Nach dem tödlichen Brand in Sankt Augustin war eine Einheit zur psychologischen Unterstützung im Einsatz – ein Teammitglied erzählt.
Sankt Augustin„Da sein und zuhören“ – So unterstützt die PSU Feuerwehrleute nach einer Tragödie
Das Leid und die Trauer der Angehörigen nach dem Tod einer Feuerwehrfrau und eines Feuerwehrmannes am vergangenen Sonntag sind unermesslich. Und auch die Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr sind in hohem Maße betroffen. Denn aus der großen Familie der Einsatzkräfte fehlen nach dem verheerenden Brand zwei geschätzte Mitglieder.
Die Anteilnahme und die eigene Betroffenheit sind groß. Für das Team der psychosozialen Unterstützung (PSU) der Feuerwehren Rhein-Sieg war es ein Großeinsatz, mit einer Besonderheit: Der Leiter des Teams, Frank Pütz, ist selbst Mitglied der Einheit Niederpleis. Sein Stellvertreter Thomas Knoch übernahm daher die Leitung des Teams, das Unterstützung von den PSU-Teams der Berufsfeuerwehren Bonn und Köln sowie aus dem Rheinisch-Bergischen und dem Oberbergischen Kreis erhielt. Mehr als 50 PSU-Kräfte und Mitglieder der Notfallseelsorge waren am Sonntag und in der darauffolgenden Nacht in Sankt Augustin.
Einsatzleiter vor Ort entscheidet, ob PSU-Kräfte gerufen werden
Knoch, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr Rheinbach, weiß, wie es ist, wenn Feuerwehrleute sterben. In der Flutnacht auf den 15. Juli 2021 hat seine Wehr zwei Einsatzkräfte verloren. Doch es gibt kein Standardszenario für ein solches Ereignis. Gleichwohl hat sich die psychosoziale Unterstützung gut vorbereitet und Verfahren entwickelt, um die Helfer zu begleiten und zu betreuen.
„Wir werden nicht automatisch alarmiert“, beschreibt er den Weg, wie sein Team einsteigt.„Das muss der Einsatzleiter vor Ort entscheiden. Es kommt auf die Art des Einsatzes an.“ Es kann sein, dass die PSU-Kräfte direkt die Einsatzstelle anfahren oder aber in die Gerätehäuser kommen. „Auch wenn wir vor Ort sind, sprechen wir die Kameradinnen und Kameraden nicht an. Das wäre der falsche Ort.“
Denn die Arbeit muss gemacht werden, das ist auch für die Wehrleute wichtig. „Dort beobachten wir die Situation und beraten die Einsatzleitung“, schildert Knoch. Das kann zum Beispiel der Hinweis sein, Leute zurückzuziehen, damit möglichst wenige direkt am potenziell traumatisierenden Ereignis dran sind, sei es nun ein Brand oder ein schwerer Verkehrsunfall. Sie achten auf die Reaktionen der einzelnen Beteiligten.
Feuer-Tragödie in Sankt Augustin: Einheit Niederpleis als erstes abgezogen
Am Sonntag gab es in den Lagebesprechungen stets eine enge Abstimmung mit der Einsatzleitung. Angesichts der Größe des Geschehens und der Vielzahl der Beteiligten bildete auch das PSU-Team Einsatzabschnitte. „Welche Einheiten sind besonders betroffen? Das ist eine der entscheidenden Fragen“, erzählt Knoch. So wurde die Einheit Niederpleis, aus der die beiden Toten stammen, am Nachmittag aus der Brandbekämpfung abgezogen.
Die Feuerwehr Sankt Augustin folgte mit einigem Abstand. „Wir machen das Angebot für Gespräche, das ist freiwillig. Das wird sehr gut angenommen“, berichtet der Feuerwehrmann. „Im ersten Moment tun wir gar nicht so viel, wir sind da.“ Im Einsatzabschlussgespräch wird dann einmal kurz durchgegangen, was passiert ist, und alle werden auf denselben Wissensstand gebracht, um ein möglichst realistisches Bild zu haben.
Belastende Ereignisse können Stressreaktionen hervorrufen
Dort werden die Einsatzkräfte darüber informiert, dass die potenziell belastenden Ereignisse in den kommenden Stunden oder Tagen Stressreaktionen hervorrufen können. Wichtig ist, sie noch mal daran zu erinnern, dass das völlig normal ist. Das können Einschlafstörungen sein, wenig oder viel Hunger, kreisende Gedanken, Vermeidungsstrategien, um nicht am Einsatzort vorbeizukommen. Eher stille Menschen reden plötzlich viel, die eher lauten werden leise.
Das PSU-Team macht weitere Gesprächsangebote, für Einzelne wie für die Gruppe. „Am besten ist das nach etwa drei Tagen“, so die Erfahrung von Knoch. „Niederpleis ist jetzt ganz besonders betroffen, wir sind da für weitere Einzelgespräche.“ Für die anderen Einheiten aus Sankt Augustin gilt das Angebot aber gleichermaßen. Ein weiteres Gruppengespräch ist dann nicht mehr vorgesehen. „Wir sind reaktiv“, beschreibt Knoch. Gibt es die Vereinbarung, gehen die PSU-Teamer proaktiv auf die Wehren zu.
PSU-Team im Rhein-Sieg Kreis – 25 Helfer derzeit im Dauereinsatz
„Üblich wären Jahrestage, da gibt es noch mal Gesprächs- oder Beratungsbedarf. Wir versuchen, mit den Betroffenen zusammen zu entwickeln, was ihnen guttut.“ Sie informieren auch über die Risiken: „Sei dir klar, was das auslösen kann.“ Abstimmung mit Seelsorgern Knoch und seine Mitstreiter begleiten das gern. „Jetzt stehen die aktuellen Ereignisse an, die Bestattungen und Gedenkfeiern“, erklärt Knoch. Das Angebot für die Beratung an die Einheitsführer steht, das PSU-Team ist vorbereitet.
Knoch und seine Begleiter, insgesamt im Rhein-Sieg-Kreis etwa 25 Helfer von Feuerwehr, DLRG, Rettungsdienst und andere Interessierte, sind als PSU-Helfer oder PSU-Assistenten ausgebildet. Es gibt auch Psychologen und Sozialarbeiter im Team. Bei einem Alarm stellen sie sich ehrlich die Frage: „Bin ich jetzt gerade bereit für einen solchen Einsatz?“ Nur bei einem Ja fahren sie los. Sie schauen genau auf sich selbst und stimmen sich vor Ort eng mit der Notfallseelsorge ab, die primär für die Angehörigen zuständig ist. Eins sei sicher, sagt Knoch: „Wir schicken niemanden weg.“ Derzeit sind sie im Dauereinsatz.
Hilfe aus den eigenen Reihen
Aus den eigenen Reihen kommt die Psychosoziale Unterstützung (PSU) für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr: Speziell geschulte Einsatzkräfte helfen, belastende Eindrücke zu verarbeiten. Immerhin setzen sich die Ehrenamtler Gefahren aus, retten Verletzte, bergen Tote und müssen unter Umständen mit ansehen, wie Kameraden zu Schaden kommen.
Die Hilfe des PSU-Teams kann während eines Einsatzes nötig sein oder in der Nachbesprechung; manchmal seien es auch die Erlebnisse mehrerer Einsätze, die die Seele verletzten. Auch posttraumatische Belastungsstörungen gehören dazu. Die PSU-Teams erkennen auch, wann professionelle psychotherapeutische Hilfe nötig ist, und vermitteln.