Alle paar Minuten erschüttern Erdstöße die Mittelmeerinsel. Seismologen beobachten das Phänomen mit Sorge.
„Nie so ein Phänomen registriert“Panik auf Santorini – Tausende fliehen aus Angst vor Erdbeben und Tsunamis
Den zwölften Tag in Folge bebt die Erde nordöstlich der Ägäis-Insel Santorini unablässig. Tausende Menschen haben das griechische Eiland mit seinen rund 16.000 Einwohnern bereits verlassen. Seismologen rätseln über das Phänomen und fürchten, ein schweres Hauptbeben könne folgen. Auch vor Vulkanausbrüchen und Tsunamis warnen die Experten. Die Vorkehrungen beim Katastrophenschutz laufen auf Hochtouren.
Allein am vergangenen Wochenende wurde die Insel von mehr als 200 Beben erschüttert – die meisten der Beben ereigneten sich in den Gewässern zwischen Santorin und Amorgos, der östlichsten Insel der Kykladen. Die zahlreichen nächtlichen Erdbeben zwangen die Bewohner der Insel dazu, die Nacht im Freien oder in ihren Autos zu verbringen, berichtete die britische Zeitung „The Guardian“.
Flucht von Santorini: Griechen und Touristen verlassen Urlaubsinsel
Der Ansturm auf die Fähr- und Flugtickets auf Santorini war und bleibt groß. Fluglinien haben Sonderflüge eingerichtet, auch zusätzliche Fähren sollen fahren. „Ich habe seit Tagen nicht geschlafen, die Kinder und die Frauen weinen, es bebt alle fünf Minuten“, sagte ein Mann, der einen Platz auf der Fähre Blue Star 1 nach Athen ergattert hatte, zu Journalisten.
Fernsehbilder zeigten vollgepackte Autos fliehender Menschen. „Ich fühle mich wie ein Flüchtling im eigenen Land“, klagte eine Frau. Die Fähre mit 1.600 Plätzen war voll belegt. „Ich habe die ganze Nacht geweint, weil ich große Angst hatte und nicht wusste, was ich tun sollte“, zitierte die griechische Tageszeitung „Protothema“ einen mexikanischen Touristen, der die beliebte Urlaubsinsel für zwei Tage Santorini besucht hatte.
„Wie kann man ruhig bleiben, wenn der Boden immer wieder bebt?“
„Wir hatten das Gefühl, dass der Boden überhaupt nicht stabil war“, sagte der Mann demnach. „Wir sagten alle, wir sollten ruhig bleiben, aber wie kann man ruhig bleiben, wenn der Boden immer wieder bebt?“
Die Bewohner Santorinis, die Erdbeben durchaus gewöhnt sind, haben so etwas noch nie erlebt – und die Seismologen und Geologen auch nicht. Die Erdbebenserie bereitet ihnen Kopfzerbrechen. „Noch nie haben wir ein Phänomen so vieler Erdbeben binnen so kurzer Zeit registriert“, sagte Geologie-Professorin Evi Nomikou dem Nachrichtensender Skai.
Santorini: Flüge aufs Festland „in Sekunden“ ausverkauft
Die griechische Fluggesellschaft Aegean Airlines kündigte unterdessen an, die Zahl ihrer Flüge von Athen nach Santorin in den nächsten zwei Tagen zu verdoppeln. Die neuen Flüge seien „innerhalb von Sekunden“ ausverkauft gewesen, berichtete der „Guardian“ unter Bezug auf die Angaben von Reisebüros.
„Wir beobachten die Situation sehr genau und werden nach Gesprächen mit dem Ministerium für Zivilschutz entsprechend handeln“, sagte ein Sprecher der Fluggesellschaft dem Guardian. Auch die Fährgesellschaften kündigten an, sie würden zusätzliche Dienste anbieten, da die Nachfrage nach Passagiertickets für Boote stark zugenommen habe.
Santorini: Gefahr durch Vulkan – Seismologen hoffen auf Entspannung
Sorgen bereitet den Wissenschaftlern auch, dass durch die andauernden Beben der große Vulkan Kolumbos aktiviert werden könnte, der nordöstlich der Insel unter Wasser liegt. Er hatte im Jahr 1650 bei einer gewaltigen Eruption schwere Schäden im gesamten östlichen Mittelmeer angerichtet.
Dazu kommt die Angst vor einem schweren Hauptbeben der Stärke 6 oder mehr. 1956 hatten zwei Beben der Stärke 7,7 und 7,2 in der Region Dutzende Menschen das Leben gekostet, Tsunamis verursacht und großen Schaden angerichtet. Manche alten Inselbewohner erinnern sich noch daran.
Der Chef der griechischen Behörde für Erdbebenschutz, Efthymios Lekkas, glaubt nicht, dass es zur Katastrophe kommt. Der Geologe hofft, dass sich die aufgestaute seismische Energie mit einem Erdbeben der Stärke 5 bis 5,5 entladen und danach langsam Ruhe in der Region eintreten könnte, wie er dem Sender ERTnews sagte. Allerdings verweisen Lekkas und all seine Kollegen auch stets darauf, dass man letztlich keine sicheren Prognosen abgeben könne. (das/dpa)