Entschädigung wegen Coronavirus?Was unter den Begriff „Höhere Gewalt“ fällt
- Im Moment wird viel über den Coronavirus gesprochen - auch in Verbindung mit der Höheren Gewalt.
- Doch was hat es damit eigentlich auf sich? Und welche rechtlichen Grundlagen gibt es?
- Wir sprachen mit dem Kölner Rechtsanwalt Harald Rotter.
Köln – Was passiert, wenn Veranstaltungen oder Reisen wegen Corona abgesagt werden? Raimund Neuß fragte den Kölner Rechtsanwalt Harald Rotter, Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Allgemeinanwalt im Deutschen Anwaltverein.
Im Zusammenhang mit der Absage von Veranstaltungen in der Corona-Krise hört man immer wieder den Begriff der Höheren Gewalt. Was ist das?
Rotter: Gemeint ist damit eine Situation, die durch Umstände herbeigeführt wurde, die normalerweise niemand realistischerweise vorhersehen und beherrschen oder verhindern kann. In erster Linie sind das Naturgewalten wie Unwetter, Überschwemmungen, Lawinen. Dazu zählen aber auch Eingriffe von Personen oder Behörden, beispielsweise eine Straßensperrung wegen Lawinengefahr. Auch Krieg, Aufstände und Epidemien zählen zur höheren Gewalt.
Wann liegt höhere Gewalt vor? Erst wenn Behörden Veranstaltungen verbieten oder Reisesperren verhängen - oder schon dann, wenn das Auswärtige Amt wegen einer Epidemie zum Unterlassen nicht nötiger Reisen aufruft?
Im Reiserecht entfällt bei höherer Gewalt für beide Vertragsparteien, den Reisenden und den Reiseunternehmer, die Pflicht zur Leistung. Die Details regelt Paragraf 651h so: „wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen". Dann muss der Reisende die Pauschalreise, den Flug oder das Hotelzimmer nicht bezahlen, das Unternehmen muss diese Leistungen nicht erbringen. Dabei kann es natürlich zum Streit darüber kommen, ob die außergewöhnlichen Umstände tatsächlich so gravierend sind, dass schon höhere Gewalt vorliegt. Hat allerdings eine Behörde eine Reisesperre oder ein Veranstaltungsverbot ausgesprochen, dann liegt definitiv höhere Gewalt vor.
Was ist, wenn - wie im Falle des Literaturfestivals lit.Cologne - Veranstaltungen unabhängig von einer Verbotsverfügung vorsorglich abgesagt werden?
Dann muss der Veranstalter auf jeden Fall den Eintrittspreis zurückzahlen. Ferner trägt er das Risiko, beispielsweise von Messeausstellern auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Andersherum kann z.B. der Inhaber einer Eintrittskarte für die Oper, der vorsichtshalber zu Hause bleibt, nicht damit rechnen, den Eintrittspreis rückerstattet zu bekommen. In diesen Fällen sind die Beteiligten gehalten, sich mit Verständnis und Kulanz zu begegnen. Gelingt keine Einigung, entscheidet letztlich das Gericht, ob die Ansteckungsgefahr im konkreten Einzefall so gravierend war, dass eine Durchführung der Veranstaltung oder eine Teilnahme daran unzumutbar war.
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Was hat die Feststellung der höheren Gewalt für Folgen für Anbieter?
Die Anbieter von Veranstaltungen oder Reisen können definitiv in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Durch eine Absage verlieren sie ihren Vergütungsanspruch. Zusätzlich haben sie das Risiko von Schadensersatzforderungen zu tragen, beispielsweise weil die Band, die auftreten sollte, der Meinung ist, trotzdem ihre Gage beanspruchen zu können, weil der Veranstalter das Risiko fahrlässig als zu hoch eingestuft habe und das Konzert eigentlich hätte durchgeführt werden können. Ein ähnliches Haftungsrisiko hat auch der Staat. Spricht eine Behörde leichtfertig ein Veranstaltungsverbot aus, kann sie vom Veranstalter auf Schadensersatz verklagt werden. Einen ähnlichen Fall gab es vor Jahren bei einer Verbraucherwarnung im Lebensmittelbereich, die sich dann als unbegründet herausstellte.
Und für die Kunden, für Sie und mich, was haben wir für Ansprüche - zum Beispiel, wenn unser Frühjahrsurlaub in Italien geplatzt ist oder wir statt zu verreisen in Quarantäne müssen?
Da es sich um höhere Gewalt handelt, besteht kein Schadensersatzanspruch; nur Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises.