Stromorchester in der EifelKonzert mit Laubbläser und Kaffeemaschinen in Kall
Kall-Scheven – Was ist Musik? Sind es nur wohltemperierte Klänge, die von ausgebildeten Musikern auf Instrumenten erzeugt werden? Oder gibt es da mehr? Ist ein Klang nur dann Kunst, wenn er der traditionellen Harmonie- und Musiklehre entspricht? Wo endet das Geräusch, und wo beginnt der Ton?
Wenn Kunst dazu dient, Grenzen auszuloten und Sichtweisen zu erweitern, dann ist das Konzert des Ersten Deutschen Stromorchesters von Rochus Aust, das im Alten Bahnhof in Scheven auftrat, ein Musterbeispiel dafür, was möglich ist. Mit Laubbläsern und Kaffeemaschinen, Computern, Blockflöte, Hawaiigitarre und Trompete loteten die sieben Musiker in einer groß angelegten Performance den Kosmos der Klänge aus und zeigten, wo der Klang des Alltags zur Kunst wird.
Als Klangtüftler und Komponist neuer musikalischer Universen hat sich der Trompeter Rochus Aust einen Namen gemacht. Mit Schalk und Humor erprobt er kompositorische Unmöglichkeiten und inszeniert Events, die die Gepflogenheiten des Konzertbetriebs auf den Kopf stellen und mit feinem musikalischem Empfinden die Grenzen der Hörgewohnheiten erweitern.
Musik aus Kaffeemaschinen bei Kaller Konzert
Denn Musik entsteht auch im Alltag, wenn ein beliebiges Geräusch seine Umgebung dominiert. Das Blubbern einer Kaffeemaschine mag als anregend oder störend empfunden werden, doch wenn die Klänge von drei Kaffeemaschinen elektronisch verstärkt aus dem Hintergrund gehoben werden, wie im Stück „Serenity/Kaffeeballett“, und die Musiker regungslos davorstehen, dann ist das Kunst.
Eindrücklich dargeboten wurden die vier Stücke in dem Zyklus „Die Utopie vom Gewinnen“ auch durch das Ambiente des Alten Bahnhofs. An mehreren Stellen hat Aust in dem Gebäude Decken entfernt und damit spannende Durch- und Einblicke geschaffen, die den Zuschauern immer wieder neue Sichtweisen ermöglichten. Denn das Herumlaufen in dem Gebäude war ausdrücklich erwünscht.
Auch traditionelle Instrumente bei Stromorchester im Einsatz
Empfangen wurden die Besucher von der „Ganz großen Fuge“, einer mit den Geräuschen chinesischer Radfahrer erweiterten digitalen Bearbeitung der Großen Fuge von Beethoven und dem „Digital Freeze“, der Zusammenmischung von Stücken der Komponisten Henry Purcell, Tomaso Antonio Vitali und Georg Philipp Telemann, erweitert durch live gespielte Blockflöte. Immer wieder mischt Aust in seinen Werken digitale und analoge Klänge, traditionelle Instrumente und Alltagsgegenstände, was immer wieder wunderbare Momente ergibt.
Häufig spielt Aust mit den Grenzen zwischen Performance und Konzert, auch wenn er die Musiker im Kreis um vier alte Plattenspieler gehen und immer wieder die Tonarme auf die alten, zerkratzten Platten senken oder aufheben lässt.
Ob mit dem Laubbläser, vier alten Plattenspielern, die von den Musikern im Rundlauf bedient wurden, oder der neu gestalteten Tischtennisplatte, die beim Auftreffen eines Tischtennisballes digitale Klänge produziert, die Bandbreite der verwendeten Klangerzeuger war erstaunlich.
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Anlässlich der wieder auf der Eifelstrecke verkehrenden Eisenbahn, die sich immer wieder reizvoll in die Klänge mischte, war das Konzert organisiert worden. „Wir spielen heute vier bereits bekannte Stücke“, erläuterte Aust. Ihm sei aufgefallen, dass sie sich alle um das Thema Gewinnen und Verlieren drehen würden, wie das Stück „Schiffe versenken“, in dem zu Musik und Klangkollagen Kombinationen aus Zahlen und Buchstaben gerufen werden. Mit dem Ersten Stromorchester gestaltete Aust einen ganzheitlichen Abend begeisternder Hör- und Guckerlebnisse.