Die Erfüllung seines Lebenstraums endet für Jason Kennisons tödlich. Kennisons Tod ist besonders tragisch, da der Australier in seinem Leben gleich zweimal große Schicksalsschläge überwinden musste.
Tödlicher LebenstraumAustralier lernt zweimal neu laufen und stirbt am Everest
Das letzte Bild, das Jason Kennison vor seinem Tod auf Instagram postete, ist gerade mal zwei Wochen alt: Es zeigt das Camp 2 am Mount Everest. Gleich mehrere Zelte drängen sich hier zusammen, das Camp selbst ist nebelverhangen, es sieht eher unwirtlich aus. Tatsächlich ist der Berg ist in diesem Frühjahr aber so begehrt wie noch nie zuvor: Ende April meldete Nepal, dass es mehr als 450 Genehmigungen für die Besteigung des Mount Everest ausgestellt habe – eine Rekordzahl. Eine davon ging an den 40-jährigen Kennison aus Perth in Westaustralien. Die Besteigung des Mount Everest war ein Lebenstraum von ihm gewesen – ein Traum, der letztendlich platzte: Der Australier verstarb beim Abstieg vom Gipfel am Freitag.
Dass Bergsteiger von ihrer Expedition zum Mount Everest nicht zurückkehren, ist leider keine Seltenheit. Erst Anfang Mai starb ein US-amerikanischer Kletterer auf dem Berg, wo Leichen inzwischen die gängigen Aufstiegsrouten zum Gipfel säumen. Laut der lokalen Tageszeitung „Himalayan Times“ sind in dieser Frühjahrssaison am Mount Everest bereits zehn Menschen ums Leben gekommen. Zwei Bergsteiger würden noch vermisst, hieß es. Der gehörlose und stumme Malaysier Hawari Bin Hashim werde seit dem 18. Mai vermisst, während der indische Bergsteiger Shrinivas Sainis Dattatraya aus Singapur vermutlich aus 8500 Meter Höhe abgestürzt sei.
Kennisons Tod ist nun aber besonders tragisch, da der Australier in seinem Leben gleich zweimal große Schicksalsschläge überwinden musste. Zweimal musste er das Gehen wieder neu erlernen – einmal nach einem Unfall im Jahr 2006, ein weiteres Mal nach einer fehlgeschlagenen Operation. Kennison überstand beides und wollte den Aufstieg zum Gipfel zum Anlass nehmen, um Geld für eine wohltätige Organisation zu sammeln, die ihn während der schwierigsten Phasen seines Lebens unterstützt hatte: Die Spinal Cord Injuries Australia.
„Er stand ganz oben“
Kennison soll bei seinem missglückten Abenteuer den Aufstieg zum Gipfel zwar noch geschafft haben, wie ein Post seiner Familie auf Facebook zeigt. „Er stand ganz oben auf seiner Welt, doch dann kam er leider nicht zurück.“ Er sei der „mutigste, abenteuerlustigste Mensch gewesen“, den sie gekannt hätten, und werde „für immer“ vermisst werden.
Doch dann hat der Australier hat – wohl noch am Gipfel – gesundheitliche Probleme bekommen. Sein Team konnte ihn zwar noch ein Stück weiter nach unten bringen, doch dort verstarb der 40-Jährige, ohne es bis zum nächsten Camp zu schaffen.
Dawa Steven Sherpa, Geschäftsführer von Asian Trekking, dem Team, das Kennison zum Gipfel begleitet hatte, sagte der „Himalayan Times“, dass der Australier mit zwei einheimischen Führern unterwegs gewesen sei. Er habe ab dem Südgipfel „ungewöhnliches Verhalten“ gezeigt, und Führer hätten ihn noch zu einer als „Balkon“ bekannten Stelle in Gipfelnähe gebracht. „Dann ging ihnen der Sauerstoff aus und das Mitbringen von Ersatzflaschen aus dem Lager IV war wegen des starken Windes nicht möglich“, so Sherpa. Seine Führer seien ohne Lebensgefahr ins Lager IV hinabgestiegen. Kennison schaffte dies jedoch nicht mehr. Seine Überreste befinden sich noch in der gipfelnahen Region.
Kennison wollte Spenden sammeln
Auf der Webseite Just Giving, über die Kennison Geld für die wohltätige Organisation Spinal Cord Injuries Australia sammeln wollte, hatte Kennison zuvor geschrieben, dass sein Ziel sei, das Basislager des Mount Everest zu besteigen. Er hoffe zwar, auch die höher gelegenen Lager erreichen zu können und sich sowohl geistig als auch körperlich herauszufordern, doch der Hauptgrund bestehe darin, Spenden zu sammeln und die Organisation bekannter zu machen. Die Organisation hilft Menschen mit Rückenmarksverletzungen wie Kennison, für den eine Besteigung des Berges über Jahre hinweg in unerreichbarer Ferne schien.
„Das Besondere an dieser Expedition ist für mich, dass ich 2006 einen schweren Autounfall hatte“, schrieb der Australier auf der Webseite. Dieser Unfall habe zu mehreren traumatischen Verletzungen an seinem Oberschenkelknochen und seiner Schulter geführt. Seine Kraft in den Armen war beeinträchtigt, er selbst konnte nicht mehr gehen. Seine Karriere als Mechaniker schien in weite Ferne gerückt. „Diese Prognose war verheerend und lebensverändernd“, schrieb Kennison. Er sei zu dem Zeitpunkt gerade mal 23 Jahre alt gewesen und es sei ihm schwer gefallen, damit fertig zu werden. „Ich verfiel in eine Depression“, gestand er. Denn der Genesungsweg verlief langsam.
Höhepunkt seines Kampfes
Doch mit der Zeit kam die Funktionsfähigkeit seiner Arme und Beine zurück und er lernte wieder zu laufen, nur um die Rehabilitation erneut durchlaufen zu müssen, nachdem eine Operation Jahre später fehlschlug.
Die Besteigung des Mount Everest wäre damit der Höhepunkt eines langjährigen Kampfes gewesen. Doch diese letzte Anstrengung überlebte Kennison nun leider nicht.