AboAbonnieren

AffenpockenSo kann man sich vor einer Infektion schützen

Lesezeit 6 Minuten

Symptome der Affenpocken-Krankheit sind sehr oft zum Beispiel Pusteln an den Händen.

Zunächst war es ein wohl aus Nigeria eingeschleppter Fall in Großbritannien, inzwischen werden aus immer mehr Ländern Nachweise und Verdachtsfälle von Affenpocken gemeldet. Das Ausmaß überrascht auch Experten. Über den Erreger und die aktuelle Ausbruchslage in den westlichen Ländern ein Überblick.

Offenbar hat sich der Erreger bereits längere Zeit unbemerkt in mehreren westlichen Ländern ausgebreitet.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete am vergangenen Samstag von rund 90 bestätigten Infektionen und 30 Verdachtsfällen in Ländern, in denen das in West- und Zentralafrika heimische Virus normalerweise nicht auftritt. In Europa sind unter anderem Spanien, Portugal, Großbritannien, Italien, Schweden und die Schweiz betroffen. In Deutschland wurde am vergangenen Freitag ein erster Fall in München durch eine Genom-Analyse des Erregers nachgewiesen – zudem der erste Nachweis einer Affenpockeninfektion in Deutschland überhaupt. Am Samstag bestätigten Behörden dann zwei Infektionen in Berlin. Auch in Australien, Kanada und den USA gab es bereits Nachweise der Erkrankung. Experten rechnen mit einer weiteren Zunahme der Fälle.

Sind die Affenpocken mit der Pockenkrankheit vergleichbar?

Affenpocken sind eine auf ein Virus zurückgehende Erkrankung. Der Erreger wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen – daher der Name Affenpocken. Er gehört zu einer Unterfamilie der Pockenviren. Fachleute vermuten allerdings, dass der Erreger eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen gelten als sogenannte Fehlwirte. Das Affenpockenvirus ist auch auf den Menschen übertragbar.

Die frühere Pockenkrankheit sorgte über Jahrhunderte für Angst und Schrecken. Ein großer Teil der Betroffenen starb an der Infektion. Die Pockenkrankheit gilt nach Impfkampagnen seit 1980 als ausgerottet. Der letzte Fall in Deutschland wurde 1972 erfasst.

Was sind die Symptome von Affenpocken?

Zu den Symptomen zählen: plötzlich einsetzendes Fieber, starke Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten, häufig auch Lymphknotenschwellungen. Typisch ist zudem ein vom Gesicht auf den Körper übergreifender, pockentypischer Ausschlag. Selten treten Erblindung und entstellende Narben als Dauerschäden auf.

Wie gefährlich sind die Affenpocken?

Die kursierende Variante des Affenpocken-Virus ruft nach Angaben von Gesundheitsbehörden meist nur milde Symptome hervor, nur in Ausnahmen gibt es schwere Verläufe. Es sind zwei Erreger-Varianten bekannt: Die mildere, westafrikanische Variante führt nach Angaben von Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie der München Klinik Schwabing, zu einer Sterblichkeit von etwa einem Prozent, vor allem bei Kindern unter 16 Jahren. „Man muss aber bedenken, dass diese Daten aus Afrika nicht zwingend übertragbar auf das Gesundheitswesen in Europa oder den USA sind. Bei uns wäre die Sterblichkeit eher niedriger anzusetzen. Das ist eine Erkrankung, die meines Erachtens nicht das Potenzial hat, die Bevölkerung massiv zu gefährden.“ Die Sterblichkeit für die zweite, zentralafrikanische Variante wird aber mit etwa zehn Prozent angegeben.

Bei allen bisher genetisch analysierten Proben handelte es sich um die westafrikanische Erreger-Variante, auch bei dem Patient in München. Alle Altersgruppen und Geschlechter gelten dem RKI zufolge als gleichermaßen empfänglich.

Ist der Ausbruch außerhalb Afrikas ungewöhnlich?

Ja, da sind sich die Experten einig. „In der Vergangenheit waren die Affenpocken-Ausbrüche begrenzt in der Ausbreitung“, sagt der Virologe Stephan Becker von der Uni Marburg der Deutschen Presse-Agentur. Infektionsketten zwischen Menschen seien ungewöhnlich und müssten eng überwacht werden.

Die kürzlich nachgewiesenen Infektionen seien unter anderem deshalb atypisch, weil die meisten Betroffenen nicht nach West- oder Zentralafrika gereist seien, heißt es in einem Freitag veröffentlichten Statement von Hans Kluge, Regionaldirektor bei der WHO für Europa.

Die WHO rief zu einer rigorosen Verfolgung aller Kontakte von Betroffenen auf. Kliniken und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen. Erhärte sich der Verdacht auf Affenpocken, sollten Patienten isoliert werden.

Insgesamt gewännen die Affenpocken allmählich an globaler Bedeutung, so die Forscher.

