Wolodymyr Selenskyj hat ein bemerkenswertes Interview gegeben. Die Reaktion aus Moskau lässt nicht lange auf sich warten.
„Würden Sie Putin eliminieren?“Fünf Beleidigungen, eine Todesdrohung – Selenskyj sorgt für Wutanfall im Kreml
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit Aussagen in einem Interview für scharfe Reaktionen aus dem Kreml gesorgt. Im Gespräch mit der britischen Boulevardzeitung „The Sun“ hatte Selenskyj zuvor über mehrere russische Attentatsversuche auf ihn seit Kriegsbeginn berichtet und über die mögliche Eliminierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen. „Fünf oder sechs“ russische Attentatsversuche habe es bisher gegeben, erklärte Selenskyj.
„Es ist wie Covid, es wird jedes Mal einfacher“, scherzte der ukrainische Präsident. Er habe sich mittlerweile daran gewohnt, dass Russland Tötungskommandos in die Ukraine schicke. Darüber werde er vom ukrainischen Geheimdienst regelmäßig in Kenntnis gesetzt.
Wolodymyr Selenskyj über russische Attentatsversuche: „Es ist wie Covid, es wird jedes Mal einfacher“
Selenskyj warnte zudem vor einer russischen Operation namens „Maidan-3“. Das Ziel der russischen Geheimdienstoperation sei es, ihn als Präsident der Ukraine bis zum Jahresende zu stürzen, führte Selenskyj aus. „Vielleicht nicht durch Mord, Pläne ändern sich“, sagte der ukrainische Präsident. „Sie werden alle Werkzeuge nutzen, die ihnen zur Verfügung stehen.“
Die Anschuldigungen Selenskyjs sorgten prompt für eine wütende Reaktion aus Moskau. Dmitri Medwedew, ehemaliger russischer Präsident und nunmehriger Vizechef des Sicherheitsrats, polterte in seinem Telegram-Kanal gegen Selenskyj – und bedachte den Ukrainer mit gleich fünf Beleidigungen.
Putin-Vertrauter droht: „Dieser Narr hat kaum Chancen, ein hohes Alter zu erreichen“
„Dieser Narr hat kaum Chancen, ein hohes Alter zu erreichen“, drohte Medwedew zudem. Zuvor hatte er Selenskyj als „Vogelscheuche“, „bärtigen Irrwisch“ und „Abscheulichkeit“ bezeichnet und verkündet, der ukrainische Präsident habe einen „lächerlichen Kopf“.
Medwedew ist seit Kriegsbeginn mit seinen schrillen Wortmeldungen und wüsten Drohungen bekannt geworden. Der Sicherheitsratsvize gilt als enger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin. Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte der Politikwissenschaftler Thomas Jäger den ehemaligen russischen Präsidenten als „Putins Propagandabluthund“ bezeichnet.
Bemerkenswertes Interview: „Würden Sie Wladimir Putin eliminieren, Herr Selenskyj?“
Selenskyj sprach im Interview mit der „Sun“ auch über die Möglichkeit einer Eliminierung von Kremlchef Putin durch eine ukrainische Geheimdienstoperation. „Das ist ein Krieg, und die Ukraine hat jedes Recht, ihr Land zu verteidigen“, antwortete Selenskyj auf die Frage, ob Kiew die Chance nutzen würde, Putin „zu eliminieren“, wenn sie sich denn bieten würde.
Auch diese Aussagen provozierten prompt eine Reaktion aus Moskau. Es habe schon „oft verbale Angriffe auf Putins Leben“ aus der Ukraine gegeben, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow gegenüber dem Rossiya-1-Reporter Pawel Zarubin am Dienstag. „Wir sind uns dessen bewusst, sie werden keinen Erfolg haben“, fügte Peskow an. Es gebe in Moskau „keinen Zweifel“, dass die Ziele der „militärischen Sonderoperation“ erreicht würden, bekräftigte der Kremlsprecher.
Selenskyj warnt vor Putins Plänen für den Balkan
Selenskyj nutzte das Interview unterdessen auch, um vor den Zukunftsplänen Moskaus zu warnen. Ukrainischen Informationen zufolge wolle Russland auch auf dem Balkan „Konflikte schüren“, Putin wolle ein „weltweites Feuer entfachen“, erklärte Selenskyj auch mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten. „Wir glauben, dass sie sich auf dem Balkan bereits vorbereiten“, sagte Selenskyj. Zuletzt hatte es insbesondere zwischen Serbien und dem Kosovo immer wieder Spannungen gegeben.
Mit Blick auf die schleppend verlaufende ukrainische Gegenoffensive forderte Selenskyj weitere Unterstützung des Westens. Erst wenn die größten Städte der Ukraine vollständig mit Luftverteidigung ausgerüstet seien, würden geflohene Ukrainer ins Land zurückkehren – was zu mehr Steuereinnahmen für Kiew und somit einem höheren Verteidigungsetat führen würde, sagte Selenskyj.
Ukraine glaubt nicht an Verhandlungslösung mit Putin: „Sie wollen uns töten“
An eine Verhandlungslösung glaubt Selenskyj unterdessen weiterhin nicht. „Wir glauben nicht, dass Putin oder Russland den Krieg beenden will“, erklärte Selenskyj. „Sie wollen uns töten. Und wir wollen Gerechtigkeit“, fügte er an. Einen „Frieden um jeden Preis“ werde Kiew nicht akzeptieren, kündigte Selenskyj an. „Wir sind bereit, weiter durchzuhalten.“
Zuletzt hatte es wieder vermehrt Verhandlungsforderungen im Westen gegeben. Auch in Moskau gibt es allerdings keine Gesprächsbereitschaft. Der Kreml versichert zwar regelmäßig, man sei offen für Verhandlungen, allerdings immer nur mit dem Zusatz, dass dafür zunächst alle russischen Kriegsziele erreicht werden müssten, was einer Niederlage Kiews gleichkäme.