- Der Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca kommt nicht aus den Schlagzeilen.
- Nach Berichten über sechs Fälle möglicher schwerer Nebenwirkungen in Dänemark und Norwegen haben nun auch Deutschland und die Niederlande Impfungen mit dem Mittel vorsichtshalber ausgesetzt.
- Ist das die richtige Entscheidung?
Köln – Die Berichte über mehrere Fälle schwerer Blutgerinnsel nach Verabreichung des Astrazeneca-Impfstoffs sorgen europaweit für Unruhe. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA erklärte allerdings, dass es keine auffällige Häufung von Thrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gebe und dass der Nutzen des Mittels größer sei als die Risiken. Der Pharmakonzern selbst wies nach einer Analyse von Impfdaten erneut Zweifel an der Sicherheit seines Corona-Impfstoffes zurück.
Wie wirksam ist der Impfstoff von Astrazeneca?
Der Covid-19-Impfstoff (AZD1222) wies laut Hersteller 14 Tage nach der zweiten Dosis eine Wirksamkeit von etwa 70 Prozent auf. In einer neuen Studie erreichte der Impfstoff nach der zweiten Impfung bis zu 82 Prozent, wenn zwischen der Verabreichung ersten und zweiten Dosis ein deutlich größerer Abstand von zwölf oder mehr Wochen liegt. Eine Studie der Universität Edinburgh zeigte, dass vier Wochen nach der ersten Impfung gegen Covid-19 das Risiko schwerer Verläufe mit Einweisung ins Krankenhaus um 94 Prozent bei den Geimpften zurückgeht. Bei über 80-Jährigen sind es demnach durchschnittlich 81 Prozent.
Infektiologe: „Mehr Zufall als Ursache“
Kritik an der Astrazeneca-Impfpause von Dänemark, Norwegen und Island übt unter anderem der Chefarzt der Infektiologie an der Münchener Klinik Schwabing, Clemens Wendtner. Er beklagt einen erneuten empfindlichen Schaden in der Öffentlichkeit für das Image des Präparats und das Vertrauen in die Impfkampagne. Für ihn gibt es derzeit „auf einer wissenschaftlichen Faktenbasis keinen stichhaltigen Grund, an der Sicherheit des Impfstoffes AZD1222 zu zweifeln“. Nach jetzigem Kenntnisstand geht er davon aus, „dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und den Thrombose-Fällen gibt“. In Deutschland gehören Thrombosen jährlich zu den häufigsten Todesursachen. „Statt von einer Kausalität ist eher von einer Koinzidenz auszugehen, also mehr Zufall als Ursache“, meint Wendtner. (es)
Die EMA, die das Mittel in der EU am 29. Januar für alle Menschen ab 18 Jahren zugelassen hat, hatte laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Wirksamkeit mit 60 Prozent beschrieben. Dies bedeute nicht 60-prozentigen Schutz des Geimpften, so das PEI – die Zahl sage aus, dass 60 Prozent der Covid-19-Fälle verhindert werden, die ohne Impfung auftreten würden. Die Wahrscheinlichkeit zu erkranken sinkt also um den ermittelten Prozentsatz. Ein Missverständnis, das von Anfang die Akzeptanz des Vakzins erschwerte und dem Mittel bis heute nachhängt. Denn viele verglichen so fälscherweise die Abmilderung einer Erkrankung mit der Erkrankung eines Nicht-Geimpften. Hinzu kommt, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) erst am 4. März in Deutschland das Mittel auch für über 64-Jährige zugelassen hat, mit Verweis auf neue Studiendaten.
Wie funktioniert der Astrazeneca-Impfstoff?
Bei dem Mittel handelt es um einen vektorbasierten Impfstoff. Als Träger- oder Vektorviren dienen Adenoviren, die bei Schimpansen Erkältungen auslösen. Für Menschen sind sie harmlos, denn die modifizierten Viren vermehren sich im Körper nicht und können somit keine Erkrankung auslösen, erklärt das Robert-Koch-Institut (RKI).
