Studie zu BewerbungenMit Mama zum Vorstellungsgespräch? Generation Z macht es vor

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Mehr Kunde als Bewerber? Über die Generation Z gibt es viele Vorurteile.

Mehr Kunde als Bewerber? Über die Generation Z gibt es viele Vorurteile.

Viele junge Menschen aus der Generation Z haben kein Interesse an Vorstellungsgesprächen, zeigt eine Studie. Überraschend: Sie nehmen oft Eltern oder Freunde mit.

Ein Vorstellungsgespräch gehört für viele sicher nicht zu den Top Ten der Lieblingsbeschäftigungen. Offenbar ist das gerade bei jüngeren Menschen der Fall: Laut einer aktuellen Umfrage der Jobplattform Monster würden 20 Prozent der Generation Z, also die Geburtenjahrgänge 1995 bis 2010, das Vorstellungsgespräch am liebsten überspringen.

Diese Abwehrhaltung hat Folgen – auch für das Bewerbungsgespräch selbst. Demnach nehmen jüngere Bewerber, wenn auch nur zu einem geringen Anteil, ihre Eltern (6 Prozent) oder einen Freund (8 Prozent) mit ins Vorstellungsgespräch. „Stets alleine haben sich bisher nur 59 Prozent der Gen Z in ein Bewerbungsgespräch gewagt“, heißt es in der Studie.

Personalchefs erleben selbstbewusste Bewerber

Personalberater Heiner Thorborg findet die Ergebnisse der Umfrage „erheiternd“. Er kann sich nicht vorstellen, dass junge Menschen ihre Eltern zum Vorstellungsgespräch mitnehmen. „Da bin ich skeptisch“, sagt er. „Das sind aus meiner Erfahrung eher ambitionierte Leute.“

Auch Claudia Viehweger, Personalchefin bei Scout24, kann die Umfrageergebnisse vor ihrem Erfahrungshintergrund nicht bestätigen. „In unseren Vorstellungsgesprächen erleben wir junge Talente häufig sehr selbstbewusst“, sagt sie.

Führen die Umfrageergebnisse also in die Irre? Generationenforscher Rüdiger Maas sieht die Lage etwas anders: „Es sind durchschnittlich 17 Prozent der Generation Z, die ihre Eltern in irgendeiner Form ins Vorstellungsgespräch involvieren.“ Demnach fahren manche Eltern ihr Kind zum Gespräch und warten vor Ort – oder sind tatsächlich während des Vorstellungsgesprächs selbst anwesend. „Es gibt sogar Eltern, die ihr Kind zum Mitarbeitergespräch begleiten“, so Maas.

„Die Eltern sind immer involviert“

Aber ist das den Kindern, die sich ja eigentlich als Bewerber bewähren sollen, nicht unangenehm? Verhalten sich die Eltern in diesem Punkt vielleicht übergriffig? „Viele aus der Generation haben nicht einmal ein komisches Gefühl dabei“, sagt der Gen-Z-Experte. Seine Untersuchungen hätten gezeigt, dass nahezu jeder aus der Generation seine Eltern vor der Entscheidung für oder gegen einen Job konsultiert. „Die Eltern sind immer involviert.“

Aber warum gibt es so wenig Abgrenzung zwischen Eltern und Nachwuchs? Maas zufolge würden beide die gleichen Werte teilen, es handele sich um den sogenannten Neo-Konventionalismus. Und: „Die Meinung der Eltern ist der Gen-Z so wichtig, dass sie sie immer einholen“, sagt der Forscher.

Das klingt nach Harmonie und Nähe, hat aber auch eine entscheidende Schattenseite: Manche Kinder könnten wichtige Entscheidung nicht mehr selbst treffen, weil sie es schlichtweg nicht gelernt haben. Das verunsichere die Generation. „Die Entwicklung ist bedenklich, denn Eltern reagieren und beraten ihre Kinder in der Regel subjektiv. Eltern sind infolgedessen ein Teil der Arbeit, was die Arbeit dadurch auch unseriöser erscheinen lässt“, warnt Maas.

