Die Verleihung der Friedensnobelpreise wird jedes Jahr mit Spannung erwartet. Einige sind jedoch umstritten. 11 Beispiele.
Von Obama bis ArafatDiese 11 umstrittenen Friedensnobelpreisträger werfen Fragen auf
Der Friedensnobelpreis, eine der höchsten Auszeichnungen für die Förderung des Friedens, hat in seiner Geschichte immer wieder für Diskussionen gesorgt. Die Entscheidungen des Nobelpreiskomitees, die oft als Spiegelbild weltpolitischer Dynamiken gesehen werden, haben bisweilen zu kontroversen Debatten geführt. Im Jahr 2024 wird die japanische Friedensorganisation Nihon Hidankyo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Wir werfen einen Blick in die Vergangenheit und beleuchten einige umstrittene Entscheidungen.
Henry Kissinger und Le Duc Tho (1973)
Beide erhielten den Preis für das Friedensabkommen im Vietnamkrieg. Dass sie einen Krieg mit Millionen von Opfern beendeten, den sie anfangs unter eigener Mitverantwortung eskaliert hatten, wurde immer wieder kritisiert. Tho lehnte den Preis ab, da er die Friedensbedingungen nicht als erfüllt ansah. Kissinger, der für seine Rolle bei den Pariser Friedensverhandlungen gelobt wurde, bleibe umstritten, so der „Tagesspiegel“, weil er gleichzeitig geheime Bombenangriffe in Kambodscha autorisierte, die Tausende von Opfern forderten. Seine Rolle bei der Unterstützung von Militärdiktaturen in Lateinamerika verstärkte die Kritik.
Jassir Arafat (1994)
Arafat wurde neben den israelischen Politikern Schimon Peres und Jitzchak Rabin „für ihre Anstrengungen zur Lösung des Nahostkonflikts“ geehrt, doch seine Verbindung zu Gewalt und Terrorismus machte die Auszeichnung umstritten. So war er 1959 Mitbegründer und später Führer der palästinensischen Fatah, die zahlreiche Terroranschläge gegen israelische, jordanische und libanesische Ziele verübte. Obwohl er als Symbol für den Friedensprozess im Nahen Osten galt, sahen Medien wie „Die Welt“, „Die Zeit“ oder „Der Spiegel“ in ihm einen Terroristen. Kritiker argumentieren bis heute, er habe die Friedensverhandlungen für seine politischen Ziele missbraucht, während die Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern anhielt.
Barack Obama (2009)
Die Verleihung des Preises zu Beginn seiner Präsidentschaft wurde als verfrüht kritisiert, da die USA zu diesem Zeitpunkt noch in militärische Konflikte verwickelt waren. Obamas außenpolitische Entscheidungen, insbesondere die Drohnenangriffe, führten zu Vorwürfen, seine Politik sei nicht mit dem Friedensnobelpreis vereinbar. Der Preis wurde ihm in Anerkennung seiner Bemühungen um globale Diplomatie verliehen, bevor er substanzielle Erfolge vorweisen konnte. Die Osloer Zeitung „Verdens Gang“ berichtete 2009, dass es in der Jury heftige Diskussionen gegeben habe. Auch Obama selbst sei von der Ehrung nicht begeistert gewesen, habe sie aber angenommen.
Menachem Begin (1978)
Der israelische Premierminister erhielt den Preis zusammen mit dem ägyptischen Staatspräsidenten Anwar as-Sadat für das Friedensabkommen beider Länder, aber seine frühere Rolle als Anführer der militanten Irgun-Gruppe war umstritten. Gegen die Entscheidung, Begin auszuzeichnen, gab es in Norwegen so heftige Proteste, dass die Übergabezeremonie in der Festung Akershus stattfinden musste. Begin war verantwortlich für den Bombenanschlag auf das King David Hotel im Jahr 1946, bei dem 91 Menschen ums Leben kamen. Kritiker sahen in der späteren Verleihung des Friedensnobelpreises einen Widerspruch zu seiner Vergangenheit als gewalttätiger Untergrundkämpfer.
