Im Kölner Varieté ‚Groß-Köln‘ erlebten die Comedian Harmonists 1929 ihre Geburtsstunde. Doch der Erfolg währte nicht lange.
Kölner Serie „Spurensuche“Als die „Comedian Harmonists“ im Jahr 1929 Köln eroberten
Im Kölner Varieté ‚Groß-Köln‘ erlebten die Comedian Harmonists in der dann sehr erfolgreichen Besetzung 1929 ihre Geburtsstunde. Doch der Triumphzug der jüdischen Musiker währte nicht lange. Anselm Weyer widmet sich in unserer „Spurensuche“ den Musikern.
Durchaus erfolgreiche Auftritte und sogar Plattenaufnahmen hatten die Comedian Harmonists schon vorzuweisen. Aber irgendwie fehlte zum richtigen Durchbruch noch der besondere Funken. Schließlich ist es gar nicht so einfach, viele individuelle Stimmen zu einem homogenen Klang zu vereinen, der trotzdem das gewisse Etwas hat. Und dann muss es ja auch noch menschlich stimmen. Wiederholt warfen Ari Leschnikoff, Harry Frommermann, Roman Cycowski, Erwin Bootz und Robert Biberti ihren zweiten Tenor raus, bis schließlich im März 1929 Erich A. Collin zu ihnen stieß. Ein neues Mitglied bedeutete viel Arbeit, denn die ausgeklügelten Vokalarrangements verziehen keinen Fehler. Aber jetzt passte endlich alles.
Nun waren die Comedian Harmonists komplett. „So kam es, dass die Zwangspause im Frühjahr 1929 nur kurz war“, sollte sich Bariton Roman Cycowski später erinnern. „Am 16. Mai begannen wir ein Engagement an dem Kölner Varieté ‚Groß-Köln‘“. Geburtsort der Comedian Harmonists war somit die Friesenstraße 44/46, wo das Ensemble erstmals in der heute bekannten Originalbesetzung für zwei Wochen mit einem 25-Minuten-Programm auftrat.
Das Gastspiel hatte nicht nur private Folgen für Bariton Roman Cycowski. „Dort habe ich meine Frau kennengelernt“, berichtete er über seine Begegnung mit Maria Panzram, die für ihn zum Judentum übertreten und mit der er bis an sein Lebensende zusammenbleiben sollte.
Das Publikum schrie vor Begeisterung
Vor allem war auch die Kritik voll des Lobes. Die Comedian Harmonists seien „eine Musiksensation“ und erhielten „Stürme des Beifalls“, berichtet die Presse. „Sie sind der Clou des Abends, von Kennern wie Laien gleichermaßen bewundert.
In den Männergesang bringen sie mit ausdrucksstarkem Humor, mimischen Spielereien und feinster Stimmkultur ihre bewusst individuelle Note. Ganz modern, ganz eigenartig bewahren sie in gewissermaßen komischer Ehrfurcht alte Tradition. Immerhin, eine seltene Leistung.“
Von nun an ging es steil bergauf. Lieder wie „Ein Freund, ein guter Freund“, „Wochenend und Sonnenschein“ oder „Veronika, der Lenz ist da!“ wurden zu Sensationserfolgen. Überall ausverkaufte Häuser. Das Publikum trampelte und schrie vor Begeisterung. Trotz Wirtschaftskrise schossen die Gagen stetig in die Höhe. Die Gruppe trat in Filmen auf und feierte im Ausland immense Erfolge. Auch nach Köln kam sie zurück. „Wenn man solche Musik hört, wird man froh“, lobt die Kölnische Zeitung nach den Gastspielen am 20. April und 4. Mai 1932 im großen Saal der Bürgergesellschaft am Appellhofplatz.
Für „zwei Stunden Kurzweil“ hätten sie am 11. Januar 1933 noch einmal im Saal der Lesegesellschaft, Langgasse 6, heute Neven-DuMont-Straße, gesorgt, berichtet die Presse. Dann kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Plötzlich waren die umjubelten Sänger nicht mehr männlich genug, ihr englischer Bandname und ihr Gesangsstil undeutsch. Zudem waren drei der sechs Comedian Harmonists Juden.
