Bayer-Krise verschärft sichZahl der Glyphosat-Kläger verdoppelt sich
- Chemiekonzern Bayer droht eine noch höhere Klagewelle im Fall des Unkrautvernichters Glyphosat.
- Es wird mit Vergleichssummen in Höhe von 20 Milliarden Dollar gerechnet.
- Welche Folgen das für Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre haben könnte.
Leverkusen – Die Klagewelle wegen des Unkrautvernichter Glyphosat nimmt für Bayer bedrohliche Ausmaße an: Bis jetzt haben 42.700 Amerikaner den Chemiekonzern verklagt. Sie machen Glyphosat für ihre (Krebs-)Erkrankung verantwortlich. Damit hat sich die Zahl der Kläger binnen eines Quartals mehr als verdoppelt. Bayer versucht, das herunterzuspielen: „Der deutliche Anstieg ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerseite ihre geschätzten Ausgaben für Fernsehwerbung im dritten Quartal etwa verdoppelt hat“, so der Konzern. Markus Manns von der Fondsgesellschaft Union Investment, die ein Prozent der Bayer-Anteile hält, nennt den Anstieg dagegen „besorgniserregend“.
Folgen der Klagewelle: Milliardenschwere Vergleiche rücken näher. Analysten rechneten schon zuvor mit einer Vergleichssumme von bis zu 20 Milliarden Dollar. Bayer verfolgt dazu eine Doppelstrategie. Einerseits wehrt sich der Konzern weiter gegen Klagen, andererseits läuft zugleich ein Mediationsverfahren, um ein Ende mit Schrecken zu suchen. „Die Zahl der Klagen sagt nichts darüber aus, ob sie begründet sind“, betonte Bayer-Chef Werner Baumann: „Wir sind von der Sicherheit Glyphosat-basierter Produkte überzeugt.“
Schadensersatz von bis zu 90 Millionen Dollar
In den bisher verhandelten Verfahren (Dewayne Johnson, Ed Hardeman, das Ehepaar Pilliod) haben die Gerichte Bayer zu Schadenersatz von bis zu 90 Millionen Dollar verurteilt. Bayer beteilige sich, so Baumann, „lösungsorientiert“ am Mediationsverfahren, das der US-Richter Vince Chabria angeordnet hat und das Kenneth Feinberg führt. Feinberg hat auch die Entschädigung für Opfer der Anschläge vom 11. September organisiert. „Feinberg macht einen herausragenden Job. Allerdings ist klar, dass Bayer nur einem Mediationsergebnis zustimmen wird, das wirtschaftlich sinnvoll und so strukturiert ist, dass es den Verfahrens-komplex zu einem vernünftigen Abschluss bringt“, betonte Baumann.
Aktionärsschützer der DSW fordern Bayer auf, sich bald auf einen Vergleich einzulassen: „Die dramatische Erhöhung der Klagen zeigt, dass Bayer nicht mehr allzu lange Zeit ins Land ziehen lassen sollte, da ansonsten die Zahl nochmals deutlich steigt“, sagte DSW-Chef Marc Tüngler unserer Redaktion. Es zeige sich, dass man bei den Vergleichen mit acht Milliarden Dollar nicht mehr auskommen werde. „In den USA gab es zuletzt ein Windhundrennen der Anwälte, wer noch schnell die meisten Kläger an sich binden kann, bevor ein Vergleich geschlossen wird“, so Tüngler.
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Folgen für Mitarbeiter: Für teure Vergleiche braucht Bayer ebenso Geld wie für Investitionen. Da ist es günstig, dass der Konzern mit dem Verkauf von Tafelsilber vorankommt: Die Sparte Animal Health (Tiergesundheit) geht an den US-Konzern Elanco für 7,6 Milliarden Dollar, der 60-prozentige Anteil am Chemiepark-Betreiber Currenta an die australische Bank Macquarie.
Animal Health soll bis Mitte 2020 verkauft sein, der Currenta-Anteil im Dezember 2019, das Fußpflege-Geschäfts (Dr. Scholl’s) noch im November. Die Verkäufe treffen rund 10.000 Mitarbeiter. Zugleich hat Bayer den Abbau von insgesamt 12.000 seiner 110.000 Stellen angekündigt, davon 4500 in Deutschland. Die Verhandlungen für die Standorte laufen. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2025 in Deutschland ausgeschlossen. Bayer will mit hohen Abfindungen und Vorruhestandsprogrammen Mitarbeiter zum freiwilligen Abschied bringen. Ab 2022 sollen das Verk aufs- und Sparprogramm sowie Synergien aus der Monsanto-Übernahme 2,6 Milliarden Euro einbringen, wie Baumann bekräftigte.
Aktie erlebt dramatischen Absturz
Folgen für Aktionäre: Die Bayer-Aktie hat in den vergangenen Jahren einen dramatischen Absturz erlebt. Von einst 140 Euro fiel sie zeitweise auf 53 Euro. Das ist nicht nur für große Investoren, sondern auch für Mitarbeiter und Pensionäre, die Belegschaftsaktien halten, ein Problem. Die Aktie legte am Mittwoch leicht zu auf 67,50 Euro, denn gleichzeitig legte das operative Geschäft im Pharma- und Agrarbereich zu. Im dritten Quartal stieg der Gewinn (Ebitda) um 7,5 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Unterm Strich brach der Gewinn allerdings um 64 Prozent auf eine Milliarde Euro ein, nachdem der Verkauf von Saatgutgeschäften an BASF den Leverkusenern im Vorjahr noch einen Sondergewinn beschert hatte. „Operativ hat sich Bayer stabilisiert, im zweiten Quartal sah alles noch nach einer mögl ichen Gewinnwarnung aus“, sagte Fondsmanager Markus Manns.
Folgen für den Vorstand: Auf der Hauptversammlung im Frühjahr hatten die Aktionäre dem Vorstand die Entlastung verweigert und den Aufsichtsrat abgewatscht. Nun lobt Manns, dass Bayer den Aufsichtsrat um eine Agrarexpertin (Ertharin Cousin) ergänzt hat. Der Vorstand um Baumann bleibt auch dank der schützenden Hand von Chefkontrolleur Werner Wenning fest im Sattel. Ein vom Aufsichtsrat etablierter Ausschuss helfe bei der „Abarbeitung des Glyphosat-Komplexes“, sagte Baumann. Man sei mit allen Investoren im Gespräch, auch mit aktivistischen, betonte der Krefelder mit Blick auf den Hedgefonds Elliott. Dieser ist mit über eine Milliarde bei Bayer eingestiegen. Baumann: „Wir machen unseren Job.“