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Kölner Serie „Spurensuche“Brigitte Mira und ihre Zeit als Tänzerin in Köln

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Brigitte Mira

Brigitte Mira

Eigentlich gilt Brigitte Mira als typische Berlinerin. Aufgewachsen ist sie jedoch in Düsseldorf – und hat in Köln Anteil an einem echten Stück Musikgeschichte. Anselm Weyer hat sich erneut auf „Spurensuche“ begeben.

„Geboren bin ich eher zufällig – in Hamburg. Allgemein gelte ich ja als Berlinerin par excellence, aber ich bin weder an der Spree geboren noch dort aufgewachsen“, verrät Brigitte Mira in ihrer Autobiografie: „Ich wuchs im Rheinland auf, in der Düsseldorfer Altstadt, gleich um die Ecke vom Theater.“ Als ihr Vater, der aus Russland eingewanderte jüdische Pianist Siegfried Mira, die Familie verließ, war Brigitte Mira erschüttert – folgte ihm jedoch darin, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Ab dem achten Lebensjahr nahm sie Tanzunterricht in Düsseldorf, später in Köln, und verdiente schließlich als Tänzerin ihr Geld. Unter dem Künstlernamen Valencia Stramm landete sie 1928 am Städtischen Theater in Düsseldorf und wechselte schon kurz darauf, wie nahezu die komplette Tanzgruppe, zum Tanzchor des Opernhauses Köln. Über ihr schwebte immer noch ihr Vater, den sie zunächst noch sporadisch gesehen hatte. „Als ich nach Köln ins Engagement ging, verlor ich ihn aus den Augen“, berichtet Mira allerdings. „Dieser Liebesverlust hatte meinen Ehrgeiz angespornt. Jetzt wollte ich ihm unbedingt beweisen, dass seine Tochter das Zeug dazu hatte, eine große Künstlerin zu werden.“

Mit einer blonden Perücke singt die deutsche Schauspielerin Brigitte Mira auf der Bühne der ‚Bar-jeder-Vernunft-Revue‘ in Berlin

Mit einer blonden Perücke singt die deutsche Schauspielerin Brigitte Mira auf der Bühne der 'Bar-jeder-Vernunft-Revue' in Berlin

Tatsächlich war Brigitte Mira beteiligt, als in Köln Musikgeschichte geschrieben wurde. Igor Strawinskys 1913 uraufgeführtes Skandalballett „Le sacre du printemps“ war zwar schon mehrere Male in Deutschland konzertant aufgeführt worden, auch in Köln. Getanzt worden war es in Deutschland aber bislang nur in Berlin durch das Ensemble Ballets Russes, für das Strawinsky es komponiert hatte.

Für den Mai 1930 nun kündigte das Kölner Opernhaus am Rudolfplatz eine kleine Sensation an: „die reichsdeutsche Uraufführung von „Le Sacre du Printemps“ von Strawinsky als Ballett, inszeniert vom Intendanten Professor Max Hofmüller. Unter den Tänzern: Valencia Stramm alias Brigitte Mira. „Der Beifall des leider nur spärlich besetzten Hauses war stürmisch“, berichten die Zeitungen von der Premiere.

Eisenharte Disziplin des Balletts lag ihr nicht

Für Mira sollte es aber nicht beim Tanzen bleiben. „Ewig Spitze tanzen, immer auf die Figur achten und die eisenharte Disziplin des Balletts lagen mir als jungem Mädchen nicht unbedingt. Und welche Aussichten hatte ich?“, fragte sie sich. „Als Tänzerin ging man ja damals mit 30 in Rente. Ich wusste instinktiv, dass mich der Tanz allein auf die Dauer nicht glücklich machen würde. Es drängte mich zum Gesang, also nahm ich Stunden, und ich war selbst überrascht, als man mir sagte, dass ich mit einer entwicklungsfähigen Naturstimme ausgerüstet war.“

