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Erst die Boni, dann die Moral?VW-Vorstand löst die Millionen-Frage

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Martin Winterkorn

Martin Winterkorn

Wolfsburg – Für Millionen von Arbeitnehmern sind es schlicht unvorstellbare Summen. Satte 70 Millionen Euro haben die Vorstände des Autobauers Volkswagen 2014 insgesamt verdient - zum großen Teil aufgrund von Sonderzahlungen. Im Schatten von Dieselgate aber passen hohe Boni kaum ins Bild, das Thema hat große Symbolkraft.

Tagelang lief in der Öffentlichkeit eine Debatte über den kompletten oder zumindest teilweisen Verzicht der VW-Spitze auf die Sonderzahlungen für das Geschäftsjahr 2015. Auch intern wuchs der Druck. Nun will der Volkswagen-Vorstand das leidige Thema abräumen.

„Aufsichtsrat und Vorstand sind sich einig“, erklärte Volkswagen Mitte der Woche, „dass angesichts der aktuellen Lage des Unternehmens ein Zeichen auch beim Thema Vorstandsvergütung gesetzt werden muss“. Derzeit seien verschiedene Modelle für „eine angemessene und faire Lösung“ in der Abstimmung. „In der Konsequenz würde dies zu einer deutlichen Absenkung der variablen Vergütung führen.“

Matthias Müller

Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG

Beim Land Niedersachsen, dem zweitgrößten VW-Aktionär, sorgt das für zufriedene Gesichter. „Das ist ein wichtiges Signal des Vorstands“, sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) am Donnerstag im Landtag. Lies ist einer der 20 VW-Aufsichtsräte.

Bis zuletzt war ein Boni-Verzicht im Vorstand umstritten, heißt es im Umfeld des Konzerns. Denn das fixe Grundgehalt der Vorstände ist gering im Verhältnis zu den variablen Bestandteilen. Der größte Teil des Einkommens kommt aus anderen Komponenten. So gibt es variable, erfolgsabhängige Teile und die Boni. Bei Ex-VW-Boss Martin Winterkorn machte das Grundgehalt nur zwölf Prozent der Gesamtsumme aus.

Bei dem Streit hatte Winterkorns Nachfolger Matthias Müller bereits vergangenen Herbst die Marschroute vorgegeben, als er angesichts der immensen Kosten für den Abgas-Skandal ankündigte: „Es ist klar, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen, auf allen Ebenen, vom Vorstand bis zum Tarif-Mitarbeiter.“ Die Konzernspitze müsse Vorbild sein.

Danach blieb das Thema lange in der Schublade. Ausgerechnet vor den wichtigen Entscheidungen im Abgas-Skandal in diesem Monat kam die Bonus-Frage wieder hoch. Eine Allianz aus dem mächtigen Betriebsrat, der IG Metall sowie dem Großaktionär Niedersachsen machte intern und öffentlich Druck, zumindest auf Teile der Boni zu verzichten.

Es gibt wichtigere Baustellen

Nun schickt der Vorstand dazu ein klares Signal - und versucht, die Debatte zu befrieden. Denn die Bonus-Frage ist eigentlich nur ein Randproblem. Es gibt viel wichtigere, gewaltigere Baustellen:

In den USA verhandeln Unterhändler von VW mit Vertretern der Umweltbehörden unter Hochdruck über eine Lösung im Abgas-Skandal. Es geht darum, was dort mit den fast 600 000 von der Abgas-Manipulation betroffenen Dieseln passiert: Wie sollen sie technisch nachgerüstet, wie die Kunden entschädigt werden? Muss VW Autos zumindest teilweise sogar zurückkaufen? Wie hoch fallen die Strafzahlungen aus?

Es ist eine Milliarden-Frage, die ganz wesentlich über die Zukunft von Europas größtem Autokonzern entscheidet. Als Stichtag für eine Lösung gilt der 21. April. Bis dann will ein US-Bezirksrichter, bei dem Milliardenklagen gegen VW gebündelt sind, wissen, wie eine Lösung aussehen kann. Das Thema könnte aber auch eine Rolle spielen, wenn US-Präsident Barack Obama ein paar Tage später zur Industrieschau Hannover Messe reist - in seiner Delegation sollen laut dpa-Informationen auch Vertreter der US-Umweltbehörden sein.

Noch immer ist völlig unklar, wie viele Milliarden VW der Abgas-Skandal kostet. Die Stimmung in Wolfsburg ist hochnervös. Denn es geht längst um die Zukunft von Jobs und Werken - vor allem bei der ertragsschwachen Kernmarke VW mit Modellen wie Golf und Passat.

VW-Markenchef Herbert Diess will die Kostenstruktur in den Griff bekommen, hat sich aber gehörig mit dem mächtigen Betriebsratschef Bernd Osterloh angelegt - ohne den bei VW kaum etwas geht. Osterlohs Vorstoß für einen Zukunftspakt nahm am Anfang der Woche das Aufsichtratspräsidium aus. Für die deutschen VW-Werke sollen noch in diesem Jahr „verbindliche Standortsicherungspakete abgeschlossen werden“. Es könnten zähe und lange Verhandlungen werden.

Auch im Tagesgeschäft gibt es genug Baustellen: Der Diesel-Rückruf beim Passat verzögert sich um Wochen. Eigentlich hätten in diesen Tagen längst Zehntausende Wagen nachgebessert sein sollen. Und auch beim Verkauf der Neuwagen herrscht Leerlauf. Die Märkte Russland und Südamerika brechen seit Monaten dramatisch ein und bringen Verluste.