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„Es ist schlicht eine Katastrophe“Wipperfürther Firmen brechen die Aufträge weg

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In der „Reisewelt Lindlar“ hat Nadine Dittmar alle Hände voll zu tun, viele Kunden wollen ihre Reisen stornieren.

Wipperfürth/Lindlar – Eine Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammer Köln, an der sich rund 1200 Unternehmen aus der Region beteiligt haben, ergab, dass ein Viertel der teilnehmenden Unternehmen seit Karneval Umsatzeinbußen von mindestens 25 Prozent hinnehmen müssten. Doch wie sieht das im Einzelfall aus?

Tischlerei hat kaum noch Aufträge

Bei der Tischlerei Markus Köser in Wipperfürth sind die Sorgen groß. Eigentlich hätte man im März und April gut zu tun gehabt, aktuell wäre Markus Köser mit vier Leuten im Messebau für den Pflegetag in Berlin tätig. Abgesagt. Nächste Woche Leipzig, danach der Hygienetag in Berlin, Ende April Messe Düsseldorf. Alles abgesagt. Aber auch Privatleute sind mit Aufträgen zurückhaltend.

„Es fühlt sich ein bisschen an wie Sommerferien“; sagt der Inhaber. Weil er für eine Messebauagentur tätig ist, werden fertige Exponate bezahlt, aber seine Pläne, Zeichnungen, Vorbereitungen, die Gedanken, die er sich gemacht hat, sind alle für die Katz. Er zieht jetzt alles an Aufträgen vor, was möglich ist, wie es danach für seine drei Mitarbeiter in der Werkstatt plus Lehrling und seine Bürokraft weitergeht, ist völlig offen. Markus Köser wird wohl Kurzarbeitergeld beantragen müssen. Was er dafür genau tun muss, weiß er noch nicht. „So eine Situation hatten wir noch nie“. Aber die Innung unterstütze ihn.

Busreisen werden abgesagt

Schlicht von einer Katastrophe spricht Klaus Schmitz, Inhaber von Höller Reisen aus Wipperfürth. Eine Reise nach der anderen muss er absagen, die Kundschaft ist komplett verunsichert. Man kommt ja auch nirgends mehr hin. Busreisen nach Italien und Malta hatte er im Programm, alles dicht. Wochenendtrips zu Veranstaltungen müssen ausfallen, weil dies abgesagt werden. Höller Reisen bietet auch Schulbusfahrten an. Was passiert, nachdem auch die Schulen geschlossen werden, mag sich Klaus Schmitz gar nicht ausdenken. Der Unternehmer hat drei große Reisebusse und ein paar Kleinbusse, er beschäftigt vier feste Fahrer und einige Aushilfen. Für ihn ist die Lage schlicht existenzgefährdend und diese Einschätzung sieht er auf breiter Front. Auch er wird Kurzarbeitergeld beantragen.

Kunden stornieren ihre Reisen

Nadine Dithmer betreibt mit ihrer Mutter Petra Papruth die „Reisewelt Lindlar“ an der Kamper Straße: „Wir schauen stündlich Nachrichten und informieren uns auf der Seite des Auswärtigen Amts, wie sich die Lage entwickelt. Wir versuchen, unseren Kunden einen Schritt voraus zu sein, um ihnen bestmöglich helfen zu können“, sagt die 43-Jährige. Aktuell stehe sie vor allem mit Kunden in Kontakt, die eine Reise in die Türkei geplant hatten. Seit dem Wochenende sind hier die Grenzen geschlossen. In vielen Fällen stornieren die Veranstalter die Reise, somit bekommen die Kunden ihr Geld zurück.

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Es gibt jedoch auch Fälle, in denen die Lage nicht so eindeutig ist: „Wenn man eine Reise in ein Land gebucht hat, wo die Grenzen aktuell noch offen sind, steht man in der Schwebe. Jeden Tag kann sich die Situation ändern. Storniert man als Kunde selbst den Urlaub, bekommt man keinen Cent zurück“, erklärt Dithmer. Natürlich gebe es jetzt Reisen zu sehr günstigen Preisen, wovon Reisewelt Lindlar jedoch abrate: „Sowas verkaufen wir unseren Kunden nicht – die Lage ist viel zu unsicher. Da steht für uns das Wohl der Kunden ganz klar über dem Profit“, sagt Papruth. Stattdessen stehe die Schadensbegrenzung im Vordergrund. So habe Dithmer am Freitag einen Kunden betreut, der am Samstag eine Reise nach Singapur antritt. Die Republik verhängte einen Einreisestopp für Deutsche, der Sonntagabend in Kraft trat. „Ich stand bis zum Abflug in Kontakt mit der Reiseagentur und dem Hotel in Singapur, um sicherzustellen, dass der Kunde ins Hotel kommt.“

Restaurants fehlen die Besucher

Auch der Besitzer eines italienischen Restaurants, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, berichtet: „Selbst am Wochenende sind momentan so wenig Kunden da, dass ich aktuell nur die Hälfte meines Personals beschäftigen kann.“ Dass dies daran liegt, dass er ein italienisches Restaurant betreibt, glaube er nicht: „Die Leute trauen sich einfach weniger vors Haus.“

Supermarkt macht gute Geschäfte

Während viele Branchen mit den Auswirkungen der Corona-Krise zu kämpfen haben, gibt es auch Gewerbe, die von der aktuellen Lage profitieren. „Für uns ist es momentan noch ein positiver Stress“, sagt Birgit Braun vom Edeka-Markt Braun in Schmitzhöhe. Natürlich könne sich die Lage von Tag zu Tag ändern, doch zurzeit fülle der Markt alle Bestände bis zur maximalen Kapazität auf. Vor allem haltbare Lebensmittel, wie Konserven, Nudeln, Mehl und Zucker verkaufen sich besonders gut, berichtet die 59-Jährige: „Außerdem kaufen die Kunden vermehrt vitaminreiche Ware, wie Obst und Gemüse. Und natürlich Klopapier“, sagt sie und lacht.

In der Severinus-Apotheke in Lindlar sind fiebersenkende Medikamente und Desinfektionsmittel gefragt, berichtet Hannah Nixdorf.

Sie habe letzte Woche die fünffache Menge Toilettenpapier bestellt und trotzdem habe die Ware nicht bis zum Ende der Woche gehalten. Braun hoffe, dass ihre Mitarbeiter alle gesund bleiben, um dem extremen Andrang weiterhin gerecht werden zu können. Für den Fall, dass sie den Markt auf Anordnung schließen muss, habe sie bereits vorgesorgt: „Wir haben eine Versicherung abgeschlossen, die für die möglichen Verdienstausfälle aufkommen würde. Die tritt aber erst in zwei Wochen in Kraft“.

Hohe Nachfrage in Apotheken

In der Severinus-Apotheke Lindlar sind vor allem Fiebermessgeräte und Desinfektionsmittel gefragt: „Wir fragen bei den Herstellern zwar mehr Ware an als sonst, bekommen aber nicht mehr“, sagt Apotheker Björn Burkhardt.

Toilettenpapier ist sehr begehrt. Birgit Braun vom Edeka-Markt Braun in Schmitzhöhe kommt mit der Ware kaum hinterher.

Um der hohen Nachfrage gerecht zu werden, bestelle die Apotheke inzwischen Rohstoffe und stelle ihr eigenes Desinfektionsmittel her. Das sei aber sehr zeitaufwendig, so Burkhardt. Auch fiebersenkende Mittel und Impfstoffe seien besonders gefragt und schnell ausverkauft.