Die Oper Köln bot ihr die Chance, sich auch Sängerin zu präsentieren, immer noch unter ihrem Künstlernamen. „In der komischen Oper ‚Die verkaufte Braut‘ von Friedrich Smetana“ werde, so ließ eine Pressemeldung im Juni 1930 verlauten, auch Valencia Stramm mitspielen, „ein Mitglied der Tanzgruppe des Opernhauses, das zum ersten Male eine Gesangspartie in einer Oper übernimmt“. Ihr Auftritt, wenngleich in überschaubarer Rolle, blieb nicht unbemerkt. Der Kölner Lokal-Anzeiger erwähnt in seiner Rezension jene „Valencia Stramm in wirkungsvoller Doppelbetätigung als Tänzerin und Sängerin“. Und auch die Kölnische Zeitung berichtet: „Valencia Stramm als Esmeralda zeigte außer ihrer Gazegrazie noch eine hübsche Soubrettenstimme.“

Derart ermutigt, legte die singende Tänzerin ihren alten Künstlernamen ab und begann ihren Siegeszug auf den deutschen Bühnen. „Noch in der vergangenen Spielzeit gehörte dem Ballett des Kölner Opernhauses, nicht einmal als Solotänzerin, eine junge begabte Tänzerin an, Gitta Mira, die vorher im Ballettkorps der Düsseldorfer Oper tätig gewesen war“, berichtet im März 1931 die Münstersche Zeitung. „Nach einer kurzen gesanglichen Ausbildung bei einem Kölner Gesangspädagogen übertrug ihr der Opernspielleiter Dr. Hezel gegen Ende der Spielzeit die kleine Rolle der Esmeralda in Smetanas Oper ‚Die verkaufte Braut‘. Da in der Kölner Oper für die junge Künstlerin kein Wirkungskreis gefunden werden konnte, folgte sie mit Beginn der neuen Spielzeit einem Angebot des Stadttheaters Bremerhaven. Dort, in dem kleinen Spielkörper, der an die Vielseitigkeit seiner Mitglieder besondere Anforderungen stellt, entwickelte sich die Künstlerin überraschend schnell zu einer erstklassigen Operettenkraft, die auch Opernrollen übernahm und selbst im Schauspiel gut abzuschneiden wusste.“

Für Mira ging die Reise weiter über Magdeburg und Hannover bis schließlich nach Berlin. Hier überstand Mira, die den Nationalsozialisten als Halbjüdin galt, nicht nur mit gefälschten Papieren das Dritte Reich, sondern feierte immer größere Erfolge, etwa am berühmten Kabarett der Komiker. Nachdem sie in der Nachkriegszeit wegen diverser Erfolge in volkstümlichen Theaterstücken oder betulichen Filmen irgendwann als seicht abgetan wurde, erkannte Rainer Werner Fassbinder Miras Potenzial und besetzte sie 1974 in seinem Film „Angst essen Seele auf“.

Später Durchbruch als Charakterdarstellerin

Als verwitwete Putzfrau Emmi, die sich in einen signifikant jüngeren Marokkaner verliebt, erlebte Mira ihren späten Durchbruch als Charakterdarstellerin, immerhin 64 Jahre war sie da schon alt. Dieser Erfolg hielt Brigitte Mira aber wiederum nicht davon ab, auch weiterhin Rollen mit größerer Breitenwirkung zu übernehmen – unter anderem in der Erfolgsserie „Drei Damen vom Grill“, die entscheidend ihr Image als Parade-Berlinerin prägte. Auch auf Tournee ging sie weiterhin. Nach Köln kam sie auch weiterhin, unter anderem gemeinsam mit Evelyn Künneke und Helen Vita mit ihrem Programm „Drei alte Schachteln“.

Nachdem sie am 8. März 2005 mit 94 Jahren starb, wurde sie auf dem Luisenfriedhof in einem Ehrengrab der Stadt Berlin beerdigt. Aber den Anfang nahm diese bemerkenswerte Karriere im Rheinland und insbesondere an der Oper Köln.