Konflikt am ArbeitsmarktWas ist dran an Vorurteilen zur „Generation Z“ und den „Babyboomern?“

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Eine Frau zeigt ein grünes Z

Was ist dran an den Vorurteilen zur Generation Z?

Die Generation der Babyboomer ist leistungsbereit und loyal, während die nachrückende „Generation Z“ das Bedürfnis nach einer Work-Life-Balance hat. Echt?

Sie gelten als leistungsbereit und loyal – und sie sind viele. Wenn die Generation der Babyboomer in den kommenden Jahren in den Ruhestand geht, dann verschärft sich einerseits der Fachkräftemangel. Andererseits rückt mit der Gen Z dann eine Generation nach, der nachgesagt wird, sich vor allem um die eigene Work-Life-Balance zu bemühen. Aber stimmen die Klischees über die angeblich so gegensätzlichen Generationen überhaupt? Eine Jugendstudie vom vergangenen Jahr räumte auf mit Vorurteilen über eine faule Generation Z, die um das Jahr 2000 geboren wurde.

Motiviert sind beide

Arbeitsmotivation und Leistungsbereitschaft sind demnach sowohl bei den älteren wie auch bei den jüngeren Befragten sehr stark ausgeprägt. Gleichzeitig wissen die Jungen um ihren Wert am Arbeitsmarkt und zeigen sich flexibel: 40 Prozent von ihnen gaben an, sich für einen Jobwechsel zu interessieren.

Tom Urig ist Geschäftsführer bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) und kennt die Wechselfreude der jungen Menschen. Er führt pro Jahr mehrere Dutzend Bewerbungsgespräche und bemerkt bei den jungen Arbeitnehmern eine „gewisse Untreue gegenüber dem Arbeitgeber, obwohl es für sie eine gute Perspektive geben würde“. Vielen Bewerbern reiche etwa ein Zwei-Jahres-Vertrag. Urig wundert das allerdings nicht: „Sie wurden zur Flexibilität erzogen“, sagt er.

Der Geschäftsführer arbeitet seit Jahren in der Kinder- und Jugendhilfe und ist gegenüber der Gen Z quasi von Berufs wegen wohlwollend eingestellt. Er erklärt, dass Arbeitgeber eine positive Haltung zu jungen Arbeitnehmenden entwickeln müssten. „Sie sind sehr gut ausgebildet und bereit zu Leistungen – aber mit entsprechenden Rahmenbedingungen.“ Es gehe etwa um mobiles Arbeiten, reduzierte Wochenarbeitszeit oder mehr Urlaubstage. Wenn man sich darauf einlasse, komme man zu guten Lösungen, so seine Erfahrung.

Nich alle über einen Kamm scheren

Es seien aber längst nicht alle gleich anspruchsvoll, betont Urig. „Die jungen Menschen sind sehr unterschiedlich.“ Auffallend selbstbewusst und mit sehr klaren Vorstellungen kämen dennoch mehr als die Hälfte der Bewerber in die Vorstellungsgespräche. „Sie nutzen ihre Marktmacht aus, das haben sie gelernt und verstanden.“

Kristian Fink ist als Jugendsekretär im Bezirk Leipzig-Nordsachsen in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für Studierende und Auszubildende zuständig. Seiner Einschätzung nach sind junge Menschen gut informiert: „Das liegt an der verstärkten Präsenz der Gewerkschaften in den Sozialen Medien und daran, dass Informationen generell leichter zugänglich sind“, sagt der 31-Jährige. „Wer wusste früher zum Beispiel schon, was ein Azubi in Norddeutschland verdient oder in Bayern?“ Urig bestätigt diese Beobachtung: „Junge Bewerber wissen, wie viel sie bei einer Vier-Tage-Woche verdienen würden und ob es ihnen zum Leben reicht.“

Die Babyboomer starteten mit anderen Werten als die Gen Z. „Nur wer was leistet, ist etwas wert – das prägte damals junge Menschen“, sagt Andreas Hillert, Chefarzt an der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee. „Man musste um jeden Ausbildungsplatz kämpfen. Konkurrenz und Wettbewerb waren selbstverständlich“, sagt der Psychotherapeut und Autor mehrerer Bücher zum Thema Burn-Out.

Die Gen Z sind die Kinder von Babyboomern und nachfolgenden Generationen. „Nachdem diese selbst vom Leistungsdruck geprägt sind, möchten sie ihren Kindern die damit verbundenen Nachteile ersparen“, sagt Hillert. „Die Kinder sollen es besser haben, und konsequenterweise machen sie ihnen wenig Druck.“ Zu dieser „Kuschelkurs“-Erziehung komme der demografische Wandel: „Arbeitgeber bemühen sich um die jungen Arbeitnehmer“, sagt der Experte.

Allerdings hat beides auch eine Kehrseite. So berichtet Hillert, dass sich die „Hedonisten“ unter den jungen Menschen belasteter fühlten als eher ziel- und leistungsbezogen sozialisierte Altersgenossen, obwohl sie objektiv weniger Druck hätten. Sie kämen häufiger als Patienten in die Klinik für psychische und psychosomatische Erkrankungen.

Die „jungen Alten“

Während sich die neue Generation mit ihren Vorstellungen auf dem Arbeitsmarkt etabliert, beobachtet die Sozialunternehmerin Sabine Distler aus Mittelfranken derzeit eine Flucht der Älteren aus dem Berufsleben. „Es gibt einen klaren Trend, das Angebot des Arbeitgebers zum vorzeitigen Ruhestand anzunehmen“, erklärt Distler, die die sich vor wenigen Jahren mit der gemeinnützigen Organisation „Curatorium Altern gestalten“ selbstständig gemacht hat.

Eine Umfrage der Techniker Krankenkasse kam zu dem Ergebnis, dass jeder dritte Beschäftigte ab 50 plant, in den verfrühten Ruhestand zu gehen. Laut Distler ist der vorzeitige Rückzug bei einigen eine Trotzreaktion – weil sie sich nicht mehr ausreichend wertgeschätzt fühlten. „Boomer stellen fest, dass sie zum Beispiel nicht mehr zu bestimmten Seminaren eingeladen werden“, berichtet Distler. Zu den geburtenstarken Jahrgängen der Babyboomer zählen gemeinhin die zwischen 1946 und 1964 Geborenen. Dabei seien die Boomer leistungsfähig und erfahren: „Wir können diese Ressource nicht einfach ins Wohnmobil schicken“, mahnt die Bayerin. (kna)