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„Summer School 2021“ in Wipperfürth200 Schüler holen Lernlücken in den Ferien nach

Lesezeit 4 Minuten

Die Tutorinnen Amelie (l.) und Maja (r.) unterrichten Schüler während der Sommerferien.

Wipperfürth – Der eine hadert mit der französischen Grammatik, der Mitschüler verzweifelt an lateinischen Deklinationen und wieder anderen bereitet das Wurzelziehen echte Probleme. Ob und wie groß die Lernlücken durch den coronabedingten Ausfall von Präsenzunterricht sind, wird derzeit intensiv diskutiert.

Am Erzbischöflichen St.-Angela-Gymnasium endet in dieser Woche die „Summer School 2021“ – ein Angebot, das speziell darauf ausgerichtet wurde, solche Wissenslöcher zu schließen, die die Schulschließung gerissen hat. Rund 200 Schüler aller Jahrgangsstufen – und damit mehr als ein Viertel aller Ange-laner – sind in den vergangenen Wochen freiwillig auf den Silberberg gekommen. Schulbank statt Strandurlaub. „Diese große Resonanz hat bis zum Ferienende angehalten und uns selbst überrascht“, nickt Schulleiter Werner Klemp.

Nachhilfe so buchen, wie es zur Urlaubsplanung passt

Gleich in der ersten Ferienwoche startete die organisierte Nachhilfe in den Hauptfächern. Der Montag wurde zum Mathe-Tag, dienstags standen Englisch, mittwochs Latein und Französisch und am Donnerstag Deutsch auf dem Plan. Dabei nahm jeder Tag sechseinhalb Stunden in Anspruch. „Die Familien konnten so buchen, wie es zu ihrer Urlaubsplanung passte“, erklärt Koordinator Martin Brandt. Manche Schüler kamen einige Wochen lang und frischten mehrere Disziplinen auf, andere konzentrierten sich nur tageweise auf ein Fach.

Hintergrund

Eine Milliarde Euro hat der Bund „zum Abbau pandemiebedingter Lernrückstände in den Kernfächern“ bereitgestellt, davon fließen nach Angaben des Bundesbildungsministeriums 215 Millionen Euro nach NRW.

Das Land NRW wiederum lenkt das Geld in das Programm „Extra-Zeit zum Lernen“ und stockt das Budget bis zum Sommer 2022 auf insgesamt 430 Millionen Euro auf. Das Angebot richtet sich an Schüler der Stufen 1 bis 13. Förderungsfähig ist Nachhilfe-Unterricht, der mindestens an einem Tag in der Woche für sechs Stunden und in Kleingruppen stattfindet.

Die Teilnahme ist freiwillig, die Landesregierung hat die Lehrer aber gebeten, schwächere Schüler gezielt zur Teilnahme zu motivieren. Als mögliche Tutoren benennt das NRW-Schulministerium Studenten und Lehramtsanwärter, Lehrer im Ruhestand, aber auch geeignete Schüler höherer Jahrgänge. Für aktive Lehrer ist die Beschäftigung im Rahmen einer Nebentätigkeit möglich. Befristet ist das Programm aktuell bis zum Ende der Sommerferien 2022. (sfl)

Schuleiter Klemp spricht von einem „äußerst unbürokratischen Verfahren“ bei der Genehmigung der durch Bund und Land finanzierten „Summer School“ (siehe auch Hintergrund). Die Bewilligung durch die Bezirksregierung kurz vor den Ferien habe „gerade einmal einen Tag“ gedauert. Gleich nach Erhalt des Bescheides stellten die Fachlehrer Material für alle Altersklassen zusammen und orientierten sich dabei an den Klassenarbeiten des abgelaufenen Schuljahrs. „24 Kollegen teilten sich tageweise die Aufsicht. Ohne ihren Einsatz wäre die Umsetzung nicht möglich gewesen“, lobt Klemp.

Knapp 50 Oberstufenschüler arbeiten als Tutoren

Auch nach Tutoren musste die Schule nicht lange suchen. Knapp 50 Oberstufenschüler meldeten sich. Das lag nicht zuletzt an einem „Stundenlohn, der weit über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt“, wie Koordinator Martin Brandt betont. Vor allem frisch gebackene Abiturienten erklärten sich bereit, jüngeren Schülern thematisch unter die Arme zu greifen.

„Ich habe mich schon vorher in der Hausaufgaben-Betreuung engagiert, da lag es nahe, auch als Tutor einzuspringen“, berichtet Amelie (17), die im Frühsommer das Abitur bestanden hat und damit streng genommen gar keine Schülerin mehr ist. Aber durch die gute finanzielle Ausstattung des Nachhol-Angebotes hängte sie gerne einige Wochen an und erklärt einer sechsköpfigen Mittelstufen-Gruppe gerade die Tücken der englischen Grammatik. Amelie obliegt auch die morgendliche Registrierung der Schüler in der Mensa. So soll sichergestellt werden, dass alle , deren Eltern einen Lerntag gebucht haben, auch wirklich auf dem Silberberg sitzen und nicht heimlich einen Tag an der Bever verbringen. Die Zuverlässigkeit der Jugendlichen sei aber „durchweg seht gut“, verrät Amelie.

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Ihre Schützlinge sind sich einig, dass der Distanzunterricht kein erfolgreiches Modell war – sparen allerdings auch nicht mit Selbstkritik. Der Verzicht auf die Bildübertragung bei Videokonferenzen habe dazu verführt, sich einzuloggen und „gleich danach wieder ins Bett zu gehen“, gesteht ein Zehntklässler, der nun allerdings fürchtet, dass ihm das Rüstzeug für die Klasse elf fehlt. „Deshalb müssen wir jetzt in den Ferien ran. Das Konzept in der Kleingruppe funktioniert astrein.“