Wer regelmäßig an der Tankstelle stoppt, kennt das: Für Benzin und Diesel scheint die Preisspirale nur eine Richtung zu haben: nach oben. Woran liegt das? Und wer profitiert wie von der aktuellen Lage? Ein Überblick.
EnergiekriseWer an den hohen Spritpreisen verdient
Autofahrer kennen das Gefühl: Pünktlich zum Ferienbeginn scheinen die Spritpreise an der Tankstelle ein paar Cent mehr zu steigen als gewöhnlich; sinkende Ölpreise scheinen sich wenig und spät auf den leuchtenden Preisschildern an den Straßen bemerkbar zu machen, von Preisen über zwei Euro pro Liter in der ersten Jahreshälfte, obwohl die Ölpreise sanken, ganz zu schweigen. Doch was ist ein fairer Preis an der Zapfsäule? Eine Spurensuche.
Wie viele Liter Benzin und Diesel verbrauchen unsere Fahrzeuge?
Dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) zufolge wurden im vergangenen Jahr rund 20,8 Milliarden Liter Benzin und Super sowie 39,1 Milliarden Liter Diesel verbraucht. Das entspricht 164 Millionen Litern pro Tag.
Oft sinkt der Ölpreis, nicht aber der Preis an der Tankstelle. Warum?
Der Großteil des Spritpreises wird von Kostenblöcken dominiert, die nichts mit dem Ölpreis zu tun haben. Die Energiesteuer schlägt mit 65,45 Cent bei Benzin und 47,04 Cent bei Diesel zu Buche.
Hinzu kommen CO2-Abgabe und Mehrwertsteuer, Kosten für Vertrieb, Transport und natürlich die Beschaffung. Zumal aus 100 Litern Rohöl nur etwa 24 Liter Benzin und 21 Liter Diesel sowie viele weitere Produkte entstehen. „In der Vergangenheit hat es jedoch eine relativ enge Kopplung zwischen dem Rohölpreis in Euro und dem Benzinpreis an der Zapfsäule gegeben“, sagt Spritmarkt-Experte Jürgen Albrecht vom ADAC. „Diesen Pfad haben wir im März verlassen.“ Die Kostensteigerungen an der Tankstelle seien durch einen höheren Ölpreis nicht gedeckt.
Welche Faktoren belasten derzeit den Spritmarkt?
Beim Diesel sieht Albrecht Sonderfaktoren, die dafür sorgen, dass der Kraftstoff trotz niedrigerer Steuern derzeit mehr kostet als Benzin. „Die Industrie kauft vermehrt Dieselkraftstoff, um für einen möglichen Gasengpass gewappnet zu sein“, so der ADAC-Experte. Entsprechend nachgefragt sei der Kraftstoff, das schlage sich auch für die Verbraucher nieder. Bei Benzin gebe es diesen Sondereffekt nicht. Stattdessen sagt Albrecht: „Nachdem wir ohnehin eine Teuerungsdebatte in Deutschland haben, stellen wir fest, dass an der einen oder anderen Stelle versucht wird, Preiserhöhungen am Markt durchzusetzen, denen gar keine größeren Kostensteigerungen entgegenstehen.“
Wer verdient an der Entkoppelung von Rohölpreis und Spritpreis?
Albrecht zufolge versucht derzeit jeder Akteur in den unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen vom Bohrloch bis zur Tankstelle herauszuholen, was der Markt in seinem Segment hergibt. „Leider sind es oftmals dieselben Akteure, vor allem die Mineralölkonzerne, die auf unterschiedlichen Stufen, teils auch auf allen, tätig sind“, so der ADAC-Experte.
Sie betreiben Tankstellen, Raffinerien, kümmern sich teils auch um den Transport oder fördern das Öl. „Es wird überall ganz gut verdient, aber am meisten zweifelsfrei seit einigen Monaten im Bereich der Raffinerien. Dort haben sich die Margen vervielfacht.“ In Deutschland gibt es insgesamt 16 Raffinerien mit einer Gesamtkapazität von etwa 105 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr. Im niedersächsischen Lingen betreibt beispielsweise BP seit 1953 eine Raffinerie, in der Rohöl zu Kraftstoffen, Kerosin, leichtem Heizöl und Chemieprodukten verarbeitet wird.
