Handy-Detox per Schulordnung - das könnte bis zum Herbst in vielen Kölner Schulen kommen. Wir haben uns umgehört, was das bedeuten würde.
Handy-Verbot ab HerbstSo gehen Kölner Schulen bislang mit Smartphones um

Bis zum Herbst sollen alle Schulen in Nordrhein-Westfalen altersgerechte Regeln für die Handy-Nutzung verbindlich in ihre Schulordnung aufnehmen.
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Schulministerin Dorothee Feller hat die weiterführenden Schulen in NRW aufgefordert, bis zu den Herbstferien ein Konzept zum Umgang mit Handys in der Schule aufzustellen. Die rund 100 weiterführenden Schulen in Köln sind in der Pflicht. Doch bei einer ganzen Reihe von ihnen bedurfte es nicht der Aufforderung aus Düsseldorf, um tätig zu werden. Viele haben sich bereits Gedanken gemacht. In der Kaiserin-Augusta-Schule (KAS) hat eine Arbeitsgruppe rund ein Jahr lang nach einer einvernehmlichen Lösung zum Umgang mit dem Handy gesucht. Das Ergebnis: Ab dem 5. Mai tritt eine neue Regelung in Kraft: Smartphones und Smartwatches sind generell in der Schule tabu. Die Ausnahme bilden zwei Räume für die Oberstufe.
Zuvor gab es eine komplexe Regelung: Die Jahrgangsstufen 5 und 6 durften gar keine Handys benutzen, ab der 7. Klasse war die Nutzung in der Mittagspause gestattet, die Oberstufe durfte frei entscheiden. „Die Umsetzung der Regel war anstrengend und konfliktbeladen“, sagt der stellvertretende Schulleiter David Neumann. Nicht immer ist es für die Lehrkräfte leicht, zu erkennen, in welchem Jahrgang ein Schüler ist. Und nicht nur das. „Wenn wir Schülern das Handy weggenommen haben, war das für manche fast so schlimm als hätte man ein Körperteil abgetrennt“, sagt Deutschlehrerin Judith Schulz.
Handy-Regelung mit Akzeptanz gesucht
Sie war zusammen mit Neumann, weiteren Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen und Schülern in der Arbeitsgruppe „Digitale-Kommunikation-Handy“. Wichtig war es bei der Diskussion, eine Lösung zu finden, die auf Akzeptanz stoße, praktikabel sei, verschiedene Bedürfnisse im Blick und eine positive Botschaft habe. Dazu stellte sich die Arbeitsgruppe die Frage: „Welche Welt wollen wir eigentlich an der KAS?“ Die Antwort fasst Nelly (15) zusammen: „Wir wollen ein besseres Miteinander und dass wir direkt miteinander kommunizieren.“ Statt in den Pausen in Gruppen am Handy zu hängen, soll wieder mehr miteinander gesprochen und gespielt werden.
In zwei Klassen in der Mittelstufe werden an der KAS nun zudem verschließbare Handy-Taschen ausprobiert. Die Schülerinnen und Schüler können dort ihr Smartphone morgens verstauen und die Tasche zum Schulschluss mittels eines Magneten wieder entriegeln. „Wir hatten Kontakt mit einer Schule in Dresden, die damit bereits Erfahrung hat“, sagt Neumann. Zunächst soll die neue Handy-Regelung in der KAS als Pilotprojekt laufen, bei dem Erfahrungen gesammelt werden. Schulz jedenfalls ist zuversichtlich: „Ich glaube, es ist für die Jugendlichen eine Erleichterung von den Handys befreit zu sein.“
Grund zur Zuversicht gibt es durchaus. Die Johann-Gutenberg-Realschule in Godorf praktiziert bereits seit gut einem Jahr ein striktes Handyverbot. Alle Schülerinnen und Schüler deponieren morgens ihre Geräte in einer Art Handy-Garage, erst zum Schulschluss erhalten sie sie zurück. Schulleiter Andreas Koch zieht eine positive Bilanz.„ Seit dem Handy-Verbot sind die negativen Aspekte der Smartphones kein Thema mehr“, sagt er. Gemeint sind Ablenkung im Unterricht, aber auch Cyber-Mobbing.
