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Kölner Serie „Spurensuche“Vom Flaggenstreit beim Köln-Besuch von Paul von Hindenburg

Lesezeit 5 Minuten
Hitler und Hindenburg im ‚Reichsehrenmal‘ in Tannenberg am 27. August 1933.

Hitler und Hindenburg im 'Reichsehrenmal' in Tannenberg am 27. August 1933.

Wo hat Sepp Herberger trainieren lassen? Wo war Casanova unterwegs? In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Zeit in Köln vor, Orte ohne Gedenktafeln. Anselm Weyer widmet sich heute Reichspräsident Paul von Hindenburg.

Zwar war Paul von Hindenburg seit fast einem Jahr Reichspräsident, aber zu einem Besuch in Köln hatte er sich bisher einfach nicht entschließen können. Schuld daran waren die Briten, die hier nach dem Ersten Weltkrieg als Besatzungsmacht das Sagen hatten. Als Hindenburg dann 1926 endlich kam, war der Jubel unbeschreiblich, zeigte aber auch Deutschlands Zerrissenheit.

Schon als Kleinkind hatte Paul von Hindenburg in Köln gelebt. Sein Vater war beim Militär, was Auswirkungen auf den Wohnort der Familie hatte. „Das Los des Soldaten, zu wandern, führte meine Eltern von Posen nach Köln, Graudenz, Pinne in der Provinz Posen, Glogau und Kottbus“, schreibt Hindenburg in seinen Erinnerungen. Zwar sei der Aufenthalt in Köln „nur von kurzer Dauer“ gewesen, habe jedoch durchaus Eindruck auf den etwa zweijährigen Jungen gemacht: „Aus der Kölner Zeit schwebt mir das Bild des mächtigen, jedoch noch unvollendeten Domes vor.“

Die undatierte Aufnahme zeigt den Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der vor 150 Jahren, am 2.Oktober 1847 in Posen geboren wurde.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der vor 150 Jahren, am 2.Oktober 1847 in Posen geboren wurde.

Der heitere Sinn und das freundliche Entgegenkommen des Rheinländers berührten mich
Paul von Hindenburg

Später machte Hindenburg selbst beim Militär Karriere und wurde auch am Rhein stationiert. „Durch meine Ernennung zum Chef des Generalstabes des VIII. Armeekorps in Koblenz kam ich im Jahre 1896 zum ersten Male in nähere Berührung mit unserer Rheinprovinz“, berichtet Hindenburg. „Der heitere Sinn und das freundliche Entgegenkommen des Rheinländers berührten mich durchaus angenehm: an das leichtere Hinweggleiten über ernstere Lebensfragen und eine im Verhältnis zu dem Norddeutschen weichere Art des Empfindens musste ich mich dagegen offen gestanden erst gewöhnen.“ Aber die Eingewöhnung war erfolgreich. „Das frohe Leben am Rhein zog“, so schreibt Hindenburg, „auch mich in seinen Bann, und ich verlebte dort viele frohe Stunden.“

1911 wurde Hindenburg in den Ruhestand versetzt. Doch im Ersten Weltkrieg wurde er nicht nur reaktiviert. Schnell führte er die Oberste Heeresleitung an, die über diktatorische Regierungsmacht verfügte. Das Kriegsende verhinderte weitere Besuche am Rhein. Den nämlich besetzten die Alliierten. Der Versailler Vertrag sah die Verfolgung von „wegen eines Verstoßes gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges angeklagten Personen“ vor. Ganz oben auf der Namensliste stand Generalfeldmarschall Hindenburg. Unter anderem der unbegrenzte U-Boot-Krieg verstieß gegen damaliges Kriegsrecht. Die Sache verlief zwar im Sande. Die Alliierten wollten die angespannte politische Stimmung in der Weimarer Republik aber nicht verschärfen, zumal Deutschland versicherte, allen Anschuldigungen vor deutschen Gerichten nachgehen zu wollen. Doch auch nach seiner Wahl zum Staatsoberhaupt im Jahr 1925 fühlte sich Hindenburg, anders als sein Vorgänger Friedrich Ebert, nicht bemüßigt, Territorium zu betreten, wo die Alliierten das Sagen hatten.

