Mal Metzger, mal ObsthändlerMit diesen Maschen schlagen Corona-Betrüger zu
- Zu Beginn der Pandemie brauchten wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen schnelle Hilfe.
- Sie kam – und mit ihr Betrüger, die die Notsituation anderer ausnutzten.
- Mittlerweile laufen deutschlandweit rund 25.000 Verfahren.
Als im Frühjahr 2020 die ersten Corona-Soforthilfen auf den Weg gebracht wurden, sollte es vor allem schnell gehen. Das unkomplizierte Vorgehen lockte auch Betrüger an. Ein Überblick.
Wie viele Betrugsverfahren gibt es?
Zum Thema kursieren viele Zahlen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. NRW-Justizminister Peter Biesenbach sprach in der vergangenen Woche im Landtag von fast 7000 Strafverfahren in Nordrhein-Westfalen wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Corona-Hilfen. In der polizeilichen Kriminalstatistik des Landeskriminalamtes (LKA) sind 2020 2965 Fälle mit einem Schadensvolumen von 30 Millionen Euro verzeichnet. „Viel aufschlussreicher ist dagegen der Blick in die Kriminalstatistik des Vorjahres“, sagt ein Sprecher des LKA. 2019 gab es 18 dieser Fälle.
Den größten Teil der Fälle bearbeitet die Kölner Staatsanwaltschaft. Dort laufen derzeit rund 1250 Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Corona-Subventionsbetrüger. Erste Erfolge gab bereits. Bisher habe es rund100 Anklagen durch die Staatsanwaltschaft Köln gegeben. In rund 250 Verfahren beantragte das Amtsgericht Strafbefehle. In rund 350 Fällen wurden die Verfahren mangels Tatverdachts oder wegen geringer Schuld eingestellt. Deutschlandweit laufen in den Staatsanwaltschaften insgesamt mehr als 25000 Verfahren. Das ergab eine Umfrage des Deutschen Richterbundes.
Wie ist die hohe Zahl der Betrugsverfahren zu bewerten?
Die Zahlen zu den Betrugsfällen müssen auch in Relation zu den Antragszahlen gesetzt werden, die laut Landeswirtschaftsministerium „einzigartig hoch“ waren. Die NRW-Soforthilfe 2020 ist mit rund 430000 Empfängern und ausgezahlten Zuschüssen in Höhe von mehr als 4,5 Milliarden Euro das größte Hilfsprogramm in der Landesgeschichte. Das Ministerium verweist zudem darauf, dass viele der derzeit laufenden Strafverfahren eingestellt würden. Oft handele ist sich bei den genannten Schadenssummen außerdem um beantragte, nicht um ausgezahlte Summen.
Ging im Frühjahr 2020 Geschwindigkeit vor Sicherheit?
In vielen Fällen tat die Corona-Soforthilfe genau das, was sie sollte: sofort helfen. Unkompliziert und unbürokratisch. Um Betrüger zu entdecken und falsche Anträge zu filtern, griffen die fünf Bezirksregierungen als Bewilligungsbehörden auf ein Prüfkonzept zurück. „Dabei waren Sicherheit und Geschwindigkeit gleichermaßen wichtig“, teilt das Wirtschaftsministerium mit. „Nach aktuellen Kenntnissen ist ein im Verhältnis zu den hohen Antragszahlen geringer Schaden entstanden, der im Rahmen der üblichen Betrugsfälle liegt. Das zeigt, dass das Prüfkonzept funktionierte.“
Wer sind die bislang bekannten Täter?
Ein klassisches Täterprofil gibt es nicht. Um das genau zu untersuchen, sei es laut Staatsanwaltschaft zu früh . Viele Täter seien einfach in Geldnot und hätten mehrfach finanzielle Hilfen beantragt. Manchmal unter gleichem Namen, in anderen Fällen mit einer oder gleich mehreren Scheinidentitäten. Andere gehen deutlich strukturierter vor, erstellten sich beispielsweise Homepages für nicht existente Unternehmen und beantragten Hilfen für diese. In einem Fall trieb ein Mann aus Grevenbroich als Drahtzieher Unternehmen gezielt in den Ruin, um damit später Corona-Hilfen abzuschöpfen.
Welche Strafe droht Betrügern?
Täter müssen mit einer Strafverfolgung wegen Subventionsbetrugs rechnen. Das gilt für Fälle, in denen „vorsätzlich oder leichtfertig falsche oder unvollständige Angaben“ gemacht worden sind oder wenn Änderungen in den Angaben nicht mitgeteilt wurden. Auf die drohende Strafverfolgung wird der Antragsteller explizit hingewiesen. In Köln erhielt etwa ein 27-Jähriger eine einjährige Freiheitsstrafe. Er hatte die staatliche Hilfe für ein nicht existentes Antiquariat beantragt und bewilligt bekommen.
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Weil das so reibungslos funktionierte, beantragte er sechs weitere Male Hilfen. Doch die Kontrollmechanismen überführten den Täter. „Das ist, als wenn man in der Kirche in das Kollekte-Körbchen greift“, hieß es damals im Gerichtssaal.
