Steigende EnergiepreiseZwei Kölner Rentnerinnen über ihre Angst vor der Armut
Köln – „Im Moment merke ich noch nicht viel von den steigenden Energiepreisen, aber ich fürchte mich vor dem, was auf mich zukommt. Ich habe Angst, dass ich das nicht mehr schaffe und dass dann die Rücklagen, die ich bisher noch habe, wegfallen“, erzählt eine Rentnerin aus Köln-Porz.
Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung soll Bürgerinnen und Bürger um 65 Milliarden Euro entlasten. Für Rentnerinnen und Rentner gibt es eine einmalige Zahlung von 300 Euro. Diese Energiepauschale wird am 1. Dezember ausgezahlt. Zudem sollen Rentenbeiträge ab dem 1. Januar steuerlich voll abgesetzt werden können. Die Senkung der Umsatzsteuer für Gas auf 7 Prozent ist ab dem 1. Oktober geplant. Doch kommen die Entlastungen rechtzeitig? Und helfen sie allen Betroffenen?
„Entlastungspakete greifen nicht tief genug“
Peter Krücker, Sprecher des Caritas-Vorstandes in Köln, sagt: „Die Entlastungspakete greifen nicht so tief, dass sie alle Betroffenen ausreichend auffangen können.“ Höchstens bei den Transferleistungsbeziehern gebe es die Situation, dass die Kosten übernommen werden könnten. Dazu gehören Hilfen des Staates, bei denen keine Gegenleistung erbracht werden muss, wie etwa Hartz IV oder Grundsicherung.
Der Durchschnitt 2020
923 Euro betrugen die durchschnittlichen Ausgaben für Wohnen, Energie und Wohninstandhaltung laut Statistischem Bundesamt 2020. Bei einem Einpersonenhaushalt betrugen die Ausgaben 680 Euro, bei zwei Personen 1034 Euro, bei drei Personen 1129 Euro und bei vier 1279 Euro.
Die Verbraucherzentrale bietet auf ihrer Webseite einen Energiepreisrechner an, mit dessen Hilfe die künftigen Energiekosten pro Jahr bei gleichbleibendem Verbrauch und gleicher Anzahl der Abschlagszahlungen berechnet werden.
Die 78-Jährige aus Porz ist erst vor zwei Jahren umgezogen, um ihre finanzielle Lage zu verbessern. „Damals musste ich jeden Euro umdrehen. Ich dachte, mit dem Umzug ins Wohnheim geht es mir besser.“ Doch durch die steigenden Energiepreise ist sie wieder in der alten Situation. Sie spart, wo es möglich ist.
Etwa 1000 Euro bekommt sie an Rente, plus einen Wohngeldzuschuss von etwa 200 Euro. Dieser fällt so hoch aus, weil sie einen Schwerbehindertenausweis hat. Wohngeld steht allen einkommensschwachen Mieterinnen und Mietern sowie Eigentümerinnen und Eigentümern zu Verfügung, die ihr Eigenheim oder ihre Eigentumswohnung selbst bewohnen.
„Wohngeld Plus“ gibt es ab dem 1. Januar
Die Höhe ist abhängig vom Gesamteinkommen des Haushalts, von der monatlichen Miete oder Belastung und der Zahl der Haushaltsmitglieder. Das Wohngeld muss beantragt werden. Ab dem 1. Januar wird es im Zuge des Entlastungspakets das sogenannte „Wohngeld Plus“ geben, bei dem mit einer dauerhaften Heizkostenkomponente pro Quadratmeter auch künftige Energiekostensteigerungen aufgefangen werden sollen.
Die Rentnerin aus Porz bezahlt 470 Euro für ihre 44 Quadratmeter große Wohnung in einem Altenzentrum. Darin enthalten sind einige Betriebskosten wie etwa Strom und Wasser. In der Anlage gibt es eine Gasheizung, 52 Euro monatlich hat die Frau daher an Energiekosten. Hinzu kommen noch Telefonkosten für bis zu 30 Euro im Monat, Versicherungen wie Haftpflicht und Hausrat für 12 Euro und eine Sterbeversicherung für 20 Euro. Die Rundfunkgebühren betragen 18,36 Euro, auf den Monat heruntergerechnet.
Einschränkungen im Bereich Freizeit bleiben nicht aus
Nach diesen fixen Kosten müssen immer noch die monatlichen Ausgaben für Konsumgüter abgezogen werden. Für Medikamente, die die Krankenkasse nicht übernimmt, fallen etwa 40 Euro im Monat an. Alle fünf Wochen muss die Rentnerin zudem zum Friseur und zur Fußpflege. Auf den Monat gerechnet sind das zusammen 50 Euro. Wenn man all diese Kosten abzieht, bleiben der Rentnerin ungefähr 500 Euro. Davon muss sie noch einkaufen gehen.
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Laut Statistischem Bundesamt hat ein Einpersonenhaushalt im Jahr 2020 durchschnittlich 228 Euro für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren ausgegeben. 148 Euro waren es für Freizeit, Unterhaltung und Kultur. Gerade hier versucht die 78-Jährige sich einzuschränken. „Ich bin schon jetzt dabei zu sparen, um mich auf das Schlimmste vorzubereiten. Ich kaufe nur noch Sonderangebote. Viele Sachen mache ich gar nicht mehr wie zum Beispiel ins Café gehen oder ins Kino. Ins Restaurant gehe ich schon mal gar nicht.“
Der einzige „Luxus“, den sie sich noch gönnt, ist einmal die Woche Kaffee und Kuchen beim Seniorentreff für drei Euro. Wenn man also lediglich die durchschnittlichen Ausgaben für Lebensmittel bei der Rentnerin abzieht , hat sie noch etwa 270 Euro im Monat übrig. Mit der Erhöhung der Energiepreise kann das knapp werden.
Viele wissen noch nicht im Ansatz, was auf sie zukommt
„Das ist eine tickende Zeitbombe“, sagt Peter Krücker. „In der Sozialpolitik gibt es noch keine ausreichende Wahrnehmung, wie drastisch das Ausmaß sein wird.“ Weite Teile der Bevölkerung seien überfordert, vor allem die Menschen mit einem niedrigen Einkommen. Zudem glaubt Krücker nicht, dass eine Einmalzahlung von 300 Euro Rentnerinnen und Rentnern wirksam helfen kann, denn die wirklichen Kostenerhöhungen würden um ein Vielfaches höher sein. Alle geplanten Preisbremsen seien bisher nur Absichtserklärung, ob sie greifen, stehe in den Sternen.
Bei einer Frau aus Köln-Nippes wird das der Fall sein. Sie ist erst 41 Jahre alt, aber wegen einer schweren Multisystemerkrankung bekommt sie Erwerbsunfähigkeitsrente von 790,33 Euro. Diese ist durch die Rentenerhöhung im Juli bereits gestiegen. Wegen ihrer Krankheit ist die 41-Jährige allerdings auf ein Auto angewiesen, hat hohe Ausgaben für Medikamente und verbringt viel Zeit zuhause, weshalb die Nebenkosten für die 27 Quadratmeter große Wohnung entsprechend hoch sind. Nach allen Einnahmen und Ausgaben bleiben der Frau aktuell noch 260,70 Euro im Monat. Davon hat sie noch keine Lebensmittel gekauft. Wie sie das mit der Erhöhung der Energiepreise schaffen soll, ist unklar. Die 300 Euro werden sie nicht weit bringen.