Höhenrausch für alle?Wie Anleger das Hoch an der Börse nutzen können
Berlin – Wie entfesselt jagen die Aktienmärkte derzeit nach oben. An vielen Börsen folgt Rekord auf Rekord. Auf rund 32 400 Punkte bringt es das weltweit bekannteste Börsenbarometer – der amerikanische Dow Jones Industrial – mittlerweile. Der deutsche Leitindex Dax notierte mit rund 14 600 Punkten so hoch wie nie zuvor. Der schwere Wirtschaftseinbruch im vergangenen Jahr? Vergessen. Seit dem Corona-Crash vor ziemlich genau zwölf Monaten hat der Dax um drei Viertel zugelegt. Dabei hat sich die Wirtschaft zwar erholt, aber noch lange nicht zu alter Stärke zurückgefunden. Was genau befeuert
den Aktienmarkt derzeit? Treibende Kraft des Optimismus sind die Fortschritte bei den Corona-Impfungen. Anleger setzen darauf, dass die Krise bald überwunden ist, keine Lockdowns mehr notwendig sind, sodass die Menschen wieder frei reisen und einkaufen können. Gleichzeitig pumpen Notenbanken und Regierungen Billionen in die Wirtschaft, um die finanziellen Folgen der Pandemie zu mildern. Gerade die Billiggeldflut der Notenbanken facht den Aktienmarkt weiter an. Wo liegen die Risiken
des Aufschwungs? Für Analyst Christian Kahler von der DZ Bank ist ein „stabil prognostizierbarer Verlauf der Corona-Pandemie“ die Voraussetzung für eine nachhaltige Erholung. Ein Risiko sieht er in einer denkbaren deutlichen Verschlechterung aufgrund von Virusmutationen. Abgesehen von einer Verschärfung der Corona-Krise fürchten Investoren vor allem einen überraschenden Inflationsanstieg. Allein die Erwartung einer anziehenden Teuerungsrate hatte Ende Februar und Anfang März vorübergehend für miese Stimmung gesorgt. Denn steigende Zinsen verteuern Kredite für Unternehmen und Geld insgesamt, was das Wirtschaftswachstum zumindest bremsen kann. Wie können Anleger vom Rekordhoch profitieren? Marken wie das Rekordhoch verleiten Anleger mitunter zu vorschnellen Entscheidungen, um Gewinne mitzunehmen, getreu dem Motto: Besser wird’s nicht. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn steigt der Kurs weiter, agiert man schließlich nur noch als Zaungast und lässt weitere Gewinne wiederum liegen. „Besser laufen lassen“ ist deshalb die Devise vieler vor allem langfristiger Investoren.
Durchaus erst einmal Kasse machen können hingegen kurzfristig agierende Anleger, sagt Marktexperte Andreas Büchler von Index-Radar. Für mittelfristig orientierte Investoren lohne es sich möglicherweise dabeizubleiben, schließlich sei der Aufwärtstrend noch intakt. Kurzfristige Rückschläge schließt das aber nicht aus. Daher glaubt der Experte: „Frische Käufe könnten allerdings für Geduldige mit etwas Glück irgendwann wieder zu etwas günstigeren Preisen möglich sein.“
Für wen sich der Einstieg jetzt noch lohnt
„Bei Rekordhochs hat es noch niemandem geschadet, auch mal ein paar Teilgewinne aus seinen Investments zu realisieren“, sagt Franz-Josef Leven, Vize-Geschäftsführer des Deutschen Aktieninstituts. „Aktien-Sparpläne, die langfristig für die eigene Altersvorsorge gedacht sind, würde ich weiterlaufen lassen und mich über den Erfolg innerlich freuen.“ Von einem Komplettausstieg rät er hingegen ab. Dies sei nur dann gerechtfertigt, wenn man definitiv eine bessere Verwendung für die frei werdenden Mittel habe. „Wer in ein paar Wochen zu unter Umständen noch höheren Kursen wieder anlegen müsste, wird sich nur unnötig ärgern“, so Leven. Lohnt sich der Einstieg für Anleger überhaupt noch? Nicht wenige Menschen fürchten, den Börsenzug schon fast verpasst zu haben und noch schnell aufspringen zu müssen. Andreas Büchler von Index-Radar sieht den Dax mittlerweile denn auch zwischen einer solchen „Kaufpanik“ und einer Überhitzung. Nach dem steilen Kursanstieg der vergangenen Monate könnte sich also erst einmal Geduld auszahlen, die an der Börse ohnehin ratsam ist.
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Als Verfechter der deutschen Aktienkultur ist Leven naturgemäß anderer Meinung: „Wer sein Geld langfristig und global gestreut in Aktien anlegen will, kann mit einem Sparplan zu jedem Zeitpunkt einsteigen, egal ob Rekordhoch oder -tief“, so der Experte des Deutschen Aktieninstituts. „Wer immer nur auf niedrige Kurse schielt, verpasst so den Einstieg und bleibt zu lange an der Seitenlinie. Auf lange Frist ist der Einstiegszeitpunkt weniger wichtig als die Entscheidung, überhaupt in Aktien zu investieren.“ (mit dpa)