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Mieze und das KlimaSo bedenklich ist die Ökobilanz unserer Haustiere

Lesezeit 4 Minuten
Katze im Korb

Katzen sind die Spitzenreiter bei den Haustierhaltern. 

Schaffhausen – Alle reden bei Maßnahmen gegen den Klimawandel von weniger fliegen, weniger Fleisch essen und weniger Auto fahren. Oft verkannt wird, dass auch Hund und Katze bei der Ökobilanz ihrer Frauchen und Herrchen zu Buche schlagen. Ein größerer Hund kann wissenschaftlichen Modellrechnungen zufolge schon die Hälfte der CO2-Emissionen ausmachen, die jeder Mensch nur verursachen dürfte, um nicht zum weiteren Klimawandel beizutragen.

TU Berlin berechnet die Ökobilanz verschiedener Hunderassen

„Wenn jemand zur Demonstration für mehr Klimaschutz mit einer 50-Kilo-Dogge geht und dann den Stopp von Kurzstreckenflügen verlangt, ist das eine Doppelmoral“, sagt Matthias Finkbeiner, Leiter des Instituts für technischen Umweltschutz der TU Berlin. Die Berliner Wissenschaftler haben die Ökobilanz 2020 für verschieden große Hunde berechnet. Sie haben die Herkunft und Herstellung des Futters sowie Verpackung und Transporte einbezogen, aber auch die Umweltfolgen durch Urin und Kot und die damit verbundene Straßenreinigung.

Das Ergebnis: Ein 30 Kilogramm schwerer Hund verursacht nach den Berliner Berechnungen in 18 Jahren rund 19 Tonnen CO2. Das entspricht pro Jahr rund 1050 Kilogramm, also gut eine Tonne CO2. Eine Tonne CO2-Ausstoß entspricht nach dem Rechner der Stiftung myclimate etwa einem Economy-Rückflug von Frankfurt nach Las Palmas auf den Kanarischen Inseln (1,1 Tonnen). Bei größeren Hunden wie Bernhardiner oder Dogge ist der CO2-Ausstoß größer, bei kleineren wie Mops oder Malteser kleiner.

Ökobilanz für Haustiere von Pferd bis Zierfisch berechnet

Rechnerisch dürfte jeder Erdenbewohner nur zwei Tonnen (2000 Kilogramm) CO2 im Jahr ausstoßen, um das Klima nicht weiter zu belasten, denn das ist nach Angaben des Weltklimarats (IPCC) die Kapazität, die die Erde natürlich absorbieren kann. In Deutschland sind es zurzeit deutlich mehr: Pro Person lag der Wert laut Bundesumweltministerium 2019 bei rund 8500 Kilogramm.

Das Ökobilanz-Institut ESU-Services in Schaffhausen in der Schweiz hat 2019 die Ökobilanz für Haustiere von Pferd bis Zierfisch berechnet. Die Methodik war anders, das Institut hat etwa Autofahrten in den Wald für Spaziergänge mit dem Hund oder den Wärmeverlust durch eine Katzenklappe einbezogen. Es kommt zu dem Schluss: Die Haltung eines 29-Kilo-Hundes – etwa ein Labrador – über ein Jahr entspricht etwa den CO2-Emissionen einer Autofahrdistanz über 2828 Kilometern. Die Haltung einer 4,2 Kilogramm schweren Katze entspricht etwa den CO2-Emissionen einer Autofahrdistanz von 1164 Kilometern.

Das Thema sei lange vernachlässigt worden, sagt Michael Bilharz vom Umweltbundesamt. Es scheiterte unter anderem an fehlenden Daten über die Umweltbelastung durch Haustiere. So habe es zwölf Jahre gedauert, bis Haustiere vor gut einem Jahr in den beliebten CO2-Rechner auf der Webseite des Amtes aufgenommen wurden.

Viele Haustierhalter reagiere nicht erfreut

Wer das Thema anpackt, muss mit Anfeindungen rechnen, sagen alle. Bei vielen Menschen steige angesichts solcher Berechnungen gleich der Blutdruck. „Geht’s noch? Sollen wir Pferde, Hunde und Katzen alle sofort einschläfern lassen?“, heißt es im Kommentar unter einem Beitrag zum Thema. Die Wissenschaftler betonen: Es gehe nicht darum, Tierhalter an den Pranger zu stellen. „Wir müssen uns aber klar darüber sein: Jedes Hobby verursacht Umweltbelastung“, sagt ESU-Services-Gründer Niels Jungbluth. „Der eine geht Skifahren, der andere Golfen, der dritte hat ein Pferd, einen Hund oder eine Katze.“ Bilharz sagt: „Wer vegan lebt, kann seine Bilanz zwar um 800 bis 1000 Kilogramm CO2 im Jahr verbessern. Wenn man gleichzeitig aber einen Labrador oder Retriever hat, ist diese Einsparung wieder weg.“

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Tierbesitzer führen oft an, dass Haustiere ihnen guttun, das müsse berücksichtigt werden. So seien Leute mit Hunden mehr an der frischen Luft unterwegs, und sie flögen weniger. Kinder lernten, Verantwortung für Lebewesen zu tragen, Katzen könnten bei Depressionen und anderen psychischen Krankheiten helfen. „Wir stellen den Nutzen überhaupt nicht in Abrede“, sagt Finkbeiner. „Aber in einer Ökobilanz hat so eine Abwägung nichts zu suchen. Es gibt ja auch bei ,bösen Produkten’ durchaus einen Nutzen: Der eine steigert sein Wohlbefinden durch einen Hund, der andere durch einen Porsche.“

Es gibt viele Stellschrauben, um die Ökobilanz bei Haustieren zu verbessern. Den größten Teil der Klimawirkung hat den Berechnungen zufolge das Futter. „Es ist theoretisch möglich, erwachsene und gesunde Hunde auf rein pflanzlicher Basis zu ernähren“, sagt Volker Wilke von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. „Um die Ökobilanz zu verbessern, muss es aber gar nicht um die Grundsatzfrage Fleisch ja oder nein gehen.“ Mehr Trocken- statt Nassfutter mache auch schon einen Unterschied. Besser werde die Bilanz auch durch das Füttern von Fleisch und Nebenprodukten, die der Mensch nicht isst. (dpa)