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Am Freitag ist SchlussDer Ford Fiesta verlässt Köln – vom Ende einer Ära

Lesezeit 6 Minuten
Groß in Szene hat H.A.. Schult den Kleinwagen gesetzt – auf unserem Foto wird sein „Flügelauto“ 2012 zur Restaurierung vom Turm des Zeughauses gehoben.

Groß in Szene hat H.A.. Schult den Ford Fiesta gesetzt – auf unserem Foto wird sein „Flügelauto“ 2012 zur Restaurierung vom Turm des Zeughauses gehoben.

Am 7. Juli wird im Kölner Ford-Werk der letzte Fiesta fertiggestellt. Anlass genug, einmal auf die bewegte Geschichte in Köln und auf die verschiedenen Modelle zurückzublicken.

Im Kölner Werk wird in den kommenden Tagen Abschied genommen vom Fiesta. Ganz einfach wird das für die Mitarbeitenden nicht. „Der Fiesta ist eine Ikone“, so Ford-Betriebsratschef Benjamin Gruschka. „Einige Mitarbeitende haben ihr ganzes bisheriges Berufsleben am Fiesta gearbeitet.“ Etwa 9,5 Millionen Fiestas wurden in Köln insgesamt produziert.

Erleichtert wird das Aus für den Kleinwagen vielleicht von kleineren Feiern im Werk. Am Mittwoch sagt der Rohbau Tschüss, dann die Lackiererei und am Freitag die Montage, wenn der letzte Fiesta die Linie verlässt. Viele Mitarbeitende, so berichtet Gruschka, signieren gerade drei Fiestas. Einer bleibt in Köln, einer geht ins Museum und einer nach England, Fords größtem Markt in Europa, wo auch der Fiesta seine größten Verkaufserfolge gefeiert hat.

Ein Traum-Abgang ist dem Fiesta nicht wirklich vergönnt. Zumindest dann nicht, wenn als Maßstab gilt, dass Schluss sein sollte, wenn es am Schönsten ist. Denn der Kleinwagen, der 1979 ins Kölner Werk kam und so eng mit der Stadt verbunden ist, hat wahrlich bessere Zeiten gesehen. Schon 2021 hat ihm der Puma, der im rumänischen Craiova gefertigt wird, den Rang als meistverkauftes Ford-Erzeugnis in Europa abgelaufen. Damals waren die Fiesta-Verkäufe um über 73.000 Autos auf 81 618 gesunken, während der Puma um 14.000 Einheiten auf 132 455 zulegen konnte.

Entwickelt in Köln, läuft am 11. Mai der erste Fiesta in Saarlouis vom Band. Die Basisversion kostete 8440 Mark.

1976: Entwickelt in Köln, läuft am 11. Mai der erste Fiesta in Saarlouis vom Band. Die Basisversion kostete 8440 Mark.

Da setzte die Konzernleitung in den USA schon auf Crossover - Automischformen mit Anklängen an Geländewagen – statt auf klassische Limousinen, Kombis, Vans oder Kompakt- und Kleinwagen. Da half es dem Fiesta auch nicht, dass er quasi der Ahnherr des Puma war, der ja auf einer Fiesta-Plattform entstanden war.

Corona, Ukraine-Krieg und Chipmangel machten das Leben schwer

Dann kamen auch noch Corona und der Ukraine-Krieg, die menschliches Leid verursachten und verursachen und auch die Logistikketten durcheinanderbrachten. Chips vor allem waren Mangelware. Und gab es die, bauten die Autohersteller sie vorzugsweise in größere und margenstarke Fahrzeuge ein und nicht in die Kleinwagen. Kurzarbeit war die Folge. Immer öfter standen die Bänder in Köln still oder liefen mit gedrosselter Geschwindigkeit.

Ford Fiesta Gallery 1974 to 2013 - 1996 Ford Fiesta Ghia. (07/16/2013)

1996: Die Vierte Generation – mit Beifahrer-Airbag und ABS – kommt und wird danach einmal kräftig überarbeitet.

In den besten Zeiten des Fiestas liefen über 400.000 Fahrzeuge pro Jahr in Köln vom Band, im abgelaufenen Jahr waren es circa 84.500. Damals war eine Tagesbaurate von 1850 in drei Schichten möglich – mehr Fahrzeuge waren beim besten Willen nicht durch die Lackiererei zu bringen. Köln lieferte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Nissan-Werk in Sunderland um den Titel der effizientesten Autofabrik, zeitweise zeigte der Fiesta selbst in Deutschland dem Golf bei den Neuzulassungszahlen die Rückleuchten.

Ein später Start für einen Kleinwagen

Dabei war Ford spät im Kleinwagensegment gestartet. Nach dem Ölpreisschock 1973 waren kleinere und sparsame Autos gefragt. Ende des Jahres gab der Ford-Konzern grünes Licht für die Fertigung entschied. 1976 lief der erste Fiesta vom Band – zunächst in Saarlouis, dann im spanischen Valencia und im britischen Dagenham. Nach Köln kam der Kleinwagen 1979.

Offener Kühlergrill und tief heruntergezogener Stoßfänger - der Ford Fiesta ST ist sportlicher ausgelegt als das Basismodell des Kleinwagens.

2001: Die sechste Generation wächst Ende des Jahres auf 3,92 Meter. Zuvor war das Kölner Werk modernisiert worden.

Der Fiesta musste sich gegen die etablierte Konkurrenz aus Frankreich und Italien behaupten, die nicht nur jahrelange Kleinwagenerfahrung hatten, sondern mit Renault 5 oder Fiat 127 schon Jahre auf dem Markt waren. Auch der Polo aus dem Hause VW war ein Jahr früher als der Fiesta am Start. Doch der Fiesta fand Anhänger. Letztlich wurden über 20 Millionen in 15 Werken in 14 Ländern gebaut. Es gab zahlreiche Varianten, darunter auch leichte Nutzfahrzeuge. Das Umfeld wurde aber immer härter. Nicht nur neue Anbieter aus Asien drängten auf den europäischen Markt. Die Konkurrenz für den Fiesta kam auch aus dem eigenen Haus. Relativ unproblematisch für den Standort war noch der Fiesta-Ableger Fusion, der kantiger und hochbeiniger daherkam. Immerhin lief der von 2002 bis 2012 auch in Köln vom Band und sorgte für die Auslastung des Werks.

2014 drohte das Fiesta-Aus in Köln

Problematischer waren der Eco-Sport in Geländewagenoptik, der, ursprünglich in Brasilien entwickelt, ab 2014 auch in Europa verkauft wurde. Vom Band lief der wie der ebenfalls auf Fiesta-Plattform stehende Minivan B-Max (2012 bis 2017) auch im rumänischen Craiova, wo Ford ein altes Citroen-Werk mit Milliardenaufwand ausgebaut hatte. Wenn Eco-Sport und B-Max auch nicht sonderlich erfolgreich waren, der ein oder andere hat sie dennoch statt eines Fiesta geordert.

21.06.2023 Köln: Abschied vom Ford Fiesta, hier ein Modell von 2016.

2016: Die achte und letzte Generation des Fiestas erscheint. Nach zähem Ringen hatte Köln den Produktionsauftrag erhalten.

Zwar wurde durch Sparanstrengungen eine 2014 drohende Einstellung der Fertigung in Köln vermieden, nachdem das Management gefordert hatte, der Kleinwagen müsse auch im Hochlohnland Deutschland global wettbewerbsfähig produziert werden. Wegen des sinkenden Absatzes wurde aber von Drei- auf ein Zwei-Schicht-Modell umgestellt nebst Stellenstreichung. In den Produktionsbereichen Presswerk, Rohbau, Lack und Endmontage arbeiteten zuletzt rund 3000 Mitarbeitende, die den Ford montiert haben.

Wirklich überraschend kam das Aus dann nicht mehr. Kleinwagen haben es schwer. Die Abgasregeln der EU bevorzugen schwerere Fahrzeuge. Gleichzeitig schlägt eine aufwendige und teure Abgasreinigung bei preiswerten Fahrzeugen deutlich stärker ins Gewicht. Und die Elektromobilität macht ihnen zumindest vorerst den Garaus. Auf den Markt kommen aktuell eher größere Autos, bei denen die Gewinnmargen höher sind. Das ist auch bei Ford so. Der Explorer in Geländewagenoptik, Fords erstes E-Auto für Europa, das ab dem vierten Quartal dieses Jahres gebaut wird, ist glatt einen halben Meter länger als der aktuelle Fiesta.

Auch Ford weiß, was dem Fiesta zu verdanken ist. Als eine Art letzte Ehrung bekam der Fiesta vor einem halben Jahr ein Abschiedsvideo. Es ist ein einminütiger Blick voller Sympathie auf den Kleinwagen, der verschwinde, weil er seinen Job erledigt habe, so heißt es darin. In Nachrichten auf Linkedin und Twitter fand damals auch Ford-Werke-Chef Martin Sander warme Worte. Es sei Zeit, Abschied zu nehmen von dem kleinen Auto, das so bewegend gewesen sei.

Mit dem Ende einer Ära beginne aber eine neue – der beschleunigte Aufbau des Zentrums für Elektromobilität in Köln, in das insgesamt zwei Milliarden Dollar fließen. Auf einer Linie laufen bereits Prototypen des Explorers vom Band. Langsam wird die Produktion hochgefahren bis zur Serienfertigung im vierten Quartal. Und im kommenden Jahr läuft in Köln dann ein zweites E-Auto vom Band. Auf die neue Zeit freuen sich auch die Mitarbeitenden in der Fertigung, sagte Betriebsratschef Gruschka.


Das Motorenwerk

Nach rund 28 Millionen gefertigten Verbrennermotoren ist Schluss. Die Zukunft gehört den E-Motoren, und so läuft am 5. Juli hier der letzte – intern Fox genannte – Drei-Zylinder-Motor vom Band und eine Ära in Köln endet. Die jetzt noch benötigten knapp 100 Kilogramm schweren Motoren mit 100 oder 125 PS, die etwa weiter den Focus antreiben, bis auch der 2025 eingestellt wird, kommen aus dem Werk im rumänischen Craiova. Mit dem hatte sich Köln die Produktion geteilt – jeweils rund 350.000 Triebwerke in guten Zeiten.

Eingeweiht wurde das Motorenwerk 1962. Zunächst wurden Vier-Zylinder gebaut, später dann V-Motoren mit sechs Zylindern, die den Capri flott machten oder den Granada. Und ab 1987 die großen Sechs-Zylinder für den US-Markt, wo sie unter anderem den Mustang antreiben sollten. Ausgelastet war das Werk mit der US-Produktion allerdings nie.

In der Spitze montierten gut 1500 Mitarbeitende rund um die Uhr knapp 485.000 Sechs-Zylinder-Triebwerke. Das reichte für den Titel des größten Motorenexporteurs Europas. Zuletzt montierten noch rund 500 Mitarbeitende die Motoren. Denn wenn weniger Fiestas und Focus verkauft werden, werden auch weniger Motoren benötigt. (raz)