Ausgleich wegen CoronaWie Kommunen und Händler die Sonntagsöffnung durchsetzen wollen
- Kommunen und Händler wollen das Land NRW in die Pflicht nehmen und verkaufsoffene Sonntage durchsetzen.
- Die letzten Gerichtsentscheidungen lassen jedoch zunächst nicht viel Hoffnung.
- Doch ein Hoffnungsschimmer kommt aus Dortmund.
Beim Versuch, durch die Corona-Krise verlorene Umsätze wenigstens zum Teil durch verkaufsoffene Sonntage wieder einzuholen, wollen Kommunen und Händler das Land NRW in die Pflicht nehmen. Ob das gelingt, ist fraglich. Denn gegen die Pläne wehrt sich die Gewerkschaft Verdi, die nach mehreren höchstrichterlichen Erfolgen derzeit gegen Öffnungspläne unter anderem in Krefeld, Schwerte und Düren klagt.
In den vergangenen beiden Wochen hatte das Oberverwaltungsgericht in Münster als höchste Instanz in mehreren Fällen verkaufsoffene Sonntage verboten – unter anderem in Leverkusen, Meckenheim, Lemgo, Bad Salzuflen, Iserlohn und Kevelaer. Dabei war die Begründung so eindeutig, dass auch für weitere Pläne verkaufsoffener Sonntage ohne nähere Anlässe offenbar wenig Aussicht auf Erfolg besteht.
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Das Ministerium hatte den Kommunen per Erlass vom 14. Juli ermöglichen wollen, bis zum Jahresende maximal vier verkaufsoffene Sonntage anlassfrei zu genehmigen, damit die Einzelhändler Umsatzeinbußen aus der Corona-Krise aufholen könnten. Die Begründung Umsatzeinbußen ließen die Richter jedoch nicht gelten. Sie könnte „praktisch überall für jeden Sonntag angeführt werden“, hieß es. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen sei im Grundgesetz festgeschrieben. Die geöffneten Geschäfte müssten als Ausnahme von der allgemeinen sonntäglichen Arbeitsruhe zu erkennen sein.
Zudem ließen die Öffnung der Geschäfte von Montag bis Samstag umfassende Erwerbsmöglichkeiten für den Einzelhandel. Der Schutz des arbeitsfreien Sonntags habe angesichts der „Verwischung von Alltagsrhythmen“ durch die Corona-Krise „besonderes Gewicht“. (Az. 4 B 1260/20.NE und 4 B 1261/20.NE). Die Beschlüsse sind unanfechtbar.
Hohe Hürden per Gericht bekräftigt
Zuletzt hatte auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entsprechend entschieden und hohe Hürden für eine Sonntagsöffnung bekräftigt. Diese sind nach der Rechtsprechung möglich, wenn besondere Anlässe wie Feste, Handwerker- oder Jahreszeitenmärkte eh bereits zahlreiche Besucher in Innenstädte locken. Weil solche Anlässe aber wegen der Corona-Schutzmaßnahmen vermehrt abgesagt wurden, sei etwa jeder zweite der für 2020 vorgesehenen verkaufsoffenen Sonntage in NRW ausgefallen, hatte das NRW-Wirtschaftsministerium erfolglos argumentiert. Den Händlern sei ein Umsatz von geschätzt 1,8 Milliarden Euro entgangen.
Die OVG-Urteile sehen Handelsexperten als klaren Erfolg für die Gewerkschaft Verdi. Deren Position ist eindeutig: „Eine Sonntagsöffnung bringt nichts. Sie verschiebt nur den Umsatz aus der Woche auf den Sonntag. Die Leute haben schließlich nicht mehr Geld in der Tasche“, sagte Nils Böhlke, Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Handel in NRW, auf Anfrage. Der Einzelhandel in NRW habe im ersten Halbjahr ein Prozent zugelegt. Allerdings räumte Böhlke ein, dass es im Textil- und Schuhhandel gravierende Einbrüche gegeben habe. Die Verdi-Landesfachbereichsleiterin für den Handel, Silke Zimmer, nennt die OVG-Urteile ein wichtiges Signal an die Beschäftigten. „Das Grundrecht auf Sonntagsschutz gilt auch in Corona-Zeiten.“ Damit habe das Gericht dem Versuch der Landesregierung, anlasslose verkaufsoffene Sonntagsöffnungen zu erlauben, einen Riegel vorgeschoben.
Klare Regeln sollen her
Der Einzelhandelsverband HDE fordert nun klare Regelungen: „Wir brauchen dringend mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten“, meint Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. „Gerade jetzt wäre es beispielsweise für viele am Rande der Insolvenz stehende Bekleidungshändler wichtig, dass sie die Gelegenheit bekommen, zumindest ein wenig Umsatz an Sonntagen aufzuholen.“ Kurzfristige Absagen genehmigter Sonntagsöffnungen seien für die Händler „sehr bitter“. Viele hätten Werbung geschaltet und Personaleinsatzpläne angepasst, so Genth.
Die Kirchen im Rheinland sind von Sonntagsöffnungen im Einzelhandel nicht begeistert, hätten diese aber in der corona-bedingten Ausnahmesituation hingenommen. „Als Evangelische Kirche im Rheinland haben wir das Ansinnen des NRW-Wirtschaftsministeriums, vier verkaufsoffene Sonntage quasi zum Corona-Ausgleich zuzulassen, als einmalige Ausnahme nur deutlich zähneknirschend hingenommen“, teilte ein Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland mit.
