In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Kölner Zeit vor. Historiker Anselm Weyer hat sich diesmal mit Sir Arthur Conan Dyle befasst.
Serie „Spurensuche“Als der Sherlock-Holmes-Schöpfer Halt in Köln machte
Eine Elfenbeinstatue, unter die „Frieden“ eingraviert war, diente 1911 als Trophäe der Prinz-Heinrich-Fahrt, benannt nach dem Bruder Kaiser Wilhelms II. Die Rundfahrt, die auch durch Köln führte, sollte ein freundschaftlicher Wettstreit zwischen Deutschland und Großbritannien sein. Doch 1914 erklärte ein Teilnehmer im Buch „The German War“, die Veranstaltung sei nur vordergründig eine Sportveranstaltung gewesen. Logisch denkende Menschen hätten in ihr ein untrügliches Zeichen für den bevorstehenden Weltkrieg sehen müssen. Der Autor: Sir Arthur Conan Doyle, Erfinder des Meisterdetektivs Sherlock Holmes.
Sir Arthur Conan Doyle war deutschsprachigen Ländern durchaus zugetan. Der Schotte besuchte 1875 bis 1876 eine Jesuitenschule im österreichischen Feldkirch, studierte 1891 in Wien. So überrascht es nicht, dass sich der Schriftsteller neben 64 anderen Teilnehmern am 4. Juli 1911 in Homburg einfand und bei dieser Gelegenheit auch Journalisten Interviews gewährte.
Bei der Prinz-Heinrich-Fahrt in Köln
„Dass er seinen dürren, asketischen, zwischen Träumerei und stählerner Verfolger-Energie abwechselnden Detektiv nicht nach seinem eigenen Bilde geschaffen hat, sieht man auf den ersten Blick“, heißt es am Mittwoch, 5. Juli, auf der Titelseite der Kölnischen Zeitung. „Conan Doyle ist ein athletischer baumlanger, schwerer Mann von der Wucht eines Grizzlybärs. Aus dem runden, massigen Gesicht mit dem dichten blonden, spitzgedrehten Schnurrbart blicken freundliche blaue Augen und die stumpfe, gemütliche Nase wirkt friedlich. Lebhaft spricht er seine Bewunderung für Deutschland aus und erzählt, dass er ein eifriges Mitglied der englischen Gesellschaft zur Beförderung der guten Beziehungen mit Deutschland ist.“
Conan Doyle fuhr, wie alle Teilnehmer, im eigenen Auto: ein grüner Dietrich-Lorraine, 16 PS, liebevoll Billy genannt, den ein Hufeisen zierte. Bei allen freundschaftlicher Gebärden war das Misstrauen zwischen den Nationen groß. Die Fahrt war kein Wettrennen, sondern eher ein Verlässlichkeitswettbewerb. Die Mannschaft sollte gewinnen, die am Ende die wenigsten Strafpunkte zu verzeichnen hatte.
Um das zu kontrollieren, begleitete Doyle nicht nur seine Gattin Jean. „Nach den Regeln musste während der gesamten drei Wochen in jedem britischen Auto ein deutscher Offizier und in jedem deutschen ein britischer Offizier anwesend sein, um die Aufzeichnungen des Fahrers zu überprüfen“, erläutert Conan Doyle. „Persönlich hatten wir das Glück, einen Rittmeister der Breslauer Kürassiere zugeteilt zu haben, mit dem wir eine ziemliche Freundschaft schließen konnten.“
Eine politisch aufgeladene Zeit
Aber war das wirklich Freundschaft? Die Idee sei es gewesen, eine falsche Harmonie zu suggerieren und die Spannung aus den in der Luft liegenden politischen Entwicklungen zu nehmen, folgerte Conan Doyle. Genau zur Zeit der Prinz-Heinrich-Fahrt nämlich, in den ersten Juli-Tagen 1911, entsendete das Deutsche Reich das Kanonenboot Panther an der südwestlichen Küste Marokkos nach Agadir, um Frankreich zur Abtretung von Kolonialgebieten zu bewegen. „Da Prinz Heinrich, der den Wettbewerb organisiert und daran teilgenommen hat, auch Chef der Deutschen Marine war, ist es offensichtlich, dass er wusste, dass die Panther nach Agadir fuhr und es eine direkte Verbindung beider Ereignisse gab, bei denen beiden er federführend war. Es war ein ungeschicktes Bühnenstück, das unmöglich erfolgreich sein konnte.“ Britische Offiziere hätten ihm gegenüber zudem einen Kriegsbeginn für 1914 oder 1915 prognostiziert, berichtet der Autor. „Als ich fragte, warum gerade in diesem Jahr, war die Antwort, dass bis dahin die deutschen Vorbereitungen abgeschlossen seien, insbesondere die Verbreiterung des Nord-Ostsee-Kanals.“ Somit sei der Wettbewerb nur ein Vorwand gewesen sei, auch damit deutsche Offiziere durch Großbritannien reisen konnten, um es auszuspionieren.
