangenen Jahre ist weiterhin vorhanden: niedrige Zinsen und eine Schwemme von Zentralbankgeld. Durch die niedrigen Zinsen konnten die Käufer sich teurere Objekte leisten als bisher – und haben das auch getan. Nach der Krise wird die Europäische Zentralbank (EZB) voraussichtlich an ihrer Politik des billigen Geldes festhalten. Vor allem südeuropäische Länder werden auf diese Flankierung ihrer Konjunkturpolitik angewiesen sein, glaubt Simons.

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Vielleicht gibt es in einer Welt noch billigeren Geldes sogar langfristige Kredite noch billiger, was bedeuten würde: praktisch umsonst. Eine Rückkehr zu den Verhältnissen vor der Pandemie könnte so auch eine Rückkehr zu hohen Kaufpreisen bringen. „Zu hoffen wäre natürlich, dass sie auf einem niedrigeren Niveau bleiben“, sagt Simons.

Derzeit arbeitet auch der Mietmarkt mit angezogener Handbremse. Feste Besichtigungstermine für mehrere Interessenten gleichzeitig gibt es nicht mehr. Oft erscheint auch der Makler oder Besitzer nicht mehr. Die Anbieter arrangieren stattdessen aus der Ferne den Zugang zum Objekt, ohne die potenziellen Mieter kennenzulernen. Tendenziell könnte auch hier die Nachfrage zuerst sinken, glaubt Simons. Krisen bewirken oft, dass junge Leute den Auszug von zu Hause verschieben. Allein die nachwachsenden Neumieter machen ein Prozent des Marktes aus.

Doch nach Überwindung der akuten Krise könnte die Konkurrenz um günstigen Wohnraum in den Städten wieder zunehmen. Denn wenn es Italien und Spanien wirtschaftlich schlecht geht, nutzen junge Arbeitskräfte die Freizügigkeit in der EU, um zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen. Die vorige Generation war mit dem Aufschwung in Südeuropa gerade erst in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Jetzt wurde dieser Aufschwung brutal unterbrochen. Simons rechnet damit, dass sich daher wieder mehr Arbeitssuchende in Deutschland einfinden – und die brauchen Wohnungen.