Wie wird das Affenpocken-Virus übertragen?

Bei den aktuell erfassten Fällen sind in der Mehrheit, wenn auch nicht ausschließlich, Männer betroffen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten. Das Virus scheine sich derzeit vor allem zwischen homo- oder bisexuellen Männern auszubreiten, sagte Becker. Intimkontakt ist aber nur eine Möglichkeit der Übertragung – es ist womöglich Zufall, dass das Virus zunächst in diesen Personenkreis getragen wurde und dann vor allem bei Homosexuellen weiter kursierte.

Dem RKI zufolge geschieht eine Übertragung auf den Menschen allgemein häufig durch Kontakt mit infizierten Tieren oder tierischem Blut und Sekreten, über das Essen infizierten Affenfleischs sowie Tröpfcheninfektion. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch sei grundsätzlich selten und nur bei engem Kontakt möglich, könne aber etwa auch durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Schorf Infizierter vorkommen.

Bei der aktuellen Infektionshäufung sind die detaillierten Infektionsketten noch weitgehend unklar. Aktuell scheine die Übertragung bei Affenpocken dabei aber zumindest nicht durch Aerosole zu erfolgen, schätzt der Marburger Virologe Becker. „Dann wäre das Ausbreitungsmuster anders.“

Wie wird eine Infektion nachgewiesen?

Der Nachweis erfolgt über einen PCR-Test, bei dem Erbmaterial des Virus aus einem Abstrich einer infizierten Hautpartie eines Betroffenen entnommen wird. Sind Affenpocken-Viren enthalten, wird gezielt deren Erbgut in einem speziellen Gerät vermehrt und kann danach leicht nachgewiesen werden.

Gab es schon einmal Ausbrüche von Affenpocken?

Außerhalb Afrikas wurden Affenpocken-Infektionen beim Menschen bisher überhaupt erst wenige Male nachgewiesen. Die Häufigkeit scheint allerdings zuzunehmen. Im Jahr 2021 gab es der WHO-Statistik zufolge fünf erfasste Infektionen im Vereinigten Königreich und in den USA.

Gibt es eine schützende Impfung?

In der EU gibt es keine speziell gegen Affenpocken zugelassene Impfung. Historischen Daten zufolge schützt aber eine Pockenimpfung gut vor Affenpocken – und das wohl lebenslang. Ältere Menschen, die die Impfung noch bekommen haben, dürften also auch vor den Affenpocken geschützt sein. Experten diskutieren momentan die Möglichkeit, zumindest Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten mit einer Impfung zu schützen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Der Virologe Gerd Sutter von der Ludwig-Maximilians-Universität München sagte „Zeit Online“: „Von dem klassischen Pockenvirenimpfstoff, einem Lebendimpfstoff, haben wir in Deutschland so viel Vorrat, dass man die ganze Bevölkerung impfen könnte.“ Seit 2013 ist in der EU der Impfstoff Imvanex gegen die Pocken zugelassen. Eine Zulassung zur Vorbeugung von Affenpocken hat er in der EU nicht. Die WHO weist darauf hin, dass dieser Impfstoff nicht flächendeckend verfügbar sei. Man wolle Experten einberufen, um mögliche Impfempfehlungen zu erörtern.

Wie wird die Infektion behandelt?

Behandelt werden die Symptome sowie mögliche bakterielle Sekundärinfektionen. Mit dem Medikament Tecovirimat gibt es zudem eine in der EU zugelassene Therapiemöglichkeit für die Affenpocken-Erkrankung. (dpa/dhi)

Stimmen aus der deutschen Politik

Die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) erklärte nach dem Nachweis von zwei Fällen in ihrer Stadt, es bestehe „kein Grund zur Panik, aber Grund zur Vorsicht, da viele wissenschaftliche Erkenntnisse über die Krankheit noch vorläufig sind, weil sie so selten ist“. Experten gingen davon aus, „dass wir keine neue Pandemie fürchten müssen“. Es müsse aber jetzt „schnell und konsequent“ gehandelt werden.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sprach sich dafür aus, nach dem Vorbild Londons umfangreiche Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. „Ich glaube, es ist schon wichtig, dass wir klassischen Pocken-Impfstoff jetzt auch ordern“, sagte Holetschek Bild-TV. Es gehe dabei um die Frage, ob präventiv im Bereich der Kontaktpersonen Impfungen möglich und richtig seien, und wenn ja, mit welchen Impfstoffen. Laut der WHO wirkt die normale Pockenimpfung zu 85 Prozent vorbeugend.

Die Union forderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf, kurzfristig Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen für besonders gefährdete Personengruppen zu verstärken. „Sollte sich bestätigen, dass besonders viele Infektionen auf ungeschützte sexuelle Kontakte zurückgehen, muss gerade in exponierten Milieus auf das neue Risiko hingewiesen werden“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, dem Redaktions-Netzwerk Deutschland. (dpa)