Hoffnung an Ostern?Vorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands im Interview
FMit dem Krieg in der Ukraine liegt über den Feiertagen ein dunkler Schatten. EKD-Vorsitzende Annette Kurschus über das Dilemma bei Waffenlieferungen, Kriegsverbrechen und die Kraft des Osterfestes.
Frau Kurschus, Ostern als Fest der Auferstehung, der Hoffnung, des Friedens – wie passt diese Botschaft in diesem Jahr zur Situation des Krieges in der Ukraine?
Auch der allererste Ostermorgen fiel in eine Situation von Tod und Not und Traurigkeit. Als die Osterbotschaft in diese Welt kam, traf sie auf verzweifelte Menschen, die dachten, alles sei verloren. Die Botschaft vom Sieg des Lebens ist keine Schönwetternachricht. Sie hat eine Kraft, die mitten hinein in das Entsetzen und das Grauen des Todes wirkt. Diese Kraft haben wir in diesem Jahr besonders nötig.
Sie haben mit Blick auf Waffenlieferungen an die Ukraine gesagt, wir könnten in diesem Krieg keine weiße Weste behalten. Was ist das für eine Ethik, die in einer so schwierigen Situation keine eindeutige Richtschnur bietet?
Ich würde sagen: Es ist eine redliche Ethik. Fragen zum Anfang und zum Ende, zu den Tiefen und Höhen des Lebens sind hoch komplex und selten einfach und eindeutig zu beantworten. Jede Waffe, die zur Verteidigung in die Ukraine wandert, sorgt außer für Verteidigung auch für neue Verletzungen und neuen Tod. Das nenne ich ein echtes Dilemma, aus dem wir nicht herauskommen.
Was wir auch tun oder nicht tun, wir werden schuldig. Ich hielte es für zynisch, aus unserer relativ sicheren Position heraus den Menschen in der Ukraine zu empfehlen: Verzichtet auf Waffen, bleibt beim passiven Widerstand, denn Gewalt erzeugt doch nur Gegengewalt. Das kann ich allenfalls für mich selber sagen und dann die entsprechenden Konsequenzen auf mich nehmen. Aber ich bringe es nicht fertig, dies leichtfertig und besserwissend anderen zu raten, die sich in existenzieller Gefahr befinden.
Eine gotteslästerliche Ideologie
Der Krieg wird von Russland auch religiös begründet – es geht um heiliges Land und den angeblichen Schutz von Christen. Können Sie davon etwas nachvollziehen?
Nein, ich halte es für eine gotteslästerliche Ideologie, diesen Krieg als eine göttliche Mission auszugeben und das eigene gierige Machtstreben mit göttlichem Willen zu rechtfertigen. Wir müssen uns dieser Idee entschieden entgegenstellen.
Stichwort Nächstenliebe: Flüchtlinge aus der Ukraine werden in Deutschland vielerorts mit offenen Armen willkommen geheißen, Bürger nehmen Ukrainer bei sich zuhause auf. Bei Syrern oder Afghanen ist das anders. Ist es echte Nächstenliebe, wenn es auf die Herkunft ankommt, wem ich helfe?
Die enorme Hilfsbereitschaft ist großartig. Ich sehe mit Respekt, wie viele Menschen ihre Türen und Herzen und Hände öffnen. Zugleich darf solche Hilfsbereitschaft nicht an Herkunft, Kultur und Religion von Menschen geknüpft sein. Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten und Würde geboren, deshalb verdienen alle Geflüchteten gleichermaßen Chancen und Unterstützung – unabhängig davon, woher sie kommen und was sie glauben.
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Kann es Vergebung für Verbrechen wie in Butscha geben?
Das steht allein bei Gott. Ich kann für diese Verbrechen keine Vergebung finden, maße mir aber nicht an, Menschen zu verdammen. Wir haben es hier eindeutig mit Kriegsverbrechen zu tun, und die müssen bestraft werden.