Konzerte wurden abgesagt – mal offen und offiziell, mal hinterrücks. Schließlich kam die Verordnung, dass nur noch Mitglieder der Reichsmusikkammer als Musiker Geld verdienen durften. Und Voraussetzung für eine Mitgliedschaft war der Ariernachweis.
Zunächst erhielten die Comedian Harmonists noch eine Ausnahmegenehmigung. Am 18. Februar 1934 konnten sie noch einmal im ausverkauften Großen Saal der Bürgergesellschaft in Köln ein Programm aufführen, das einen Schwerpunkt auf Deutsche Volkslieder setzte. Danach behalf sich die Gruppe mit Auslandstourneen. Das aber konnten oder wollten nicht alle Mitglieder endlos fortführen. Im Frühjahr 1935 standen die Comedian Harmonists letztmals gemeinsam auf der Bühne.
Dann war die wohl erfolgreichste Boyband der Dreißiger Jahre Vergangenheit. Ihre letzten Platten trugen symbolträchtige Titel wie „Lebe wohl, gute Reise“ und „Morgen muß ich fort von hier“.
Aus den Comedian Harmonists heraus bildeten sich allerdings zwei Nachfolgeensembles. Die drei jüdischen Sänger formten im Exil mit drei neuen Mitgliedern die „Comedy Harmonists“, die überaus erfolgreiche Tourneen bis nach Nordamerika und Australien unternahm. Und in Deutschland gründete sich eine neue Gruppe, die oftmals auch in Köln auftrat.
Schließlich hatte die Reichsmusikkammer ausdrücklich vorgeschlagen, es bleibe den nicht verbotenen Mitgliedern des Ensembles „unbenommen, mit anderen arischen Musikern nach Zulegung eines deutschen Namens anstelle der Bezeichnung Comedian Harmonists ihre musikalische Tätigkeit auszuüben.“ Von nun an nannten sie sich „Meistersextett, früher Comedian Harmonists“. „Die Umstellung vom Internationalen auf das Nationale erstreckt sich auf einige zuckersüß gesungene Volkslieder“, erklärt die Kölner Presse bei einem Konzert im Januar 1936.
Beide Ensembles jedoch lösten sich 1941 auf. Zwar überlebten alle Musiker der Originalbesetzung den Weltkrieg. Zu einem Wiedersehen aller Ensemblemitglieder kam es aber nie, geschweige denn zu gemeinsamen Auftritten oder Plattenaufnahmen.
Zwei Männer der Urbesetzung hinterließen Spuren
Einige Mitglieder der Gruppe traten dafür einzeln in der Domstadt auf. Pianist Erwin Bootz spielte beispielsweise 1981 beim Festival „Theater der Welt“ ein anderthalbstündiges Soloprogramm. Und Bass Robert Biberti kam im Januar 1984 zu einem Kölner Konzert der „King's Singers“.
Besonders große Spuren hinterließen in Köln jedoch zwei Männer, die nicht zur Urbesetzung der Comedian Harmonists gehörten. Einer davon war Herbert Imlau, der im August 1936 Bariton des Meistersextetts geworden war. Imlau trat nach dem Krieg mit mehreren Gruppe auf, die sich teils stark an den Stil der Comedian Harmonists anlehnten. Seinen Lebensmittelpunkt hatte er seit Frühjahr 1958 in Refrath bei Köln, später im Alten Traßweg 6 in Bergisch-Gladbach.
Besonders große Spuren aber hinterließ am Rhein Fred Kassen, der im Juli 1935 zum Meistersextett gestoßen war und dort zwischenzeitlich auch hinter den Kulissen eine tragende Rolle spielte. Nach dem Krieg wurde Kassen zum Komponisten und Pianisten der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ um Dieter Hildebrandt, bevor er im März 1959 in der Kölner Pipinstraße ein Kabarett gründete: das „Senftöpfchen“. Fred Kassen starb am 7. April 1972 in Köln und liegt auf Melaten begraben.