Wale greifen Boote anWie Orcas in Mallorca und Spanien zum Problem werden
Madrid – Sie gehen immer auf die gleiche Weise vor: Die Meeresräuber nähern sich den Segelbooten von hinten, wo am Heck unter der Wasserlinie das Ruderblatt befestigt ist. Erst schwimmen sie ganz dicht heran und beobachten, wie sich das Ruder bewegt. Dann rammen die tonnenschweren Schwertwale das Steuerruder, verbeißen sich in das Ruderblatt, reißen oftmals sogar mit ihren Zähnen Stücke heraus.
150 Attacken bereits gemeldet
Mehr als 150 solcher mysteriösen Ruderattacken registrierte die internationale Forschergruppe „Orca iberica“ mittlerweile vor der süd- und westspanischen Atlantikküste, wo der Spuk vor einem Jahr begann. Die meisten dieser Angriffe ereigneten sich zwischen der andalusischen Hafenstadt Cádiz und der Meerenge von Gibraltar, die den Atlantik mit dem Mittelmeer verbindet. Eine fischreiche Zone, in der die Schwertwale besonders gerne Thunfischen nachstellen.
Für die betroffenen Freizeitsegler enden diese Begegnungen mit den Schwertwalen oft mit einem Notruf: „Meine Steueranlage war zerstört, und wir waren manövrierunfähig“, berichtet Diego Flores, der mit seinem Segelboot in der Nähe von Cádiz unterwegs war. Vier Orcas, wie die Meeressäugetiere nach ihrem lateinischen Namen „Orcinus orca“ auch genannt werden, hätten das Boot beschädigt.
Oft hilft nur noch der Seenotrettungsdienst
Immer öfter muss der spanische Seenotrettungsdienst ausrücken und von Schwertwalen demolierte Segelschiffe abschleppen. Allein in diesem Sommer wurden an der südspanischen Atlantikküste 69 Kollisionen mit Orcas registriert. Menschen kamen glücklicherweise dabei nicht zu Schaden.
Wegen der Häufung dieser Begegnungen hat Spaniens Seenotdienst inzwischen sogar Verhaltensempfehlungen ausgegeben: „Im Falle eines Zusammentreffens mit Orcas wird geraten, den Motor abzustellen, die Segel einzuholen und das Steuerrad nicht festzuhalten. Die Besatzungsmitglieder sollten sich nicht an der Bootsreling aufhalten.“ Zudem sollten die Kapitäne, wenn möglich, einen großen Bogen um die Meerestiere machen. Diesem Ratschlag folgen nicht alle: Täglich starten von Cádiz Ausflugsschiffe zu Walbeobachtungstouren. Einen Orca vor die Kameralinse zu bekommen, gilt als absolutes Highlight. Wenn eine Gruppe von Tieren gesichtet wird, werden manchmal alle Vorsichtsregeln über Bord geworfen.
Ist es ein Spiel oder eine Wehrhaftigkeit gegen Menschen?
Wehren sich die geschützten Meeresbewohner, die bis vor Kurzem nicht dafür bekannt waren, auf Segelboote loszugehen, nun gegen die Bedrängung durch die Menschen? Oder „spielen“ die als sehr neugierig geltenden Tiere vielleicht nur mit den Segelschiffen?
Seit Monaten analysieren Wissenschaftler der Forschergruppe „Orca iberica“ die Vorfälle, um das Rätsel zu lösen. Nach der Auswertung aller Daten haben die Forscher Parallelen gefunden: Es sind ausschließlich Segelboote betroffen. Stets sind es Jungtiere, die das Ruderblatt demolieren, während die älteren Orcas das Boot flankieren. Das erinnert an die Strategie bei der Thunfischjagd: Dabei nehmen mehrere Schwertwale die ebenfalls ziemlich großen Thunfische in die Zange, während andere versuchen, das Opfer durch Rammstöße und Bisse in die Schwanzflosse zu schwächen.
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„Es spricht immer mehr dafür, dass die Elterntiere mit ihren Jungen die Thunfischjagd trainieren“, sagt der Biologe José Carlos García-Gómez. „Dabei werden möglicherweise die Segelboote als geeignetes Übungsmaterial betrachtet.“Die Walforscher betonen, dass die Orcas eigentlich als sehr friedliche Tiere gelten. Es seien demnach bisher keine Angriffe in Freiheit lebender Orcas auf Menschen dokumentiert worden.