Antonius Hamers, Direktor des Katholischen Büros NRW, sagte unserer Redaktion: „Im Wissen um die besondere Situation haben alle fünf Bischöfe und Erzbischöfe signalisiert, dass wir uns vor Ort nicht gegen solche Pläne stellen werden, wenn dies eine einmalige Regelung in diesem Jahr bleibt.“ Wenngleich der Sonntagsschutz für die Katholiken ein wichtiges Gut sei – in religiöser, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht –, sprach Hamers von einer „gangbaren Lösung“.
Ein Hoffnungsschimmer kommt aus Dortmund
Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) nannte die OVG-Entscheidungen bedauerlich und unverständlich. „Damit ist dem Handel und den Innenstädten nicht geholfen“, erklärte er. „Wir werden die Begründung prüfen und klären, wie nach Maßgabe des Gerichts Sonntagsöffnungen doch noch ermöglicht werden können, damit die Betriebe Umsätze aufholen und ihre Existenz sichern können.“
Hoffnungsschimmer gibt es aus Städten wie Dortmund. Dort wurde am vergangenen Sonntag im Stadtteil Mengede das Veranstaltungskonzept eines Festes so corona-konform angepasst, dass dadurch Geschäftsöffnungen möglich wurden. Aus dem ursprünglichen „Michaelisfest“ mit Kirmes und Rummel wurde das „Michaelis-Kultur-Wochenende“ mit Musik und Kleinkunst mit buntem Programm und Einlassbegrenzungen. (mit dpa)
Die Regelungen aus der Region
In Köln waren bis Jahresende vier verkaufsoffene Sonntage geplant. Noch hat der Rat der Stadt nicht abschließend darüber entschieden, aber die Chancen stehen zumindest bei dreien davon schlecht. Sie würden sich mehr oder weniger direkt auf den Erlass des Wirtschaftsministeriums beziehen, auch nicht anlassbezogen öffnen zu dürfen. Nach dem Ausfall der Intermot, dem Rückzug der Weihnachtsmärkte in der Altstadt und der Absage städtischer Veranstaltungen hat Verdi bereits angekündigt, gegen Sonntagsöffnungen an diesen Terminen vorzugehen, sollte der Rat sie genehmigen. Lediglich der „Tag des Veedels“ am 20. November hat einigermaßen gute Chancen bei einer Klage durchzukommen. Wobei man auf Gewerkschaftsseite auch noch gar nicht so sicher ist, ob man überhaupt gegen diese Veranstaltung vorgehen würde. Beim „Tag des Veedels“ stellen die Kölner Stadtteile sich und ihr Angebot vor, koordiniert wird die Aktion vom Kölner „Handelskümmerer“. Bislang haben wenigstens 22 von 86 Kölner Stadtteilen zugesagt, sich mit eigenen Aktionen zu beteiligen.
In Bonn hat der Stadtrat zwei verkaufsoffene Sonntage in der Innenstadt Ende September und Anfang November die Zustimmung erteilt: Am 27. September will der Verein Citymarketing die Beethoven-Rallye und am 8. November Ludwig strahlt abhalten. Bei beiden Veranstaltungen wird es auf den fünf Plätzen in der Bonner Innenstadt Attraktionen zu Beethovens 250. Geburtstag geben. Die Stadt hat Hygienekonzept genehmigt.
In Leverkusen fiel am vergangenen Wochenende der in Wiesdorf geplante verkaufsoffene Sonntag aus, nachdem ihn das OVG untersagt hatte. Das Familien- und Musikfest „LEV live“ war im Vorfeld aufgrund der geltenden Corona-Einschränkungen abgesagt worden.
In Bergisch Gladbach waren zwei verkaufsoffene Sonntage am 6. September in Paffrath und am 13. September in der Stadtmitte geplant, die nun ausfallen bzw. ausgefallen sind. Was die ab Oktober geplanten Sonntagsöffnungen in der Stadtmitte, in Bensberg und in den anderen Stadtteilen angeht, will die rheinisch-bergische Kreisstadt zunächst abwarten. Bislang gibt es zu keiner Sonntagsöffnung eine begleitende Festveranstaltung. Auch in den umliegenden Kommunen ist bislang nichts dergleichen geplant.
Im Rhein-Sieg-Kreis ist in Meckenheim das am vergangenen Wochenende geplante „Sonntags Shopping“ ebenfalls abgesagt worden. Auch drei weitere mit Corona begründete Termine wurden vom Overwaltungsgericht gekippt. In Siegburg wurden zwei geplante verkaufsoffene Sonntage angesichts der OVG-Urteile abgesagt. In Eitorf veranstalten der Heimatverein und der Aktivkreis aus Geschäftsleuten vom 18.-27. September „Eitorf dreht am Rad“ als Ersatz für die traditionelle Kirmes. Zum Abschluss am 27. September soll es in der Sieggemeinde einen verkaufsoffenen Sonntag geben.
In Euskirchen konnte am 6. September der erste verkaufsoffene Sonntag seit dem Lockdown im März stattfinden. Tausende Besucher nutzten die Gunst der Stunde zum Shoppen in der Innenstadt. Der Stadtrat hatte die Aktion in Kombination mit dem Französischen Markt genehmigt. Verdi hatte in diesem Falle nicht geklagt.
Im Rhein-Erft-Kreis sollen zum Wein- und Genussmarkt der Ahag Lechenich am 13. September die Geschäfte in der Innenstadt öffnen. Für Bergheim beschloss der Stadtrat vier Termine, unter anderem am 4. und 25. Oktober sowie 29. November. Auch in Bedburg sollen die beiden zum Lambertusfest im Oktober und zum Weihnachtsmarkt am 13. Dezember geplanten verkaufsoffenen Sonntage stattfinden. In Frechen haben die Geschäftsleute noch drei anlasslose verkaufsoffene Sonntage beantragt: für den 11. Oktober, den 15. November und den 20. Dezember. (two/mfr/gw./pws/EB)