Oberberg – Ein schwerer, süßlicher Geruch verbreitet sich im Labor, als Kristina Quambusch das Glas öffnet. Es enthält getrocknete Cannabisblüten. Quambusch arbeitet als Pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) an der Fuchs-Apotheke in Radevormwald - eine der wenigen Apotheken in Oberberg, die Cannabis für medizinische Zwecke anbieten.
Cannabis
Die Cannabis-Pflanze gehört zu den Hanfgewächsen und besitzt psychoaktive Wirkstoffe.
In Indien und China ist Cannabis als Rausch- und Heilmittel seit mehreren tausend Jahren bekannt. Cannabis hat sich seit den 1970er Jahren nach Alkohol zu der am häufigsten konsumierten Rauschdroge entwickelt. Besitz, Handel und Anbau sind in Deutschland verboten.
Seit März 2017 kann Cannabis schwerkranken Patienten als Medizin verschrieben werden.
Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Nach einer Gesetzesänderung, die im März 2017 in Kraft trat, dürfen Ärzte in Deutschland die Hanfpflanzen für medizinische Zwecke verschreiben, etwa für Patienten mit chronischen Schmerzen, mit Multipler Sklerose oder Krebs. Cannabis darf aber nur dann verschrieben werden, wenn eine schwerwiegende Krankheit vorliegt, alle Behandlungsalternativen ausgeschöpft sind und der Hanf Linderung verspricht. Der Gesetzgeber hat die Sorge, Kiffer könnten per Rezept zum Joint gelangen. Doch die hohen Hürden schrecken ab, zum Leidwesen der Patienten, die auf auf Linderung ihrer Leiden hoffen.
Cannabis muss, wie alle Betäubungsmittel, im Tresor gelagert werden. „Die Ware wird je nach Bedarf geordert“, erklärt Quambusch und nimmt die grünlich-bräunlichen Blüten genauer in Augenschein. Ist das Aussehen gut, riechen sie gleichmäßig? Maximal drei bis vier Monate sind die Blüten haltbar. Jede Lieferung muss die PTA per Chromatographie im Labor genau analysieren, um sicherzustellen dass der angegebene Gehalt der Wirkstoffe THC und CBD auch exakt stimmt und der Patient jedes Mal die gleiche Dosis erhalten kann.
Das dauert jedes Mal mehrere Stunden. Ist die Prüfung abgeschlossen, erhält der Patient die Blüten überreicht, die dann in der Regel mittels eines Verdampfers konsumiert werden. Kürzlich besuchte die Amtsapothekerin des Oberbergischen Kreises die Fuchs-Apotheke besucht, um sich über den Umgang mit Cannabis zu informieren.
Doch nicht nur die Prüfung ist aufwendig, auch bei der Beschaffung von Cannabis in Arzneimittelqualität stoßen die Apotheken auf Probleme, wie Dr. Ralph Bültmann, Inhaber der Fuchs-Apotheke, bestätigt. Je nach Krankheit und Therapie können die Ärzte unter verschiedenen Sorten auswählen – doch auf dem Markt sind längst nicht immer alle Sorten verfügbar.
Hauptanbauländer für medizinisches Cannabis sind bisher die Niederlande und Kanada. Doch Ende Juni 2018 hat die kanadische Regierung den Anbau und den Verkauf von Cannabis legalisiert. Nun befürchten die Fachleute, das künftig weniger kanadisches Cannabis in den Export gelangen könnte.
Schmerzpatienten beklagen hohe Hürden
„Wir haben alle Ärzte in Radevormwald informiert“, erklärt Bültmann, doch bis jetzt sei die Nachfrage nach Canabis eher gering. Was wohl auch daran liege, dass viele Ärzte die aufwendige Dokumentation scheuen würden.
Susanne Wüste aus Lindlar ist Vizepräsidentin der Deutschen Schmerzliga und selbst Schmerz-Patientin. Auch sie erhält Cannabis gegen ihre chronischen Schmerzen.
Die Schmerzliga, eine bundesweit tätige Selbsthilfe-Organisation vertritt nach eigenen Angaben über 3000 Mitgliedern, organisiert in über 80 regionalen Selbsthilfegruppen..
Die Liga beklagt im Umgang mit Cannabis große Verwirrung. Die Gesetzesänderung im März 2017 habe das Ziel gehabt, den Genehmigungsprozess zu beschleunigen und die Kostenübernahme durch die Krankenkassen nachvollziehbar zu regeln. Doch das sei nicht geschehen. Der Antragsaufwand sei nach wie vor zu hoch, sowohl für Patienten, als auch für Ärzte und Apotheken, die Krankenkassen würden die Anträge oft ablehnen. Die Schmerzliga setzt dagegen auf eine breit angelegte Aufklärungskampagne.