Theodore Roosevelt (1906)
Schon in den ersten Jahren der Verleihung gab es umstrittene Entscheidungen, die bis heute unter Historikern kontrovers diskutiert werden. Einerseits wurde Roosevelt, der 26. Präsident der Vereinigten Staaten war, für seine Friedensvermittlungen gelobt, die maßgeblich zur Beendigung des Russisch-Japanischen Krieges beitrugen. Andererseits wurde seine aggressive Außenpolitik, insbesondere in Lateinamerika und der Karibik, kritisiert. Seine Rolle beim Bau des Panamakanals, die eine Intervention der USA in Panama einschloss, brachte ihm den Vorwurf des Imperialismus ein.
Aung San Suu Kyi (1991)
Nachdem Aung San Suu Kyi für ihren friedlichen Kampf für Demokratie in Myanmar geehrt wurde, geriet sie später wegen ihrer Untätigkeit angesichts der Verfolgung der Rohingya stark in die Kritik. Ihr früherer Ruf als Symbol für Freiheit und Frieden wurde stark beschädigt, als sie als Regierungschefin Myanmars die Gewalt gegen die Rohingya-Minderheit nicht stoppte. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erkannte Aung San Suu Kyi 2018 den Ehrentitel „Botschafterin des Gewissens“ ab. Weitere Menschenrechtsorganisationen forderten außerdem die Aberkennung des Friedensnobelpreises.
Michail Gorbatschow (1990)
Gorbatschow wurde für seine Rolle bei der Beendigung des Kalten Krieges geehrt, aber seine innenpolitischen Maßnahmen und der Zerfall der Sowjetunion wurden in Russland und anderen Ländern stark kritisiert. Viele Russen machen ihn für den wirtschaftlichen Niedergang und die politische Instabilität nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verantwortlich. Trotz der internationalen Anerkennung bleibt sein Erbe in seinem Heimatland stark umstritten.
Mahatma Gandhi (nicht verliehen)
Man mag es kaum glauben: Gandhi wurde insgesamt zwölfmal für den Friedensnobelpreis nominiert, zuletzt in seinem Todesjahr 1948, aber nie ausgezeichnet. Da der Preis nicht posthum verliehen werden kann, beschloss das Komitee symbolisch, in diesem Jahr keinen Preis zu vergeben. Viele sehen in ihm den größten Verfechter des gewaltlosen Widerstands, dessen Prinzipien viele Friedensnobelpreisträger beeinflusst haben. Die Tatsache, dass er den Preis nie erhalten hat, obwohl er so viele inspiriert hat, bleibt ein ständiges Diskussionsthema.
Woodrow Wilson (1919)
Der damalige US-Präsident wurde für die Gründung des Völkerbundes geehrt, aber seine Unterstützung der Rassentrennung in den USA („Segregation“) ist ein dunkler Punkt in seiner Amtszeit. Während sich Wilson auf internationaler Ebene für den Frieden einsetzte, förderte er gleichzeitig Rassentrennung und Diskriminierung in den USA. Seine innenpolitische Haltung steht in krassem Gegensatz zu den Prinzipien, für die er den Friedensnobelpreis erhielt.
Mutter Teresa (1979)
Mutter Teresa wurde für ihre Arbeit mit den Armen in Kalkutta ausgezeichnet und galt lange Zeit als Symbol für Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe. Im Nachhinein sind sowohl ihr Wirken als auch ihre Person jedoch umstritten, u.a. wegen der sozialen und hygienischen Zustände in den von ihrem Orden betriebenen Sterbehäusern, der intransparenten Verwendung von Spendengeldern und dem vermeintlichen Hauptziel der Missionierung statt bedingungsloser Hilfe.