„Die Schülerinnen und Schüler bewegen sich mehr, Spiele-AGs haben einen enormen Stellenwert bekommen“, resümiert Koch. Tischtennis, Rundlauf, Kickern, aber auch Schach, Brettspiele und Kartenspiele sind in den Pausen an die Stelle des Dattelns, Chattens und Checkens am Handy getreten. „Uno hat einen Höhenflug bekommen“, stellt Schulleiter Koch fest und fügt hinzu:„ Man darf nicht nur verbieten, sondern muss auch Alternativen bieten. “
Handy-Rückgabe mit Aufwand verboten
Einziger Wermutstropfen beim Handy-Verbot an der Godorfer Realschule: Für die Lehrkräfte ist es durchaus mit Aufwand verbunden, dafür zu sorgen, dass die Handy-Rückgabe stets funktioniert. „Deshalb liebäugeln wir mit Handy-Taschen“, sagt Koch. Zehn bis 15 Euro kostet die Anschaffung einer solchen Tasche.
Am Deutzer Gymnasium Schauertestraße ist es bereits beschlossene Sache, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Smartphones ab dem kommenden Schuljahr in einer Handytasche deaktivieren. Die Schule gehört zu den Pionieren des Ansatzes. Dasselbe soll für die Fünftklässler gelten, die im Sommer am neuen Gymnasium Neustart-Nord starten. „Als Neugründung haben wir die besondere Chance, von Anfang an klare Rahmenbedingungen zu setzen. Wir haben uns bewusst für eine smartphonefreie Schule entschieden“, sagt der designierte Schulleiter Volker Einecke.

Handy-Taschen
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Der Vorteil bei der Neugründung aus seiner Sicht: „Wir müssen keine gewachsenen Strukturen aufbrechen, sondern schaffen gemeinsam mit Eltern, Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften von Beginn an eine Kultur des Lernens ohne permanente digitale Ablenkung.“ Einecke betont, dass die Maßnahme keinen Rückschritt in der Digitalisierung bedeute. Im Gegenteil: „Sie schafft Raum für Konzentration, soziales Miteinander und echte Medienkompetenz.“
Viele Eltern begrüßen Handy-Verbot
Einecke berichtet ebenso wie KAS-Lehrerin Schultz, dass viele Eltern ein Handy-Verbot an der Schule begrüßten. Doch auch wenn ein Verbot von Handys in Schulen in Köln im Trend zu sein scheint, gibt es auch andere Positionen. Georg Scheferhoff, Direktor des Sülzer Schillergymnasiums, steht einem Verbot skeptisch gegenüber. „Wir versuchen, Eltern in die Verantwortung zu nehmen und an die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler zu appellieren“, sagt Scheferhoff. Bei einem digitalen Elternabend im Mai soll zu Medienkonsum informiert werden.
Derzeit gilt am Schiller für Handys: Nicht sichtbar, nicht hörbar. Obwohl Scheferhoff die bestehende umfangreiche Handy-Regelung an seiner Schule für streng und ausreichend hält, will er die Handreichung aus dem Schulministerium nutzen, um die Diskussion über die Handy-Regeln zu schärfen. Sollte aus der Schulgemeinschaft der Wunsch nach einem Verbot laut werden, werde auch das diskutiert. Schülerinnen und Schüler haben allerdings schon signalisiert, dass sie kein generelles Verbot wollen.
Gefahr durch zu viel Handynutzung
Der Bestseller des US-Psychologen Jonathan Haidt, der Anfang 2024 auf Deutsch unter dem Titel „Generation Angst“ erschien, beflügelte die Diskussion über ein Handyverbot. Haidt stellte dar, wie die intensive Nutzung des Smartphones auf das Gehirn und die Psyche von Heranwachsenden wirkt. Der Untertitel des Buches sagt bereits alles. Er lautet: „Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen“.
Dass Social Media fester Bestandteil im Leben von Jugendlichen ist, bestätigen zahlreiche Studien. Die JIM-Studie 2023 kam zum Schluss, dass Jugendliche durchschnittlich täglich 224 Minuten, also annähernd vier Stunden, online sind. Nachrichten schreiben und beantworten, TikTok, Instagram und andere Kanäle checken und dort posten, Filme streamen, Spiele zocken – all das verschlingt Zeit.
Handyverbote an Schulen gibt es unter anderem in Frankreich, den Niederlanden, Australien und Österreich. In Hessen sind sie ab dem kommenden Schuljahr grundsätzlich verboten.