Prinz Heinrich von Preußen und Herzog von Connaught gaben sich die Ehre
Am Mittwoch, 5. Juli 1911, ging es von Homburg los über Koblenz und Bonn bis nach Köln. Ab 15 Uhr trudelten die ersten Wagen über die Militärringstraße ein, irgendwann auch Startnummer 1 mit Prinz Heinrich selbst am Steuer. Ziel war ein Flaggenmast am Oberländer Ufer, gegenüber der damaligen Handelshochschule, auf dem die britische und die deutsche Flagge flatterten. In etwa 100 Meter Höhe schwebte ein Fesselballon des Continental Pneumatik. Unter Jubel der Passanten fuhren die Autos danach noch weiter, über Holzmarkt, Trankgasse und das damalige Kaiser-Friedrich-Ufer bis zum Niederländer Ufer, weiter bis zum Mülheimer Häuschen und schließlich über die Riehler Straße bis zur Boltensternstraße.
Abends lud der Kölner Automobil-Klub in die prächtig geschmückten Gärten und Terrassen des Hotel du Nord, Frankenplatz östlich vom Dom, zur festlichen Begrüßung. Nicht zuletzt Prinz Heinrich von Preußen und Herzog von Connaught gaben sich die Ehre. „Die Tische waren geschmackvoll geziert“, schreibt die Presse. „Die Festteilnehmer gruppierten sich zwanglos an kleinen Tischen, die nicht nur auf der Terrasse, sondern auch an den Seiten des großen Blumenparterres Aufstellung gefunden hatten. Der laue Sommerabend begünstigte die Veranstaltung. Musikvorträge der Deutzer Kürassierkapelle erhöhten die Stimmung.“
Nicht bei Arthur Conan Doyle. Was genau vorgefallen ist, lässt sich nicht rekonstruieren. Das deutsche Militär habe in Köln nicht die angemessene Höflichkeit an den Tag gelegt, und auch die der Gruppe zuteil gewordene Gastfreundschaft sei unbedeutend gewesen, kritisierte Doyle später nebulös.
Bei schönem Wetter jedoch ging es am nächsten Tag weiter. Nach allen Seiten grüßend sei Prinz Heinrich den Rhein entlang fortgefahren, durch lebhaften Verkehr über die Hohenzollernbrücke nach Deutz und von da über Düsseldorf nach Münster. Nach einer Etappe bis Bremerhaven ging es über den Ärmelkanal, wo Großbritannien die Fahrt siegreich beendete.
Kurze Zeit später gab es tatsächlich Krieg. Spätestens da sanken Conan Doyles ursprünglich für Deutschland gehegten Sympathien auf den Nullpunkt. „Kann es einen anderen Ausdruck geben als Politik des Mordes für den Einsatz der Luftwaffe durch Deutschland?“, fragte Doyle im Sommer 1914. „Es war stets ein Grundsatz der Kriegsführung, nicht fortifizierte Städte nicht zu bombardieren. Daran haben sich die Briten so streng gehalten, dass es ein Pilot der auf der Suche nach einem Zeppelin-Stützpunkt über Köln flog, unterließ, eine Bombe fallen zu lassen, damit ja kein Unschuldiger leide. Dabei ist Köln eine Festungsstadt.“ Im Oktober 1914 fielen dann doch erste britische Bomben auf Köln.