Wie viel verdienen die Tankstellenbetreiber?
Die Modelle, wie eine Tankstelle betrieben wird, sind Albrecht zufolge ganz unterschiedlich. Aus den Verträgen ergibt sich, wie viel ein Betreiber verdient. „Reine Pächter profitieren von Preissteigerungen in der Regel nicht“, sagt er.
Dem Tankstellen-Interessenverband zufolge verdienen Tankstellenbetreiber nach wie vor im Schnitt nur rund einen Cent Provision mit jedem Liter verkauften Sprit. Der Verband sieht die Mineralölkonzerne als Kostentreiber für Verbraucher und rechnet vor: Im April 2020 lag der Ölpreis bei 100 Dollar je Barrel, am letzten Tag des Tankrabatts etwa ebenso hoch. Im April kostete der Liter Super zwei Euro, am 31. August mit Tankrabatt zwischen 1,80 Euro und 1,85 Euro. Inklusive der 32 Cent Rabatt der Politik wären es also mindestens 12 Cent mehr – bei ähnlichen Beschaffungskosten.
Ist es neu, dass Mineralölkonzerne ihre Margen ausweiten?
Das Elastizitätsdiagramm, das Johannes Schwanitz entwickelt hat, zeigt: Eine gewisse Margenausweitung gibt es seit Jahren. Schwanitz ist Professor an der Fachhochschule Münster und untersucht den Zusammenhang zwischen Rohölpreis und Kraftstoffpreis seit 2016. Sein Modell zeigt: Während Preissteigerungen am Rohölmarkt oftmals direkt weitergegeben werden, ist die Industrie bei Preisrückgängen deutlich träger. Es entstehen Schlaufen, die die Margenausweitung für Raffinerien, Großhändler und Tankstellenketten deutlich zeigen.
Wie viel zahlen Autofahrer an der Zapfsäule derzeit zu viel?
Eine genaue Summe zu nennen ist ADAC-Experte Albrecht zufolge schwierig. „Man muss sich unter anderem den Ölpreis anschauen und die Lage heute einer vergleichbaren Situation gegenüberstellen.“ Insgesamt würden viele Faktoren den Preis beeinflussen: Sondereffekte wie die hohe Nachfrage der Industrie nach Diesel, die saisonbedingt hohe Heizöl-Nachfrage von Privathaushalten. Dennoch steht für ihn fest: „Autofahrer zahlen zurzeit niedrige zweistellige Centbeträge zu viel.“
Gibt es regionale Unterschiede beim Benzinpreis?
Die gibt es Albrecht zufolge von jeher. „Das hat auch mit den lokalen Verhältnissen und Marktteilnehmern jeweils vor Ort zu tun“, sagt er. Da könne schon mal eine Supermarkttankstelle den ganzen lokalen Markt für Verbraucher positiv beeinflussen. Auch regionale Besonderheiten spielen in die Preisbildung mit rein wie das Niedrigwasser am Rhein oder der Ausfall der Raffinerie bei Wien, die den südlichen Raum mitbeliefere. „So ergeben sich stärkere regionale Betroffenheiten“, so Albrecht.
Eine Untersuchung des ADAC Mitte Oktober hat gezeigt, dass zu diesem Zeitpunkt Autofahrer in Norddeutschland beim Tanken am tiefsten in die Tasche greifen mussten. Spitzenreiter waren Bremen für Diesel (2,159 Euro pro Liter) und Schleswig-Holstein bei Super E10 (1,977 Euro pro Liter). Im Saarland waren die Preise mit 1,883 Euro für E10 und 2,091 Euro je Liter Diesel insgesamt am günstigsten.
Was braucht es, um für mehr Fairness für Autofahrer zu sorgen?
