Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Saison im Pennenfeld1995/96 stürmen die Telekom Baskets durch die 2. Liga

Lesezeit 6 Minuten

Publikumsliebling Eric Taylor (r.) war auch in der Aufstiegssaison Baskets-Topscorer mit 24,1 Punkten. Hier im Zweikampf mit Bambergs Kai Nürnberger im Pokal-Viertelfinale (89:93).

Bonn – Streiten sich Fans der Telekom Baskets, wer schon länger Anhänger des Vereins ist, greift irgendwann einer zum ultimativen Argument: „Ich war schon im Pennenfeld dabei!“

Ja, das Pennenfeld. Diese biedere Godesberger Bezirkssportanlage, die in Lannesdorf den spröden Charme einer Schulturnhalle der 70er Jahre verströmt, rückt vor 25 Jahren in den Blickpunkt, als dort eine Mannschaft einen märchenhaften Aufschwung erlebt: In der Saison 1995/96 stürmen die Telekom Baskets mit 44:0-Punkten durch die 2. Liga Nord und machen in der Relegation den Sprung in die 1. Liga perfekt. Das löst einen nie gekannten Hype um Basketball aus.

Lange Schlangen: Der Andrang überstieg die Hallenkapazität bei weitem, mehrfach drängten sich mehr 2000 Zuschauer im Pennenfeld.

Davon ist im Frühjahr 1995 nichts zu ahnen, ist der Verein doch damit beschäftigt, die Enttäuschungen der alten Spielzeit zu verarbeiten. Damals noch als SV Telekom Bonn beendet die Mannschaft die 2. Liga Nord mit 22:22-Punkten nur auf Rang sieben und muss sich durch eine Abstiegsrelegation quälen. Dort gelingt der Klassenerhalt zwar ungefährdet, aber gleichzeitig blicken alle neidvoll auf die rechte Rheinseite, wo Lokalrivale Rhöndorfer TV durchstartet.

Rhöndorf 1995

Im Rhöndorfer Aufstiegsteam von 1995 finden sich viele Akteure, die bis heute wichtige Rollen im Basketball spielen: Michael Wichterich (heute Sportmanager der Baskets), Gunnar Wöbke (Geschäftsführender Gesellschafter der Frankfurt Skyliners), der tschechische Center Kamil Novak (Generalsekretär der FIBA Europe) und Martin Otto (Erfolgstrainer der Rhöndorfer Damen und Mädchen sowie im Rollstuhlbasketball). Dazu kommen 2,22-Meter-Riese Rolf „Bibo“ Mayr sowie die ehemaligen Leverkusener Nationalspieler Thomas Deuster und Moritz Kleine-Brockhoff – es ist schon eine starke Truppe, die den Bonnern im März 1995 klar die Schau stiehlt. (MK)

Die von Michael Laufer trainierten Drachen (heute Geschäftsführer des Honnefer Gymnasiums Hagerhof) werden mit 34:10-Punkten Meister der 2. Liga Nord. Auch die Aufstiegsrunde wird zur Erfolgsstory, nach dem 80:64 über den TuS Lichterfelde wird am 4. März 1995 am Menzenberg der Erstliga-Aufstieg gefeiert.

Trainer Bruno Socé als unerbittlicher Antreiber

In Bonn haben die Verantwortlichen um den damaligen Präsidenten Dr. Hans Braun und Abteilungsleiter Wolfgang Wiedlich im Hintergrund aber längst die Weichen für eine bessere Zukunft gestellt. Der Verein wird unter dem Namen Telekom Baskets neu gegründet – das eröffnet ein umfangreicheres Sponsoring des noch jungen Dax-Konzerns Telekom. Die sportlich wichtigste Entscheidung: Mit dem Kroaten Bruno Socé kommt ein neuer Trainer und unerbittlicher Antreiber.

Feierten den Aufstieg: Baskets-Präsident Dr. Hans Braun, Bonns OB Bärbel Dieckmann und Telekom-Konzernchef Ron Sommer (v. l.).

Der lässt nie locker, weder im Training noch im Spiel. Markenzeichen der Baskets wird schnell eine laufintensive Ganzfeldpresse, mit der sie die Gegner in der Defensive extrem früh attackieren. Ein zweiter entscheidender personeller Coup: Die Verpflichtung des 24-jährigen Klaus Perwas, der sich nicht zu schade ist, als aktueller Nationalspieler (hinter Bambergs Kai Nürnberger zweitbester deutscher Spielmacher) in die 2. Liga zu wechseln. Mit Publikumsliebling Eric Taylor, der zuvor zweimal in Folge Topscorer der 2. Liga war, bildet er ein kongeniales Guard-Duo von Erstligaformat.

Klaus Perwas kam als Nationalspieler in die 2. Liga nach Bonn.

Das Potenzial deutet die Truppe schon in einem Testspiel an, als sie den Erstligisten Trier mit 92:73 vorführt. Genauso fulminant der Saisonstart: 103:75 gegen Wolfenbüttel, 101:72 in Hannover und 93:59 gegen Paderborn lauten die ersten Ergebnisse. Solche Kantersiege bleiben Standard: Angeführt von Taylor (Punkteschnitt 24,1) und Perwas (19,6) gewinnen die Baskets in 18 der 22 Hauptrundenspielen mit mehr als 20 Punkten Abstand, in sieben Partien sogar mit mehr als 30 Zählern.

