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Engpässe in Krankenhäusern16 Millionen Italiener in Quarantäne

Lesezeit 4 Minuten
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Im Kampf gegen das neue Coronavirus schränkt Italien die Bewegungsfreiheit von rund 16 Millionen Bürgern im Norden drastisch ein. 

  1. Die Regierung in Rom verhängte eine Ein- und Ausgangssperre in der Region Lombardei sowie 14 weitere Landkreise in den Regionen Piemont, Emilia-Romagna und Marken.
  2. Ministerpräsident Giuseppe Conte begründete die Maßnahmen am Sonntag unter anderem mit dem bereits jetzt erreichten Notstand in den Krankenhäusern.
  3. Innerhalb von 24 Stunden waren am Samstag die Zahlen der neu mit Covid-19 Infizierten in Italien um 1145 Personen angestiegen.

Lombardei – Italien hat im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus drastische Maßnahmen ergriffen. Mit einem Dekret verfügte die Regierung in Rom am Sonntag die Einrichtung einer Sperrzone, die die gesamte Lombardei sowie 14 weitere Landkreise in den Regionen Piemont, Emilia-Romagna und Marken betrifft. Die Regierung verhängte eine Ein- und Ausgangssperre in den Gebieten.

Damit befinden sich 16 Millionen Italiener vorsorglich in Quarantäne, etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Die bisherigen Sondersperrzonen im Südosten der Lombardei und bei Padua wurden aufgehoben.

Ministerpräsident Giuseppe Conte begründete die Maßnahmen am Sonntag unter anderem mit dem bereits jetzt erreichten Notstand in den Krankenhäusern. „Wir haben zwei Ziele“, sagte Conte. „Die Ausweitung der Ansteckung einzudämmen und eine Überlastung der Krankenhauseinrichtungen zu vermeiden.“ Innerhalb von 24 Stunden waren am Samstag die Zahlen der neu mit Covid-19 Infizierten in Italien um 1145 Personen angestiegen.

Engpässe in Krankenhäusern

Auf den Intensivstationen in den Krankenhäusern der Lombardei kam es bereits zu Engpässen. Nach Angaben der Behörden wurden am Samstag 359 Patienten auf Intensivstationen behandelt, vor zehn Tagen seien es nur 50 gewesen. In der Lombardei wurden bis Samstag 3420 mit dem Coronavirus Infizierte gezählt. In ganz Italien waren es zuletzt rund 5800 Personen. Italien ist damit das Land mit den meisten festgestellten Infizierten in Europa.

Zu den Sperrgebieten zählen nicht nur die Metropolen Mailand und Venedig, sondern auch Städte wie Padua, Modena, Parma, Reggio Emilia oder Rimini. Dem Dekret zufolge sollen die Bewohner auch die Fortbewegung innerhalb der Sperrgebiete „vermeiden“, es sei denn es liegen dringende Motive wie unaufschiebbare Arbeitsverpflichtungen oder Notfälle vor. Die Quarantäne gilt zunächst bis zum 3. April. Züge, Flugzeuge und öffentliche Verkehrsmittel im betroffenen Gebiet verkehrten am Sonntag mehr oder weniger regulär.

Viele Veranstaltungen verboten und Lokale geschlossen

Im ganz Italien wurden Kino- und Theatervorstellungen verboten. Museen, Pubs, Diskotheken, Tanzschulen und Spielsalons mussten geschlossen werden. Bars und Restaurants dürfen geöffnet bleiben unter der Bedingung, dass zwischen den Besuchern ein „Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter“ eingehalten wird. Auch Hochzeiten und Beerdigungen sind ausgesetzt. „Wir werden diesen Krieg gewinnen, wenn unser Mitbürger sich verantwortungsvoll verhalten und vorübergehend ihren Lebensstil verändern“, sagte der Chef des italienischen Zivilschutzes Angelo Borrelli.

Besonders Augenmerk liegt in Italien derzeit auf der Situation der Krankenhäuser und Intensivstationen. „Einige Strukturen sind bereits in Schwierigkeiten“, sagte Ministerpräsident Conte. Um die Kapazitäten für Covid-19-Patienten in der Lombardei zu erhöhen, sollen andere Patienten in Krankenhäuser anderer Regionen verlegt werden, kündigte die Regierung an. Zuvor hatte bereits das Gesundheitsministerium die Aufstockung der Kapazitäten der Intensivstationen landesweit um 50 Prozent angekündigt.

Problem ist die Wahrnehmung der Gefahr

Antonio Pesenti, Chef der lombardischen Kriseneinheit zur Koordination der Intensivstationen, warnte im Corriere della Sera vor einer weiteren Verschärfung der Lage. „Für den 26. März werden 18 000 erkrankte Lombarden erwartet, von denen zwischen 2700 und 3200 eine Behandlung auf der Intensivstation benötigen werden“, sagte Pesenti. Angesichts dieser Überlastung seien nicht nur die Covid-19-Patienten in Gefahr, „sondern auch der Teil der Bevölkerung, der sich an das Gesundheitssystem wendet“. Bisher seien Krankenwagen in der Lombardei innerhalb von acht Minuten eingetroffen, „jetzt besteht das Risiko, dass sie länger als eine Stunde brauchen“. Das Gesundheitssystem der Lombardei könne die bisherigen Standards nicht weiter Aufrecht erhalten.

Walter Ricciardi, Berater des Gesundheitsministeriums in Rom und früherer Direktor des italienischen Gesundheitsinstituts, rief die Italiener zur Befolgung der Quarantäne-Maßnahmen auf. „Das ist die einzige Waffe, die wir benutzen können, um zu verhindern, dass viele Personen gleichzeitig erkranken und sich an das nationale Gesundheitssystem wenden“, sagte er im Corriere della Sera. Das Problem sei die „mangelnde Wahrnehmung der tatsächlichen Gefahr“. Das gelte auch für die Staaten im Ausland, die bisher zu langsam auf die Verbreitung des Virus reagierten.

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Auch der Vatikan, wo am Freitag der erste Fall von Covid-19 festgestellt wurde, reagierte auf die verschärfte Lage. Papst Franziskus, der in den letzten Tagen wegen einer Erkältung Termine abgesagt hatte, las das Angelusgebet am Sonntag nicht wie üblich von einem Fenster im Apostolischen Palast aus, sondern im Inneren des Gebäudes. Seine Worte wurden per Streaming auf den Petersplatz übertragen. Die Teilnahme von Gläubigen an den täglichen Morgenmessen des Papstes wurde bis zum 15. März ausgesetzt.