Die Ausschüsse in Wipperfürth votierten einstimmig für Wohncontainer für Geflüchtete an der Bahnstraße.
Parkplatz an der BahnstraßeWohncontainer für Geflüchtete in Wipperfürth kommen
Im Ziel sind sich Politik und Verwaltung einig: Auf einem Parkplatz an der Bahnstraße, schräg gegenüber des ehemaligen Bahnhofs, soll eine Unterkunft für Geflüchtete entstehen. Im Haushalt 2023 sind dafür 1,3 Millionen Euro bereitgestellt. Die Entscheidung im Ausschuss für Schule und Soziales fiel einstimmig aus, hat allerdings nur empfehlenden Charakter.
Kontroverse Diskussion der Pläne in den Ausschüssen
Einen Tag später stand das Thema auch zur Entscheidung im Bauausschuss an. Dazu wurde der Tagesordnungspunkt auf Anregung des Ausschussvorsitzenden von den Empfehlungen in die Beschlüsse verschoben, so dass der Ausschuss auch, wie im Schulausschuss besprochen, eine Entscheidung fällen konnte.
Und auch die fiel nach längerer Diskussion und Fragen, die auch schon in der Sitzung des Schulausschusses gestellt worden waren, einstimmig aus. Danach soll die Verwaltung so schnell wie möglich mit der Planung beginnen. In einer Sondersitzung des Rates sollen dann die Details vorgestellt und der endgültige Beschluss gefasst werden.
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Zuvor wurde in der Sitzung des Schulausschusses kontrovers diskutiert, es gab viele kritische Nachfragen, vor allem von Seiten der SPD, an die Verwaltung. Auf Antrag der CDU wurde mehrheitlich beschlossen, die Entscheidung dem Bauausschuss zu überlassen und nicht bis zur Ratssitzung zu warten. „Im Rat haben wir alles vorbereitet, es darf sich nicht weiter verzögern“, begründete Lothar Palubitzki (CDU) den Antrag. Die SPD stimmte dagegen, solche wichtigen Entscheidungen seien Sache des Rates, so das Argument.
Stadt möchte möglichst viele Geflüchtete in einer Unterkunft unterbringen
Günter Baldsiefen (Grüne) vermisste genauere Informationen zu den Containern. „Wie sieht es mit Sanitäranlagen aus, wie mit Küchen, wie mit der Privatsphäre?“ Diese Fragen zu klären, sei Teil des Planungsauftrags, erklärte Leslie Kamphuis von der Verwaltung. Privatsphäre sei sehr wichtig, betonte sie.
Gleichzeitig verfolgt die Stadt das Ziel, dort möglichst viele Menschen unterzubringen. „Schaffen wir überwiegend Wohncontainer an, kann das etwas teurer sein, aber wir sollten auch an die Folgekosten denken“, mahnte Baldsiefen. Massenunterkünfte würden zu Aggressivität führen. Das führte er auch im Bauausschuss aus.
Kritik gab es an der sehr dünnen Vorlage der Verwaltung zur geplanten Unterkunft. SPD und Grüne vermissten Informationen zur Zahl der Menschen, die man dort unterbringen könne. Sie wollten erfahren, welche Alternativstandorte die Verwaltung geprüft habe, ob man leerstehende Hotels anmieten könne und ob die Anwohner von Bahn- und Kaiserstraße schon informiert wurden.
Geplante Unterkunft biete Platz für bis zu 50 Menschen
„Wir hoffen, dass wir dort bis zu 50 Menschen unterbringen können“, so Bürgermeisterin Anne Loth. Laut Verwaltung wurden unter anderem der Festplatz Ohler Wiesen und das Gelände neben dem Bauhof an der Egener Straße geprüft. Das Areal an der Bahnstraße sei das größte Grundstück und aufgrund seiner zentrumsnahen Lage am besten geeignet. Mit Hotels stehe man in Kontakt, das leerstehende Gästehaus Haus Hembach in Wipperfeld habe man bereits angemietet. Dort können 16 Personen untergebracht werden.
Die Anwohner der Bahnstraße seien bislang nicht informiert worden. Der Ausschussvorsitzende Frank Mederlet SPD reagierte empört. „Auf der Thier wurden die Anwohner im Vorfeld informiert, hier nicht, warum?“ Das sei eine Ungleichbehandlung.
