Kölns Gegner Altglienicke„Eine Chance haben wir, wenn uns der FC nicht ernst nimmt“
- Der Fußball-Regionalligist und frischgebackene Berliner Landespokal-Gewinner VSG Altglienicke verzichtet in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen den Bundesligisten 1. FC Köln auf sein Heimrecht.
- Stattdessen wird die Partie am Samstag (15.30 Uhr) im Rheinenergiestadion ausgetragen. Mit VSG-Geschäftsführer Marco Schröder sprach Tobias Carspecken.
Herr Schröder, verspüren Sie nach dem Heimrechttausch mit dem 1. FC Köln überhaupt richtige DFB-Pokalstimmung?Unsere Mannschaft spürt dieses Pokal-Fieber schon, weil sie heiß auf das Spiel ist. In Teilen des Vereinsumfeldes ist dagegen eine gewisse Enttäuschung darüber zu vernehmen, dass die Partie nicht in Berlin stattfinden kann.
Der Berliner Senat erlaubt seit dem 1. September wieder Freiluftveranstaltungen mit bis zu 5000 Zuschauern. Warum hat sich Ihr Verein dennoch gegen eine Austragung des Pokalspiels entschieden?
Zum einen aus organisatorischen Gründen, weil wir das Hygienekonzept der Deutschen Fußball Liga hätten umsetzen müssen. Das war in der Kürze der Zeit aber nicht zu realisieren, zumal unsere Heimspielstätte, der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, immerhin 20 000 Mann fasst. Zudem hätten wir das Sicherheits-Personal aufstocken müssen, um die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln kontrollieren zu können. Wir sind dann letztlich mit dem 1. FC Köln übereingekommen, das Heimrecht zu tauschen.
Mit wie vielen Zuschauern wäre in Berlin denn zu rechnen gewesen?
Das wäre eben nicht kalkulierbar gewesen. Vielleicht wären es 4000 Zuschauer geworden, vielleicht aber nur 1000. Das war uns zu unsicher.
Zur Person
Marco Schröder (47) leitet seit 2018 als Geschäftsführer die Fußball-Abteilung des Breitensportvereins VSG Altglienicke. Zuvor war er bereits 19 Jahre lang in verschiedenen anderen Funktionen für den Club aus dem Berliner Bezirk Treptow-Köpenick tätig. Zum Zeitpunkt des coronabedingten Abbruchs der Saison 2019/20 führte Altglienicke die Regionalliga Nordost an. Aufgrund der Quotientenregel musste die VSG den punktgleichen Verfolger 1. FC Lokomotive Leipzig noch passieren lassen. 2017 stieg die VSG in die Regionalliga auf. (cto)
Wir spielen in der Regionalliga vor 450 Leuten, sind also in Berlin nicht der große Zuschauermagnet. Hinzu kommt, dass der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in einem ganz anderen Bezirk liegt. Die Zuschauer hätten von Köpenick aus durch die halbe Stadt fahren müssen.
Welche Rolle hat bei der Entscheidung das Verbot von Gästefans gespielt?
Das war der entscheidende Punkt. Mit Gästefans aus Köln hätten wir die maximal erlaubte Zahl von 5000 Zuschauern erreichen können. Dann wäre die Entscheidung wahrscheinlich anders ausgefallen und wir hätten in Berlin gespielt.
War Ihnen die Gefahr eines Zuschussgeschäftes also letztlich zu hoch?
Die wirtschaftliche Vernunft stand im Vordergrund. Sie war uns wichtiger als die Enttäuschung mancher, dass wir auf das Heimrecht verzichten.
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Erhält Ihr Verein vom FC einen finanziellen Zuschuss, etwa für Anreise und Übernachtung?
Es gibt eine Vereinbarung mit dem 1. FC Köln, der uns unterstützt.
Zum Sportlichen: Wie groß schätzen Sie die Chance ein, als Regionalligist auswärts bei einem Erstligisten eine Überraschung zu schaffen?
Dass wir auswärts antreten, macht die Sache nochmal schwieriger. Eine Chance haben wir nur, wenn uns der FC nicht ernst nimmt. Wir wurden beim Berliner Landespokal-Finale allerdings schon beobachtet. Der FC hat seine Hausaufgaben gemacht.
Wie groß ist die Vorfreude auf das Kölner Stadion?
Es ist etwas Besonderes, in so einem großen Stadion, wo auch Länderspiele stattfinden, zu spielen. Wir wollen das genießen, auch wenn keine Zuschauer da sein werden.
Das Halbfinale und Finale des Berliner Landespokals hatte ebenfalls vor leeren Rängen stattfinden müssen. Wie sehr schmerzte das gerade finanziell?
Der Berliner Fußball-Verband hat eine Ausgleichszahlung getätigt. Allerdings ist die VSG Altglienicke in Berlin dafür bekannt, vor nur vergleichsweise wenigen Zuschauern zu spielen.
Die Amateurclubs erhalten in der ersten Runde des DFB-Pokals eine Prämie von rund 130 000 Euro. Wie wertvoll ist dieses Geld für einen Regionalligisten?
Das ist ein Betrag, den wir spüren und der gut in unseren Etat reinspielt. Wir waren vorher viermal im Halbfinale des Landespokals, jetzt haben wir den Pokal das erste Mal gewonnen. Das ist eine schöne Unterstützung unseres Budgets.
In der Regionalliga fließen im Vergleich zu den drei Profiligen kaum bis gar keine Fernsehgelder. Wie sehr sind Viertligisten auf Zuschauereinnahmen angewiesen?
Zuschauereinnahmen machen in der Regionalliga gerade bei den Traditionsvereinen einen sehr großen Teil des Etats aus. Ohne sie ist eine Saison auf Viertliga-Ebene nur schwer stemmbar.
Machen Sie sich in der Coronakrise Sorgen um die Existenz der Regionalliga?
Es kann gut sein, dass der eine oder andere Regionalligist in Schwierigkeiten geraten wird. Clubs, die vernünftig wirtschaften und gerade in der aktuellen Zeit nicht mit aller Macht in die 3. Liga hoch wollen, sollten die Krise aber meistern können.
Würden Sie sich mehr Unterstützung durch den DFB wünschen?
Die finanzielle Schere ist doch schon zwischen den drei deutschen Profifußballligen riesengroß. Bis auf ein wenig Fernsehgeld gibt es vom großen DFB keine Unterstützung für Regionalligisten.