Taylor und Perwas ragen zwar heraus, für den Triumphzug sind aber andere ebenso verantwortlich. Center-Oldie Arvid Kramer (gleichzeitig Sportmanager des Teams) erlebt mit 39 Jahren seinen x-ten sportlichen Frühling und steuert mehr als 14 Punkte pro Spiel bei, zweistellig punkten auch der dynamische Reboundkönig Haug Scharnowski (13,3) sowie Flügelspieler Jan Rohdewald (10,8). Dessen Bruder Götz Rohdewald als bissiger Verteidiger und Karsten Schul (später unter Mike Koch Co-Trainer) als athletischer Center sind weitere Stützen.

Startschuss zur Aufstiegsfete am 27. April 1996: Arvid Kramer umringt von jubelnden Fans, von der Decke regnen Hunderte von Luftballons.

Und dann ist da noch der heimliche Publikumsliebling Farsin Hamzei. Der kleine Aufbauspieler mit iranischen Wurzeln fasziniert mit No-Look-Zauberpässen und Assists quer übers gesamte Feld. Klappen die hochriskanten Anspiele, reißt es die Fans von den Sitzen, aber dem strengen Trainer Socé ist zu viel Show dabei. Hamzei schmort oft auf der Bank, ehe er für ein paar Minuten ran darf.

Makellose Bilanz mit 22 Siegen in 22 Spielen

Gegen diese Truppe ist die Konkurrenz chancenlos. „So eine Mannschaft habe ich in der 2. Liga noch nie gesehen“, gibt Center Pat Elzie vom BC Johanneum Hamburg zu Protokoll, als die Baskets im Januar 1996 an der Elbe mit 111:83 den 15. Sieg im 15. Spiel feiern. Sechs Wochen später ist die makellose 44:0-Bilanz geschafft – aber noch nichts gewonnen. Denn der Aufstieg muss in einer Relegation von sechs Teams erkämpft werden – auch gegen die beiden Tabellenletzten der 1. Liga.

Farsin Hamzei (rechts) hatte bei Trainer Bruno Socé (l.) einen schweren Stand, die Zuschauer dagegen liebten seine spektakulären Pässe.

Es folgt Teil zwei des Triumphzuges – mit einem kleinen schwarzen Fleck auf der weißen Weste: Beim TuS Lichterfelde, dem damaligen Talentschuppen von Alba Berlin mit späteren Nationalspielern wie Drazan Tomic und Mithat Demirel sowie als Routinier dem bosnischen Nationalcenter Emir Mutapcic (später Trainer und Co-Trainer in Berlin und bis heute in München) setzt es mit 82:84 die einzige Saisonniederlage.

Im achten von zehn Spielen ist mit dem 94:72 in Speyer der Erstliga-Aufstieg aber zwei Wochen später perfekt. Nach dem letzten Spieltag (77:66 gegen Landshut) steigt eine rauschende Aufstiegsfeier im Pennenfeld mit OB Bärbel Dieckmann und Telekom-Konzernchef Ron Sommer als Gästen.

Die Fans rüsteten die Halle mit riesigen Lautsprechern auf.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nicht erst hier platzt die Halle, die auf eine Kapazität von 1300 Zuschauern ausgelegt ist, aus allen Nähten. In der zweiten Saisonhälfte drängen sich dort oft 1800 bis 2000 Besucher – beim Saisonhöhepunkt am 4. November 1995 sind es sogar 2300. Die Baskets haben auch im Pokal für Furore gesorgt, stoßen als einziger Zweitligist ins Viertelfinale vor und empfangen den Erstligisten Bamberg um die Liga-Legende Mike Jackel und Europameister Kai Nürnberger. Die Baskets fordern dem Erstliga-Vierten alles ab, ziehen mit 89:93 aber knapp den Kürzeren.

Baskets-Fans sorgen für satten Sound in der Halle

Es sind auch die Fans des Vereins, die sicherstellen, dass mit dem sportlichen Aufschwung auch Quantensprünge bei der Präsentation der Spiele einhergehen. So wuchten Freiwillige bei den Heimspielen wahre Lautsprechertürme in der Halle, platzieren Bass-Boxen unter den herausfahrbaren Tribünen, um damit für den Hallensprecher und Musikeinspielungen einen satten Sound zu schaffen, der mit der blechern klingenden Hallenanlage unmöglich war. Diese Eigeninitiative ist so etwas wie die Geburtsstunde des „Ameisenstaates“ Baskets, von dem Wolfgang Wiedlich später als Präsident immer wieder voller Stolz sprechen sollte.

Mit dem Aufstieg 1996 sind die Bonner wieder auf Augenhöhe mit dem Rhöndorfer TV, der seine Erstliga-Saison auf Rang elf abschließt. Die Fans auf beiden Seiten des Rheins können sich also wieder auf Derbys freuen – dass es 1996/97 gleich acht werden sollten, ahnt im Aufstiegstaumel im Pennenfeld noch niemand. Die Feier ist dort der letzte große Baskets-Tag: Für die 1. Liga ziehen die Bonner in die Hardtberghalle um.