Der Arbeitgeber müsse es nicht mehr allein dem Angestellten recht machen, sondern auch den Eltern. Wenn Mama die Arbeitsstelle nicht gut findet, kündigt man einfach. Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist niedriger, der Wechselwille zu einem anderen Arbeitgeber höher.

Junge Menschen brauchen Wertschätzung

Personalberater Thorborg interpretiert das Verhalten allerdings gänzlich anders. Ihm zufolge kehren junge Menschen ihrem Arbeitgeber dann den Rücken, wenn sie und ihre Leistungen nicht wertgeschätzt werden. „Sie sind deutlich mutiger“, beobachtet er. „Es hat über Jahrzehnte einen Führungsstil gegeben, der war zum Kotzen. Immer von oben nach unten. Das lassen die sich nicht mehr gefallen.“ Solange die Leistung stimmt, sei an ihren Forderungen nichts auszusetzen. Eine Generation deswegen zu verurteilen, sei falsch.

Doch offenbar stimmt die Leistung, zumindest wenn man der Umfrage glaubt, schon im Vorstellungsgespräch nicht. So sei über ein Drittel der jungen Bewerber schlecht auf das Treffen vorbereitet. Ein Argument, das Personalexperte Thorborg ebenfalls nicht gelten lässt: „Auch das hat es immer schon gegeben. Ich habe gestandene Top-Manager getroffen, die überhaupt nicht auf das Gespräch vorbereitet waren, weil sie glaubten, sie wüssten alles“, berichtet er.

Ist die Generation Z mehr Kunde als Bewerber?

Die Scout24-Personalchefin Viehweger stimmt dem zu. Dass es Bewerber gebe, die unvorbereitet in Vorstellungsgespräche gehen, sei kein Phänomen der jungen Generation. „Das erleben wir in jeder Altersklasse.“

Indessen zeichnen die Forschungsergebnisse von Rüdiger Maas ein anderes Bild: „Sie bereiten sich nicht vor, weil sie keinen Druck haben zu performen.“ Sie treten dank Fachkräftemangel nicht mehr als Bewerber, sondern als Kunden auf. Die Zusage zum Job sei ihnen sicher. „Deswegen sind sie auch nicht aufgeregt vor einem Vorstellungsgespräch, sondern eher genervt, dass sie das jetzt auch noch machen müssen“, so Maas.

Zudem mangele es ihnen an Erfahrung im „echten“ Austausch mit anderen. „Ihnen fehlt das analoge Training.“ Die Corona-Pandemie, während der vielen jungen Menschen lediglich der digitale Raum für die zwischenmenschliche Interaktion blieb, habe das Problem verschärft. Sobald ihnen eine Situation im realen Leben zu schwierig werde, so Maas, springen die Eltern ein.

Manche Unternehmen würden sich mittlerweile auf die Omnipräsenz der Eltern einstellen und die Eltern kurzerhand mit zum Vorstellungsgespräch einladen. „Weil sie dann mehr Bewerber bekommen“, sagt der Gen-Z-Experte. Doch genau das sei letztlich kontraproduktiv. Denn so bekämen sie keine Fachkräfte, sondern unselbstständige Kinder.

Er rät Unternehmen dazu, lieber weniger Bewerber einzuladen, also auf die Qualität und nicht Quantität der Bewerber zu setzen. Und: das Vorstellungsgespräch auszubauen, um wirklich herauszufinden, ob jemand selbstständig arbeiten kann und verlässlich ist.

Laut Personalchefin Viehweger achtet die junge Generation bei der Auswahl des Arbeitgebers besonders auf die Unternehmenswerte: „Arbeitgeber müssen Haltung zeigen, wofür sie stehen und wofür auch nicht“, sagt sie. Die Haltung müsse zum Bewerber passen, denn: „Wer sich verstellen muss, wird im neuen Job nicht glücklich“.

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