Neuseelands Handyverbot in Schulen wird ein Jahr nach Einführung unterschiedlich bewertet. Schüler erleben sowohl Vor- als auch Nachteile. Einige zeigen sich dankbar, einige vermissen Fairness.
Gemischte GefühleNeuseeland zieht Bilanz nach einem Jahr Handyverbot

Seit einem Jahr sind Smartphones während der Schulzeit tabu.
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Vor einem Jahr hat Neuseeland Smartphones an Schulen verboten – mit dem Ziel, bessere Lernbedingungen für Kinder zu schaffen und die schulischen Leistungen zu verbessern. Premierminister Christopher Luxon erklärte damals, es sei an der Zeit, Ablenkungen zu reduzieren, damit Kinder lernen und Erfolge erzielen könnten. „Akademische Erfolge sind etwas, das man feiern sollte, und ich möchte, dass es in unserem Bildungssystem künftig mehr davon gibt“, schrieb er auf der Plattform X über das Verbot.
Neuseeland ist mit dieser Maßnahme nicht allein. Auch im benachbarten Australien sind Smartphones in der Schule in einigen Bundesstaaten verboten. Hier wurde sogar ein generelles Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige verabschiedet.
Gemischte Gefühle bei den Schülern
Neuseeland hat nach zwölf Monaten generellem Handyverbot nun Bilanz gezogen. Ein Forscherteam der University of Canterbury untersuchte, wie das Handyverbot in den Schulen umgesetzt wurde und wie Schülerinnen und Schüler darauf reagierten. Befragt wurden 77 Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren aus 25 Schulen. Da es sich um eine relativ kleine Stichprobe handelt, sind die Ergebnisse eher als erste Tendenz zu sehen und nicht als allgemeingültig.
Viele Schüler reagierten mit gemischten Gefühlen auf die Verbote, wie die Akademiker in einer Zusammenfassung ihrer Studienergebnisse schrieben. Einige gaben zu, dass die Verbote dazu beitrugen, Ablenkungen zu reduzieren und ihnen eine Pause von der Handynutzung zu ermöglichen. Ein Schüler erklärte, ohne das Verbot würden sie „den ganzen Tag, den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht am Handy verbringen“.
Andere Schüler berichteten jedoch, dass das Verbot neue Probleme geschaffen habe. Erstens fühlten sich einige Schüler gestresst und ängstlich, wenn sie ihre Eltern tagsüber nicht erreichen konnten. Zweitens waren die Regeln nicht immer klar oder fair. Manche Lehrer seien streng, andere nicht. Und manchmal benutzten Lehrer ihre Handys im Unterricht. Diese Doppelmoral führte in einigen Fällen dazu, dass Schüler ihre Handys heimlich benutzten oder kreative Umgehungsmethoden entwickelten – etwa durch den Einsatz von Walkie-Talkies, wie es an einer Schule in Auckland beobachtet wurde.
Fehlende Mitsprache der Schüler
Viele Jugendliche kritisierten, dass das Verbot ohne ihre Beteiligung eingeführt wurde. Sie hatten das Gefühl, dass Erwachsene über ihre Köpfe hinweg entschieden, ohne ihre Perspektive zu berücksichtigen. Gleichzeitig wiesen viele darauf hin, dass andere Technologien wie Laptops im Unterricht weiterhin erlaubt sind – was die Sinnhaftigkeit des Verbots infrage stellt. Viele Schüler wünschten sich eine flexiblere Regelung: Statt eines Verbots könnten Smartphones in den Pausen oder während der Mittagspause erlaubt sein. Zudem sollten Erwachsene selbst gesunde digitale Gewohnheiten vorleben und nicht nur Regeln festlegen.
Anhand der Antworten der Schüler kamen die Forschenden zu dem Schluss, dass es tatsächlich hilfreicher zu sein scheint, den gesunden Umgang mit Handys zu lernen und zu lehren, als sie gänzlich zu verbieten. Auch Ergebnisse des Digital Wellness Lab am Boston Childrens Hospital in den USA würden diesen ausgewogenen Ansatz unterstützen, schrieben die Wissenschaftler. Damit dieser jedoch funktioniert, bräuchten auch Erwachsene Unterstützung in Form von Schulungen und Ressourcen.
Ob das Verbot tatsächlich zu besseren schulischen Leistungen geführt hat, bleibt unklar. Bislang gibt es keine groß angelegte Studie, die nachweist, dass das Verbot direkte Auswirkungen auf die Noten hatte. Eine kürzlich im Magazin „The Lancet“ veröffentlichte britische Studie mit über 1200 Schülern konnte keinen signifikanten Einfluss auf schulische Leistungen oder Wohlbefinden finden, egal ob Schulen strikte Handyverbote verhängt hatten oder nicht.