Christoph Goller (Grüne) wandte ein, dass es einen Unterschied ausmache, ob man, wie an der Bahnstraße, eine freie Fläche bebaue oder eine Turnhalle belege. Noch vor den Sommerferien soll die Planung für die Wohncontainer vorgestellt werden, verbunden mit einem Integrationskonzept, dafür hatte sich die SPD stark gemacht.
Anforderungen an Wohncontainer für Flüchtlinge
Mit der Aufstellung von Wohncontainern für Geflüchtete betritt Wipperfürth Neuland. Andere Kommunen haben damit schon Erfahrung gesammelt. 2004 hatte Kürten für Geflüchtete eine Containersiedlung im „Steinbruch“ neben der Schule eingerichtet. Vor acht Jahren wurde der „Fluchtpunkt Kürten“ gegründet, ein bürgerschaftliches Netzwerk, dass sich um die Belange der Geflüchteten kümmert.
Willi Broich, Gemeindereferent von St. Marien in Kürten-Dürscheid, ist von Anfang an dabei. „Die alten Container waren in einem sehr schlechten Zustand, deshalb sollen in Kürten jetzt neue Wohnraummodule für rund 60 Menschen aufgestellt werden“, sagt Broich.
Dezentrale Unterkünfte besser als Sammelunterkünfte
In Kürten habe man die Erfahrung gemacht, dass dezentrale Unterkünfte besser seien als große Sammelunterkünfte. Die Erfahrung habe gezeigt, dass flexible Module, je nach Art der Belegung, sehr wichtig seien. „Es macht einen Unterschied, ob man dort zwei alleinstehende Männer oder eine sechsköpfige Familie unterbringt. Wichtig ist, dass die Menschen ein eigenes Bad und eine eigene Küche haben. Am allerwichtigsten aber sind Sozialräume, wo Kinder spielen können, wo man Hausaufgaben erledigen kann, wo es einen Computer gibt und die Menschen der Enge der Container entfliehen können“.
Zwar existieren Richtlinien und Broschüren für die Unterbringung von Geflüchteten, vom Kinderhilfswerk Unicef und dem Bundesministerium für Familien und Integration. „Das Problem ist, dass diese bis heute nicht in eine rechtsverbindliche Form gegossen wurden“, beklagt der Gemeindereferent. Die Erfahrungen aus Kürten decken sich in vielen Punkten mit einem Forderungspapier „Kommunale Flüchtlingsunterbingung neu denken“, das Landesintegrationsrat NRW und Flüchtlingsrat NRW verabschiedet haben.
Generell sei es immer besser, Geflüchtete in Wohnungen unterzubringen. Sei dies nicht möglich, sollten für Gemeinschaftsunterkünfte unter anderem folgendes gelten: abgetrennte Wohneinheiten für maximal zwei alleinstehende Personen bzw. eine Familie; Schutzkonzept für verletzliche (vulnerable) Gruppen; mindestens neun Quadratmeter persönlicher Wohnraum (ohne Küche/Bad); angemessene Ausstattung; Beratungs- und Begegnungsraum; Anlaufstelle für Soziale Dienste; W-Lan und Computer; interkulturell geschultes Personal; Wachdienst; Unterstützung bei Arbeitssuche; Angebote zur Freizeitgestaltung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene und unabhängiges Beschwerdemanagement.
Kleine Einheiten mit eigenen Bädern und Küchen kosteneffizienter
Birgit Naujoks ist Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW. „Es macht einen großen Unterschied ob sich vier oder 40 Menschen ein Bad teilen“, so ihre Erfahrungen. Im letzteren Fall fühle sich niemand dafür zuständig, und der Aufwand der Instandhaltung sei viel höher. Deshalb seien eigene Bäder und Küchen immer die bessere Lösung.
Auch Naujoks plädiert für möglichst kleine Einheiten statt große Sammelunterkünfte, auch aus Kostengründen. „Die Stadt Haltern am See hat solche kleinen Containereinheiten über die Stadt verteilt, mit der Folge, dass man auf einen teuren Sicherheitsdienst verzichten kann.“
Doch nicht nur bei Unterkünften könnte Wipperfürth von Kürten lernen. In der Nachbargemeinde hat der Rat 2016 ein kommunales Integrationskonzept verabschiedet. In Wipperfürth soll ein solches Konzept noch geschaffen werden.