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Aufstiegskandidat der Kölner Kreisliga B2Wie 35 unerwartete Zugänge den VfR Sinnersdorf retteten

Lesezeit 4 Minuten
02.04.2023, Fussball-SC West II - Sinnersdorf

links: Robert Fink (Sinnersdorf)
rechts: Rene Römer (Sinnersdorf) Torschütze zum 1:0

Foto: Uli Herhaus

Rene Römer (rechts), Torgarant des VfR Sinnersdorf

Der Klub wurde vom Sanierungsfall zu einem florierenden Amateurverein.

Paul Göddertz, Jahrgang 1936, hätte beinahe seinen liebsten Zeitvertreib verloren. Der rüstige Mitachtziger ist seit mehr als 75 Jahren Mitglied im VfR Sinnersdorf. Die meisten kennen ihn nur als „Fusse Paul“. Das ist eine Bezeichnung in Kölner Mundart und wird jenen Menschen zuteil, deren rötliche Haarpracht in markanter Weise hervorsticht. Wenn nichts Gravierendes dazwischenkommt, schaut sich Göddertz jedes Heimspiel seines VfR an. Für viele ist er der Edel-Fan schlechthin. Die drohende Löschung des VfR Sinnersdorf hätte Göddertz vermutlich schwer zugesetzt.

Glücklicherweise kam alles anders. Dabei gehörte der Verein für Rasensport Sinnersdorf von 1928 bereits zu den Todgeweihten, wie es der Vorsitzende Detlef Brabender (60) formulierte. Das ist gar nicht lange her. Es gab von allem zu wenig. Vor allem Spieler fanden immer seltener den Weg auf den am Randkanal gelegenen und aus der Zeit gefallenen Aschenplatz. In dieser vielleicht kritischsten Phase der Klub-Historie zählte der VfR lediglich acht Seniorenspieler.

Von der Stadt Pulheim gab es einen Kunstrasenplatz

Die Leidensgeschichte des VfR ist eine längere. Geprägt von Alphatieren, denen nicht immer eine glückliche Hand vergönnt war. Mit dem Abstieg aus der Kölner Fußball-Kreisliga A gegen Ende der 1990er Jahre ging es stetig bergab – bis in die Kreisliga C. Ein tiefer Fall. Inzwischen ist aus dem Sanierungsfall ein Aufstiegskandidat geworden. Den Kunstrasenplatz gab es passend zum Aufschwung von der Stadt Pulheim obendrauf.

Die Wiederbelebung sei nicht das Werk eines Einzelnen gewesen, betont Brabender, der dem Verein seit zwei Jahren vorsteht. Allerdings liefen bei dem 60-Jährigen alle Drähte zusammen. Brabender aktivierte sein Netzwerk und traf viele wichtige und richtige Entscheidungen – und nutzte die Gunst der Stunde, als gut 35 wechselwillige Fußballer des benachbarten SV Auweiler-Esch nach internen Unstimmigkeiten anfragten und seither für den VfR spielen.

Drei neue Mannschaften auf einen Schlag für Sinnersdorf

„Die Jungs von Auweiler wollten nur als Gruppe wechseln. Wir hatten somit auf einen Schlag zwei Seniorenteams und eine Alt-Herren-Mannschaft. Für uns war das ein Segen. Ohne sie wären die Lichter beim VfR mit ziemlicher Sicherheit erloschen“, sagt Brabender. Heute zählt der VfR rund 350 Mitglieder. Bis auf den ältesten Juniorenjahrgang sind im Nachwuchs alle Altersklassen besetzt.

Bei seinem Amtsantritt habe der Kassenstand 360 Euro betragen. „Heute ist die Kasse dunkelschwarz“, sagt der Vorsitzende und lächelt zufrieden. Für viele sei der Klub wie eine Familie, in der eine Vielzahl gemeinschaftsfördernder Maßnahmen das Gesamtgefüge stärke, so Brabender. Bei einer Spendenaktion zugunsten der Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien generierte der Verein mehr als 4600 Euro für die Bedürftigen. „Das ist eine verschworene Gemeinschaft“, meint Brabender.

Rene Römer erzielt 72 Tore für Sinnersdorf

Eine, für die Andreas Brück im Sommer 2020 als Trainer der ersten Mannschaft die Verantwortung übernommen hat. Den Sinnersdorfer Höhenflug unter dem 31-Jährigen stoppte zunächst Corona. Nach sieben Spieltagen – Sinnersdorf führte die Kreisliga C an – wurde die Saison beendet, der Aufstieg ausgesetzt. Der gelang dann in der folgenden Spielzeit, in der alleine Rene Römer inklusive Pokalspielen 72 Tore beisteuerte. Und auch in der aktuellen Serie läuft es für den 28-Jährigen.

Mit 27 Toren belegt der bewegliche Mittelstürmer in der Torjägerliste der Kreisliga B, Staffel 1, hinter Gianluca Miranda vom SC West II den zweiten Platz. Römer arbeitet für einen großen Chemiekonzern und lässt auch vor einer bevorstehenden Nachschicht kein Training ausfallen. „Früher war Rene ein Einzelgänger. Heute treibt er die Mannschaft an und nimmt eine zentrale Führungsrolle ein. Bei ihm ist immer Feuer drin. Er könnte locker ein, zwei Klassen höher spielen. Wir sind froh, dass wir ihn haben“, betont Brück.

Sinnersdorf ist seit Jahren am Randkanal ungeschlagen

Römers Pendant ist Reimund Reiß. Der 39-Jährige besteche laut Brück mit „Wucht, Schnelligkeit und Kopfballstärke“, kommt auf sechs Treffer, ist aber nicht immer erste Wahl. Reiß arbeitet als Nachtwächter auf einem Schrottplatz und verpasst hier und da eine Einheit.

Wolfgang Weiß ist im Team des VfR Sinnersdorf als Achter nicht aus der Startformation wegzudenken. In Kürze begeht er seinen 35. Geburtstag und scheut keine Mühen, seinen Aufgaben in Sinnersdorf nachgehen zu können. Notfalls mit Unterstützung seiner Freundin, die ihn aus der Kölner Südstadt zu Training und Spielen begleitet.

Wolfgang Weiß ist Betreuer bei Fortuna Köln

Ansonsten macht sich der 34-Jährige, der beim Regionalligisten SC Fortuna Köln als Betreuer fungiert und überdies die B-Junioren des VfR Sinnersdorf anleitet, mit dem öffentlichen Nahverkehr auf den Weg nach Sinnersdorf. „Er betreibt einen Riesenaufwand und ist ein totaler Glücksfall. Ein absoluter Leader und immer positiv“, so Brück.

Im Titelrennen muss Sinnersdorf allerdings auf Brücks Bruder Jan verzichten. Der Kapitän verletzte sich vor drei Wochen an der Achillessehne und wird den Rest der Saison ausfallen.

Nach 20 Spieltagen liegt der VfR punktgleich mit dem SC West II (beide 44) auf Platz zwei. Brabender ist zuversichtlich, dass der Aufstieg in die Kreisliga A gelingt. Von den restlichen zehn Spielen finden sechs in Sinnersdorf statt. Und seit Brücks Amtsantritt 2020 ging am Randkanal keines verloren. Im nächsten Heimspiel ist Afrika Köln (Sonntag, 16. April, 15 Uhr) zu Gast.