In einem der deutschlandweit größten Fälle hatte ein 31-Jähriger sich mit Scheinnamen unter anderem als Metzger, Supermarktbetreiber, Obsthändler oder Kampfkunst-Studio-Besitzer ausgegeben und in mehreren Bundesländern Soforthilfe beantragt. Insgesamt kamen 91 Anträge im Wert von rund zweieinhalb Millionen Euro zusammen. Das Urteil des Landgerichts München: viereinhalb Jahre Haft.
Spielt organisierte Kriminalität eine Rolle?
Ein Sprecher des Landeskriminalamtes sagt: „Organisierte Kriminalität sucht immer nach neuen Handlungsfeldern. Dieses Gebiet könnte ein solches Handlungsfeld sein.“ Mit Sicherheit könne das LKA allerdings nicht sagen, ob das hier der Fall sei.
Wurde bei den Anträgen für die neuen Hilfen nachgeschärft?
Die wichtigste Änderung bei den Anträgen für die sogenannten November- und Dezemberhilfen sowie für die Überbrückungshilfe sind „prüfende Dritte“. Das sind etwa Steuerprüfer oder Wirtschaftsprüfer, die die Angaben vor der Antragsstellung prüfen und bei Fragen beraten. „Das ist wichtig, da es bei diesen Hilfen um erheblich größere Beträge als bei der Soforthilfe geht“, teilt das NRW-Wirtschaftsministerium mit. Soloselbstständige sind von dieser Pflicht ausgenommen. Die für den prüfenden Dritten anfallenden Kosten bezahlt der Staat.
Wie werden die neuen Anträge überprüft?
Eine Software des Bundes prüft die Anträge zunächst automatisch auf verschiedene Risikomerkmale. Im Verdachtsfall werden Anträge anschließend eingehender geprüft. „Durch ein solches Vorgehen werden Betrugsversuche deutlich erschwert, aber nicht verhindert“, erklärt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. „Hätte man sich bei der Soforthilfe für dasselbe Vorgehen entschieden, wäre der finanzielle wie der zeitliche Aufwand bei der hohen Anzahl an Anträgen nicht mehr verhältnismäßig gewesen.“
Weitere Maschen von Corona-Betrügern
Die Angst vor dem Coronavirus machen sich Kriminelle auf vielfältige Weise zu Nutze. Eine Übersicht über bekannte Maschen:
Fake-Shops
In Online-Shops bieten Täter medizinische Geräte oder Atemschutzmasken an. Bestellen und Bezahlen funktioniert ohne Probleme. Die Ware kommt allerdings nie an. Ein Modell, das schon lange vor Corona existierte. Oft sind diese Shops nur schwer zu enttarnen. Die wichtigsten Erkennungszeichen eines Fake-Shops sind laut Verbraucherzentrale NRW: auffällige Internetadresse, unsichere Zahlungsweise, unrealistisch reduzierte Preise, nur positive Bewertungen, falsche Gütesiegel, nicht vorhandenes Impressum.
Die falsche Corona-Karte
Laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik kursiert eine sogenannte „Corona-Karte“. Die soll in Echtzeit angeben, wo Corona-Infektionen registriert werden. So eine Karte existiert allerdings nicht. Öffnet der Nutzer den Link, der von Kriminellen als Lockmittel genutzt wird, lädt im Hintergrund eine Schadsoftware, die Passwörter und Zugangsdaten des PCs ausliest.
Falsche Impfstoffverkäufer
Die Polizei NRW warnt vor Kriminellen, die sich telefonisch oder direkt vor der Haustür als Impfstoffverkäufer ausgeben. Die Polizei weist daraufhin, dass die in Nordrhein-Westfalen aufgebauten Impfstrukturen ausschließlich aus Impfzentren, mobilen Teams zur Versorgung von Alten- und Wohnheimen und eigenständigen Impfungen des Krankenhauspersonals bestehen.
In anderen Fällen bieten Kriminelle an der Haustür einen angeblichen kostenpflichtigen Corona-Test an. Die Polizei warnt: Übergeben Sie kein Geld an die Täter und melden Sie solche Vorfälle.
Der Enkel-Trick
Den Enkel-Trick gibt es schon deutlich länger als die Corona-Pandemie. Dabei rufen Täter ältere Menschen unter dem Vorwand an, Verwandte zu sein. Sie täuschen einen finanziellen Engpass vor und bitten um hohe Geldbeträge. In der Pandemie geben sich Betrüger als Angehörige aus, die sich mit dem Virus infiziert haben. Sie selbst lägen im Krankenhaus und würden einen Boten schicken, der das dringend benötigte Geld für die Behandlung abholen würde. Das LKA warnt auf seiner Homepage: „Seien Sie misstrauisch, wenn Sie jemand telefonisch um Geld bittet.“ Und: „Übergeben Sie niemals Geld oder Wertsachen an unbekannte Personen.“ Komme ein Anruf verdächtig vor, solle sofort die Polizei über die Rufnummer 110 kontaktiert werden.
Weitere Infos und Tipps finden Sie online auf der Homepage der Länder und des Bundes für polizeiliche Kriminalprävention. (sim)