Fast nichts dabei – außer Kameras und Überzeugungsgeschick. Fünf deutsche YouTuber trampen um die Wette: Von Tanger bis in die Domstadt.
Ohne Geld von Marokko bis nach Köln
Der Countdown läuft herunter. Dann dürfen David Henrichs (alias Dave), Daniel Ngl, Jovan Uljarevic, Laurens Saggau (Birdseye), Brian Jakubowski (Das Leben des Brian) ihre Augenklappen abnehmen. Ab diesem Moment ist jeder von ihnen auf sich allein gestellt – mitten in den verwinkelten Gassen von Tanger an der Nordküste Marokkos. Ohne Smartphone, ohne Geld. Ihre Challenge: Wer zuerst in Köln ankommt, gewinnt. Eine Art moderne Schnitzeljagd, das ist das Konzept der Reality-Spielshow „The Race“, das beim Streamingsender Joyn ausgestrahlt wird.
Alle fünf Teilnehmer bringen bereits Erfahrungen im Trampen, Survival oder anderen extremen Selbstexperimenten mit. David Henrichs, auf dessen Kanal die Videos zwei Wochen nach Veröffentlichung bei Joyn zweitverwertet werden, nahm beispielsweise an der zweiten Staffel des Erfolgsformats „7 vs. Wild“ teil. Der Wahlkölner ist Co-Produzent und mit Abstand der reichweitenstärkste Teilnehmer (1,16 Millionen Youtube-Abonnenten) der Erstausgabe des neuen Formats. Bei der Besetzung der restlichen Plätze habe das Produktionsteam bewusst eher auf Creator mit einem inhaltlichen Fokus im Bereich „Action“ gesetzt, als auf eine große bestehende Community.
„The Race“: So funktioniert das neue Format
Doch im Gegensatz zu ihren gewöhnlichen Videos müssen die jungen Männer bei „The Race“ auf Spezialausrüstung weitgehend verzichten. Bei sich tragen sie lediglich einen Rucksack mit 34 Gegenständen, darunter ihren Reisepass, Kamera-Equipment, GPS-Tracker, eine analoge Landkarte, eine Wasserflasche, Grundnahrungsmittel, sowie eine Debitkarte eines Sponsors mit je 50 Euro Guthaben.
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Falls diese eingesetzt wird, verringert sich jedoch ihre potenzielle Gewinnsumme. Ihre Ausrüstung dürfen die „The Race“-Teilnehmer nicht verkaufen, tauschen oder ausleihen. Ebenso ist es ihnen verboten, anderen Menschen Versprechungen zu machen, die sie im Gegenzug nach den Dreharbeiten einlösen. Und: Sie dürfen anderen nicht erklären, dass es sich bei ihrem Rennen um ein Projekt handelt, dessen potenzielle Reichweite diese zur positiven Selbstinszenierung für sich nutzen könnten.
Hilfsbereite Fremde, schmierige Ausreden
Um möglichst schnell und sicher nach Köln zu gelangen, sind die fünf Teilnehmer also hauptsächlich auf die Hilfsbereitschaft ihrer Mitmenschen angewiesen. Und hier offenbart sich schnell ein Problem im Konzept des Formats: In den ersten beiden Folgen versuchen die YouTuber auf unterschiedlichen Wegen an ein Ticket für die Fähre zur Überfahrt von Marokko nach Spanien zu gelangen.
Mal fragen sie höflich nach Arbeit (Geld verdienen ist laut Regelwerk erlaubt), mal tauschen sie Bleistifte gegen wertvollere Gegenstände. Häufig bitten sie die Menschen vor Ort jedoch recht unverblümt und direkt um ihre Unterstützung – meist in Form von Geld. Immer wieder drücken sie dabei auch auf die Tränendrüse: Vom verlorenen Portemonnaie über das plumpe Herbeireden einer neuen Reisefreundschaft, bis zu den angeblich wartenden Bekannten auf dem europäischen Festland – die verbalen Überzeugungsversuche sind mitunter schmierig.
Von Marokko nach Köln: Reaktionen auf „The Race“
Das bleibt auch den Zuschauern nicht verborgen. Hoben diese nach der ersten Folge noch die Freundlichkeit und Selbstlosigkeit der Marokkaner hervor, mehren sich nach Folge zwei Stimmen aus der Community, die Zweifel am Vorgehen der Creator äußern. „Fünf sehr privilegierte, wohlhabende junge Leute aus Deutschland starten ein Show-Abenteuer in einem Land, in dem es etwas ärmer zugeht, und müssen dort an Geld kommen. Aber dort ärmere Leute nach Geld zu fragen, ohne einen tatsächlich hilfsbedürftigen Grund, finde ich bisschen schwierig. Und sich dann auch noch als hilfsbedürftig auszugeben, obwohl es nur dem Zweck dieser Show dient…“, schreibt ein User.
Ein Anderer hat einen Vorschlag zur Güte: „Ich fände es super, wenn ihr all das Geld, was ihr von den Leuten bekommen habt, in diesem Land (vielleicht auch mit einem Faktor multipliziert) an die Bedürftigen zurückgebt. Somit wäre für mich auch dieser Beigeschmack, dass ihr Leute ohne wirklichen Grund nach Geld fragt, wieder komplett vergessen bzw. revanchiert.“
Allerdings liefert „The Race“ auch Gegenbeispiele: So gibt Creator Daniel Ngl das überschüssige Geld für sein Fährticket, das er von Touristen in Tanger erhielt, wieder an Einheimische zurück. Jovan kocht für seine beiden „Retter“, die ihn zuerst im Auto mitnahmen und ihm anschließend ein Hotelzimmer für die Nacht spendierten. Auch in einigen kleinen Interaktionen spüren Zuschauer die ehrliche Dankbarkeit der Rennteilnehmer. Ob die Erweichungstaktik der fünf nach der Überfahrt in Europa weiterhin aufgeht und sie näher an ihren Zielort Köln bringt? Das zeigen die inzwischen acht Folgen, die bei Joyn online abrufbar sind. (dla)