Das Impfvirus enthält das genetische Material des Spikeproteins, mit dem sich der Erreger Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. Mit der Impfung wird so der Bauplan für das Oberflächenprotein des Coronavirus in einige wenige Körperzellen eingeschleust. Mit dieser Information stellen die Zellen das Spikeprotein her, das das Immunsystem als fremd erkennt. Als Reaktion darauf bildet es laut RKI „Antikörper und T-Zellen, die im Idealfall vor einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 schützen“. Demnach wurde bei einer natürlichen Infektion mit Adenoviren bisher keine genetische Veränderung menschlicher Zellen beobachtet.
Ein Vorteil, der das Astrazeneca-Vakzin früh zum Hoffnungsträger für Impfungen in Hausarztpraxen machte: Der Impfstoff kann bei Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad Celsius transportiert und gelagert werden.
Welche Impfreaktionen sind bislang bekannt?
Dem RKI zufolge gehörten zu den häufigsten beobachteten Impfreaktionen, die in der Regel kurz nach der Impfung auftreten und wenige Tage anhalten, bislang Schmerzen an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gelenkschmerzen, Schüttelfrost sowie Fieber. Auch von Übelkeit wird berichtet. Laut Hersteller fallen die Impfreaktionen nach der zweiten Impfung geringer aus.
Schützt der Impfstoff auch vor Varianten des Virus?
Der Astrazeneca-Impfstoff soll ähnlich gut vor der britischen B.1.1.7-Mutante wie vor dem ursprünglichen Virus schützen. Ob er auch gegen die südafrikanische Variante B.1.3.5.1 wirkt, daran gibt es aber derzeit Zweifel. Eine bisher nicht begutachtete Studie mit nur 2000 Menschen ermittelte hier nur einen „minimalen Schutz“ gegen leichte oder mittelschwere Covid-19-Verläufe.
Was ist mit den Fällen von Blutgerinnseln nach der Impfung?
Astrazeneca teilte am Wochenende mit, eine sorgfältige Analyse von Impfdaten habe keine Belege für ein höheres Risiko für Lungenembolien, tiefe Venenthrombosen und Thrombozytopenie geliefert. Dänemark und andere Länder hatten Impfungen mit dem Stoff temporär ausgesetzt. Als Grund wurden Berichte über einen Todesfall und schwere Erkrankungen durch Blutgerinnsel nach der Impfung genannt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Dabei war aber auch betont worden, dass man einen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und den Blutgerinnseln noch nicht feststellen könne. Nach Angaben der EMA sind bisher 30 Thrombose-Fälle bei knapp fünf Millionen geimpften Personen im europäischen Wirtschaftsraum gemeldet worden. Dies stelle aber keine Häufung gegenüber dem Vorkommen in der Gesamtbevölkerung dar.Laut PEI wurden in Deutschland bisher elf unterschiedliche Fälle von Thrombosen bei etwa 1,2 Millionen Impfungen gemeldet. Vier Menschen seien gestorben. Das PEI sieht derzeit ebenfalls keinen Hinweis darauf, dass die Astrazeneca-Impfung diese Erkrankungen verursacht habe. Die aufgetretenen Fälle würden aber in enger Zusammenarbeit mit der EMA weiter untersucht.
Welche seltenen Nebenwirkungen sind bislang aufgetreten?
Allergische Reaktionen nach der Impfung mit dem Astrazeneca-Vakzin hält die Europäische Arzneimittelagentur im Gegensatz zu den Thrombose-Fällen zumindest in einigen Fällen für möglich. So habe es unter fünf Millionen Geimpften in Großbritannien 41 Meldungen solcher Fälle gegeben, so die EMA. Aus diesem Grund wird Anaphylaxie sowie Überempfindlichkeitsreaktionen in die Liste der möglichen Nebenwirkungen des Vakzins aufgenommen.
Wie viele Dosen Astrazeneca-Impfstoff wurden bisher geliefert?
Der schwedisch-britische Hersteller hat laut Bundesgesundheitsministerium und RKI bislang über 3 Millionen Dosen geliefert (Stand 13. März). Davon sind laut PEI bisher etwa 1,2 Millionen Dosen in Deutschland verimpft worden. Für Ärger zwischen der EU und dem Hersteller sorgen immer wieder die Lieferengpässe: Vor wenigen Tagen hat Astrazeneca angekündigt, statt der zuletzt anvisierten 220 Millionen Dosen nur noch 100 Millionen bis zur Jahresmitte an die EU-Staaten zu liefern. Das hatte bereits Einfluss auf die Vergabe weiterer Impftermine in einigen Bundesländern.