Nach Abzug der Briten kam Hindenburg nach Köln

Die Briten zogen im Januar 1926 aus der Kölner Zone ab. Und schon am Sonntag, dem 21. März, kam der fast 80 Jahre alte Reichspräsident von Hindenburg, um diese Räumung zu feiern. Er reiste morgens aus Berlin an wie ein Kaiser. Etliche Wagen seines Sonderzugs entstammten dem früheren Hofzug. Vom Bahnsteig führte ein breiter Läufer zum Empfangsflügel des Hauptbahnhofs, wo ihm die kleine Tochter von Oberbürgermeister Konrad Adenauer einen prächtigen Blumenstrauß überreichte. Danach schritt Hindenburg hinaus ins Frühlingswetter, blieb ob des Jubels der Bevölkerung am Ausgang des Bahnhofs gerührt stehen, den Hut in der Hand, und fuhr in militärisch-strammer Haltung im offenem Mercedes, eskortiert von berittener Polizei, langsam durch die Zuschauermenge am Dom, während Flugzeuge in Schleifenfahrt über ihm kreisten.

Über Marzellenstraße, An den Dominikanern, Unter Sachsenhausen, Gereonstraße und Mohrenstraße gelangte er zu seinem Quartier im Regierungsgebäude in der Zeughausstraße. Von dort aus fuhr er kurz später zum Rathaus, wo ihn in der Laube Kriegsveteranen von 1864, 1866 und 1870/71 begrüßten, denen Hindenburg allen ergriffen die Hand schüttelte. An den Empfang im Muschelsaal des Rathauses schloss sich gegen 10.45 Uhr eine Rundfahrt durch die Stadt an. Alle Kölner Vereine und Verbände waren aufgefordert, sich an der Spalierbildung zu beteiligen, denn die Strecke war lang, führte über Alter Markt, Heumarkt, Schildergasse und Neumarkt, dann auf die nördlichen Ringe und vom Rheinufer über die Dombrücke nach Deutz, wo Hindenburg über Konstantinstraße und Urbanstraße zur eigentlichen Befreiungsfeier in der Messe kutschiert wurde.

Danach ging es in einem Auto mit Adenauer weiter, über Deutzer Brücke und Gürzenichstraße zum Casino auf dem Augustinerplatz. Und für 19 Uhr lud die Stadt zum Beisammensein im Großen Saal des Gürzenich. Krönender Abschluss war, als der Reichspräsident mit Oberbürgermeister Adenauer und vielen anderen Ehrengästen um 22 Uhr auf dem Balkon des Rathauses erschien, um den Fackelzug Kölner Vereine und studentischer Korporationen zu würdigen.

Welche Flagge sollte nun gehisst werden?

Konfliktpotenzial bargen die Feierlichkeiten, weil Kölner aufgerufen waren, ihrer Freude über die Befreiung ihrer Heimat durch Beflaggung Ausdruck zu geben. Die Frage war nur: Welche Flagge? Viele hatten den bekannten Royalist Hindenburg zum Staatsoberhaupt gewählt, weil man sich von ihm eine Rückkehr zur Monarchie erhoffte. Großteile der Bevölkerung, darunter Organisationen wie der Stahlhelm, mit dem Hindenburg mehr als nur sympathisierte, fremdelten mit dem Schwarz-Rot-Gold der jungen Republik und hielten in alter Liebe zu den Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot. So entbrannte im Vorfeld ein Flaggenstreit. Offiziell wurde Schwarz-Rot-Gold beflaggt. Doch auch alte Reichsflaggen wehten allenthalben. Der Zwiespalt in der Gesellschaft wurde offenkundig. Da konnte Adenauer Hindenburg in seiner Rede noch so pathetisch als „Herold wahrer Volksgemeinschaft“ feiern und der Staatspräsident selbst flammend kritisieren, dass „unser alter Erbfehler, die Uneinigkeit, die deutsche Stärke“ lähme.

Am nächsten Morgen fuhr Hindenburg unter den Klängen des Deutschlandlieds weiter zu der Befreiungsfeier in Bonn. Die Konflikte im Land sollten sich unter seiner Ägide zunehmend verschärfen, gipfelnd darin, dass Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannte. Es dauerte, bis der Personenkult um Hindenburg schließlich eine Wendung nahm. Die ihm am 30. März 1933 verliehene Ehrenbürgerwürde der Stadt Köln wurde am 27. April 1989 wieder aberkannt.

Anselm Weyer beschäftigt sich intensiv mit der Kölner Stadtgeschichte. Zuletzt veröffentlichte der Autor das Buch „Insel der Seligen“.