Wipperfürth und LindlarBäckereien machen aus Bons Karnevalsdeko
Wipperfürth/Lindlar – „Der Bon ist absolut überflüssig, besonders bei einem Brötchen“, sagt Carmen Müller, als ihr Brigitte Lukas den Einkauf über die Bäckereitheke reicht – samt Kassenbon. Denn: Seit dem 1. Januar gilt die Bonpflicht. Überall dort, wo eine elektronische Registrierkasse genutzt wird, müssen Händler den Kunden unaufgefordert einen Bon geben.
Liegengelassene Bons sind Restmüll
In der Filiale von Schmidt’s Backstübchen an der Eichenhofstraße in Lindlar trifft die Bonpflicht auf Empörung: „Da reden alle von Umweltschutz und dann wird so ein Gesetz eingeführt. Dadurch wird doch so viel mehr Müll produziert“, sagt Kundin Carmen Müller. Die Lindlarerin führte selbst mal ein Geschäft und kennt sich mit dem Kassensystem aus: „Die Umsätze werden ohnehin in der Kasse gespeichert.“
Ein paar Kilometer weiter, immer die Sülztalstraße entlang: „Zwei Mehrkorn bitte, hier das Wechselgeld“ sagt Birgit Hammer in der Schmidt’s-Filiale im Gaultalcenter in Wipperfürth. Kaum reicht sie die Tüte über die Theke, transportiert der Drucker an der Kasse den nächsten Beleg in eine eigens aufgestellte Abfall-Box. Maximal anderthalb Tage dauert es, bis die Box voll ist.
Der Kunde ist nämlich nicht verpflichtet, den Bon mitzunehmen. Lässt er ihn liegen, müssen die Bäckereien für die Entsorgung sorgen. Der Restmüll ihrer Filiale quelle regelrecht über vor Bons, klagt Brigitte Lukas. Denn: Die Kassenzettel sind aus Thermodruckpapier, das nicht im Papiermüll entsorgt werden darf.
Zusätzliche Fläche von 43 Fußballfeldern an Papiermüll
Der Handelsverband Deutschland hat errechnet, dass durch die jetzt eingeführte Bonpflicht bundesweit zusätzlich eine 43 Fußballfelder große Fläche an Papiermüll im Jahr entsteht. „Der Natur tun wir damit sicher keinen Gefallen“, findet Andrea Schmidt aus Frielingsdorf von der Inhaber-Familie von Schmidt’s Backstübchen.
Besonders ärgert sich Schmidt darüber, dass die modernen Registrierkassen ohnehin ausnahmslos alle Einkäufe speichern würden – somit also auch jederzeit geprüft werden könnten. Aktuell diskutierte Alternativen, zum Beispiel der elektronischen Beleg auf das Smartphone der Kunden, hält Schmidt für nicht praktikabel. „Wenn am Samstagmorgen 35 Leute vor der Brötchentheke stehen, kann nicht jeder sein Handy zücken und in Ruhe einen Code scannen.“
Hintergrund für die Bonpflicht ist, dass der Staat damit das Unterschlagen von Umsätzen erschweren will (siehe Beitrag oben). Während es in Supermärkten, Buchläden und anderen Geschäften schon lange üblich ist, einen Bon zu seinem Einkauf zu bekommen, bedeutet das neue Gesetz aber für Bäckereien und Metzgereien eine Umstellung – sowohl für die Händler, als auch für die Kunden.
Umrüstung von Kassen ist teuer
Für manche Händler ist die Bonpflicht mit zusätzlichen Kosten verbunden. Während Läden mit modernen Systemen lediglich auf den automatischen Bondruck umstellen müssen, kann die Aufrüstung eines alten Kassensystems zwischen 300 und 500 Euro kosten.
Auch Romy Rinke, Bäckereifachverkäuferin in Felders Engelscafé an der Kreuzung von Kirchplatz und Dr.-Meinerzhagen-Straße, ist gerade dabei, einer Kundin zu erklären, wieso sie einen Kassenzettel für das Brot bekommt, das sie gerade gekauft hat. „Besonders unpraktisch ist die Änderung für die Kunden, die unser Café besuchen. Sie können jetzt nicht mehr am Tisch bezahlen, sondern müssen vorne zur Kasse kommen“, berichtet Rinke. Das sorge bei viel Betrieb gezwungenermaßen für eine lange Warteschlange an der Ladentheke.
Tanja Stoppenbach und Dagmar Theunissen sind an diesem Tag in Lindlar unterwegs. Die beiden Kundinnen hören zum ersten Mal von der Neuregelung. Sie haben wenig Verständnis: „Was hat es für einen Sinn, wenn ich den Bon mitnehme und ihn draußen direkt in den Müll schmeiße“, fragt sich Theunissen. Für Händler und Kunden sei das neue Gesetz mit Chaos und Müllbergen verbunden, sind sich die Frauen einig.
Skepsis über App-Lösung
Bisher habe die Bonpflicht in ihrer Filiale jedenfalls nur für Chaos in der Bäckerei gesorgt, berichtet Bäckereifachverkäuferin Brigitte Lukas: „Die Leute wollen die Bons nicht haben und schmeißen sie teilweise vor der Ladentheke oder draußen vor der Tür auf den Boden. So viel zum Thema Umweltschutz.“
Im Gaultalcenter haben die Bäckereiverkäuferinnen auf jeden Fall schon eine Idee, was sie mit den liegengelassenen Bons machen: Allein aus den Belegen der ersten Januartage haben Birgit Hammer und Anna-Lena Gehle inzwischen die Karnevalsdekoration für ihre Filiale gebastelt. Die Bons hängen an der Decke des Backstübchens.