Personalmangel bemerkbarBäcker-Wagen streift demnächst seltener durch Lindlar
Lindlar – Draußen ist es noch dunkel und in den meisten Häusern scheinen die Menschen noch zu schlafen, als Thomas Lenort mit seinem Bäckerwagen durch Brochhagen fährt. Der 58-jährige Bäcker- und Konditormeister aus Hartegasse ist bereits seit mehreren Stunden auf den Beinen, um seinen Kunden pünktlich die Brötchen bis an die Haustür zu bringen . Sechs Tage die Woche ist er am frühen Morgen und Vormittag unterwegs und verkauft Brot, Brötchen, Gebäck und Kuchen. Auch Eier, Wurst, Milch und Käse bekommen die Kunden bei ihm. Zwischen 80 und 100 Personen versorgt der Bäckermeister am Verkaufswagen pro Tag. Außer montags, da ist Ruhetag.
Während er in den frühen Morgenstunden mit seinem großen weißen Bäckerwagen durch die Lindlarer und Frielingsdorfer Umgebung fährt, steht in der Getränkehalterung des Wagens ein oranger Coffee-to-go-Becher, gefüllt mit Kaffee. „In der Woche stehe ich bereits um halb eins nachts in der Backstube und ab morgens beginnt der Verkauf. Das ist ein langer Arbeitstag und auch am Wochenende muss die Arbeit getan werden“, erzählt Lenort. Die langen Arbeitszeiten könnten ein Grund für den Personalmangel im Handwerk sein, meint er. Auch die Bäckerei und Konditorei Lenort ist vom Fachkräftemangel betroffen. Es sei schwierig, Leute zu halten und neue Leute zu finden. „Früher waren wir in der Backstube noch so viele, dass wir jedes dritte Wochenende mal frei haben konnten, heute ist das nicht mehr möglich“, so Lenort. Ihm fehlt Personal, sowohl in der Backstube als auch im Verkauf.
Das hat Auswirkungen auf die täglichen Touren mit dem Bäckerwagen. Lenort muss kürzen oder streichen. Und das, obwohl die Nachfrage groß ist. Die Ortschaften Fenke und Berghausen werden nur noch ein- statt zweimal die Woche angefahren. Kleinere Straßen außerhalb von Ortschaften teilweise gar nicht mehr. „In manche Straßen kann ich nicht mehr für ein halbes Brot fahren, obwohl ich es gerne machen würde. Ich bringe den Leuten gerne ihr Brot nach Hause, aber man muss es auch stemmen können“, bedauert Lenort.
Der Bäckermeister führt den Fachkräftemangel auch darauf zurück, dass eine Ausbildung heutzutage nicht mehr so hochgehalten werde wie ein Studium. Er selbst habe die Lehre zum Bäcker in Marienheide begonnen, dann Außenhandelskaufmann gelernt und die angefangene Ausbildung zum Bäcker bei seinem Vater in der Bäckerei beendet. „Während dieser Zeit habe ich zu spüren bekommen, dass ein Studium einfach angesehener ist. Dabei kann man auch im Handwerk gutes Geld verdienen“, so Lenort.
Die Bäckerei Lenort hat im Lindlarer Raum Tradition. 1963 übernahm Thomas Lenorts Vater die Bäckerei von seinem Vater. 2003 ging sie in die Hände von Thomas Lenort über. Der Bäckerwagen ist seit über 50 Jahren fester Bestandteil des mittlerweile einzigen Geschäfts in Hartegasse.
Dass Lenort schon als Kind im Bäckerwagen mitgefahren ist und seine Kunden teilweise kennt, seit er denken kann, merkt man. Bei seinen Kunden in der Straße angekommen, hupt er, fährt die Klappe des Wagens hoch und stellt sich hinter die gut gefüllte Verkaufstheke. Nach und nach öffnen sich die Türen der umliegenden Häuser und die Kunden kommen. Bereits um kurz vor halb sieben erklingt die Hupe vor dem Haus von Karl-Heinz Schulte. Der 86-Jährige ist langjähriger Kunde. Besonders schätzt er die Zuverlässigkeit und die Pünktlichkeit, auf die er beim Bäckerwagen zählen kann. Dass Thomas Lenort heute sogar zehn Minuten früher dran ist als sonst, ist dem 86-Jährigen sofort aufgefallen. Auch Alexandra Burkelc, die einige Straßen weiter wohnt, schätzt den Service des Nahverkaufs. Mit einem gut gelaunten „Guten Morgen“ und einem kurzen Plausch begrüßt Thomas Lenort die 50-Jährige.
Auch der 36-jährige Weynell aus Frielingsdorf erzählt beim Brötchenholen für die Familie, dass der Besuch zum Bäckerwagen einfach dazu gehört: „Früher hat das immer meine Oma gemacht. Heute hole ich die Brötchen.“ Tatsächlich sind es seit vielen Jahren dieselben Straßen, die von den Lenorts angefahren werden. Mit der Zeit sind aber auch neue hinzugekommen. So die Dominikus-Böhm-Straße in Frielingsdorf. Als Torben Sauermann vor zwei Jahren dorthin zog, hat er mit einem Nachbarn initiiert, dass der Bäckerwagen kommt. Die Idee wird gut angenommen.
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„Ah, da ist auch schon der erste Gummibärchen-Kandidat“, freut sich Lenort, als er Torben Sauermann mit seinem dreijährigen Sohn Leo am Straßenrand entdeckt. Während der Vater die Brötchen entgegennimmt, freut sich Leo über die Süßigkeiten. Auch die einjährige Greta ist dabei. Für viele Kunden bietet der Wagen neben der Möglichkeit der Nahversorgung auch eine Gelegenheit zum nachbarschaftlichen Austausch. „Das Brot schmeckt hier einfach am besten und man sieht auch im Winter die Nachbarn mal“, sagt die 54-jährige Dagmar Müller.
Auch Thomas Lenort findet trotz der vielen Arbeit immer ein paar Minuten, um ein paar Sätze mit den Kunden auszutauschen. Lenort kennt alle Namen und erfährt in den Gesprächen oft Persönliches. „Manchmal ist es schon ein schweres Gespräch, wenn beispielsweise jemand gestorben ist, den man kannte. Das ist immer sehr traurig. Aber es gibt auch genauso viel Schönes. Der Kundenkontakt ist auch einfach ein wichtiger Grund, warum ich meine Arbeit gerne mache“, so der Bäckermeister. Er hofft darauf, dass der gute und persönliche Kontakt trotz des Fachkräftemangels bestehen bleibt.