Der ADAC setzt auf mehr Information. „Wir wissen viel über den Kraftstoffmarkt, aber wenig über Handelsströme, Mengenabsätze und Lieferprozesse in den vorgelagerten Stufen wie dem Raffineriebereich“, so Albrecht. „Dort jedoch liegen zentrale Ursachen für die derzeit erhöhten Preise, die Verbraucher zahlen müssen. Das Bundeskartellamt ist seit Monaten dabei, das aufzuarbeiten. Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse.“ Eines ist für den ADAC-Experten jedoch klar: „Wir müssen im Wettbewerb zulegen und unberechtigte Preiserhöhungen minimieren.“
Was sagt das Bundeskartellamt zu den Benzinpreisen?
Im Rahmen der Sektoruntersuchung der Raffinerie- und Großhandelsebene sind dem Bundeskartellamt zufolge alle relevanten Raffinerien mittlerweile umfassend befragt worden. „Derzeit werden die Auskünfte mit Blick auf die Markt- und Kostenstrukturen und tatsächlichen Gewinnmargen ausgewertet“, heißt es.
Die Branche gibt Präsident Andreas Mundt zufolge vor allem Knappheiten und Kostensteigerungen als Grund an, warum die Preise steigen. „Es gibt bestimmte Umstände, wie zum Beispiel den Abbau von Raffineriekapazitäten während der Pandemie, den Wegfall von Importmengen aus Russland, technische Ausfälle von Raffinerien, die Transportprobleme infolge des Niedrigwassers und den Wiederanstieg der Nachfrage, die man berücksichtigen muss.“ Ob die Preisentwicklung und der nach wie vor große Abstand zu den Rohölpreisen dadurch hinreichend erklärt werden könnten, dem gehe man nach. Für den Herbst sind erste Ergebnisse angekündigt.
Wie geht es mit den Benzinpreisen weiter?
Wie sich die Benzinpreise weiterentwickeln, hängt für ADAC-Experte Jürgen Albrecht neben der Wettbewerbsintensität vor allem an zwei Faktoren: dem Ölpreis und der Entwicklung des Dollars.
„Der Dollar wird gegenüber dem Euro immer stärker, und Öl wird in Dollar gezahlt.“ Ob der jüngste Opec-Beschluss zur Reduzierung der Fördermenge den Ölpreis wieder steigen lässt, dessen ist sich Albrecht nicht sicher. „Die Zielmengen wurden vorher nicht ausgeschöpft. Ob der Beschluss also dazu führt, dass weniger Mengen am Markt sind, wird sich zeigen“, so Albrecht. Zumal mit Blick auf die erwartete Rezession ohnehin die Nachfrage sinken könnte. „Ich würde kein Schreckensszenario an die Wand malen.“
Was sagt das Kartellamt?
Auch das Kartellamt hat die Spritpreise in Deutschland im Blick. Im Rahmen der Sektoruntersuchung der Raffinerie- und Großhandelsebene sind dem Bundeskartellamt zufolge alle relevanten Raffinerien mittlerweile umfassend befragt worden. „Derzeit werden die Auskünfte mit Blick auf die Markt- und Kostenstrukturen und tatsächlichen Gewinnmargen ausgewertet“, heißt es.
Die Branche gibt Präsident Andreas Mundt zufolge vor allem Knappheiten und Kostensteigerungen als Grund an, warum die Preise steigen. „Es gibt bestimmte Umstände, wie zum Beispiel den Abbau von Raffineriekapazitäten während der Pandemie, den Wegfall von Importmengen aus Russland, technische Ausfälle von Raffinerien, die Transportprobleme infolge des Niedrigwassers und den Wiederanstieg der Nachfrage, die man berücksichtigen muss.“ Ob die Preisentwicklung und der nach wie vor große Abstand zu den Rohölpreisen dadurch hinreichend erklärt werden könnten, dem gehe man nach. Noch im Herbst soll es erste Ergebnisse geben. (nika)